Ein öffentlicher Auftraggeber schrieb im Januar 2022 Rohbauarbeiten im Rahmen der Sanierung eines Polizeipräsidiums aus; die Angebotsfrist lief am 04.03.2022 ab, also unmittelbar nach Beginn des Angriffskriegs Russlands auf die Ukraine. Der Auftraggeber ermittelte nach Ablauf der Angebotsfrist um 50 % höhere Kosten als ursprünglich von ihm angesetzt und bat die beteiligten Bieter um eine Bestätigung der Auskömmlichkeit ihrer Angebote. Ein Bieter, der die Auskömmlichkeit nicht bestätigte, hat sich vor der Vergabekammer gegen den Ausschluss seines Angebots gewendet und geltend gemacht, dass eine kaufmännisch vernünftige Kalkulation angesichts der erheblichen Preisschwankungen insbesondere auf dem Stahlmarkt nicht mehr möglich sei. Der öffentliche Auftraggeber sei deshalb verpflichtet, Preisgleitklauseln vorzugeben. Der Ausschluss des Angebots sei dagegen nicht zulässig.
Die Vergabekammer Westfalen ist dieser Argumentation mit Beschluss vom 12.07.2022 gefolgt. Den Bietern werde ein nach § 7 EU Abs. 1 Nr. 3 VOB/A unzulässiges ungewöhnliches Wagnis aufgebürdet, wenn sie trotz erheblicher Preisschwankungen für Materialien verpflichtet würden, Festpreise anzubieten. Dem könne der öffentliche Auftraggeber – entsprechend eines Schreibens des Ministeriums für Finanzen des Landes Nordrhein-Westfalen vom 19.04.2022 sowie des Erlasses des Bundesministeriums für Wohnen, Stadtentwicklung und Bauwesen vom 25.03.2022 – durch die Vereinbarung von Preisgleitklauseln entgegentreten. Öffentliche Auftraggeber sind demnach gehalten, Stoffpreisgleitklauseln vorzusehen. Dazu eignet sich etwa das Formblatt 225 des Vergabehandbuchs des Bundes. Damit kann insbesondere vermieden werden, dass sich Unternehmen im Vergabeverfahren auf § 7 EU Abs. 1 Nr. 3 VOB/A berufen oder nach Vertragsschluss eine Preisanpassung nach § 313 BGB wegen einer Störung der Geschäftsgrundlage verlangen.