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2021

Hohes Alter des Mieters als Härtegrund gegen Eigenbedarfskündigung

In einem Urteil vom 03.02.2021 hat sich der Bundesgerichtshof erneut mit der Frage beschäftigt, welche Härtegründe in der Person eines Mieters dazu führen können, dass eine berechtigte Eigenbedarfskündigung des Vermieters nicht durchgesetzt werden kann. Ausgangspunkt der Entscheidung ist § 574 BGB, der dem von einer ordentlichen Kündigung des Wohnraummietverhältnisses betroffenen Mieter das Recht gibt, der Kündigung des Vermieters zu widersprechen und von diesem die Fortsetzung des Mietverhältnisses zu verlangen, wenn die Beendigung des Mietverhältnisses für ihn eine Härte bedeuten würde, die auch unter Würdigung der berechtigten Interessen des Vermieters nicht zu rechtfertigen ist.

Im entschiedenen Fall hatte der Vermieter eine berechtigte Eigenbedarfskündigung ausgesprochen. Der Mieter hatte der Kündigung widersprochen und eine Fortsetzung des Mietverhältnisses wegen seines hohen Alters von fast 90 Jahren verlangt. Als weiteren Härtegrund führte der Mieter seine tiefe Verwurzelung am Ort der Mietsache aufgrund des langjährigen Mietverhältnisses (18 Jahre) an. In den ersten beiden Instanzen erhielt der Mieter zunächst Recht. Dem ist der Bundesgerichtshof jedoch entgegengetreten, hob das Berufungsurteil auf und verwies die Sache zurück. Der Bundesgerichtshof beanstandete insbesondere, dass das Landgericht allein das hohe Lebensalter des Mieters als Härtegrund angenommen hatte, ohne Feststellungen dazu zu treffen, ob sich aus dem hohen Lebensalter tatsächlich ein Interesse des Mieters an der Fortsetzung des Mietverhältnisses ergibt, das das berechtigte Interesse des Vermieters an der Beendigung des Mietverhältnisses überwiegt. Der Bundesgerichtshof stellte fest, dass das hohe Lebensalter eines Mieters in Verbindung mit weiteren Umständen bei einer wertenden Gesamtbetrachtung dazu führen kann, dass ein Härtegrund vorliegt, der die Interessen des Vermieters überwiegt. Jedoch sei es unzulässig, bei der gebotenen Interessenabwägung eine wertende Kategorisierung der widerstreitenden Interessen in der Weise vorzunehmen, dass dem Bestandsinteresse eines Mieters mit hohem Lebensalter regelmäßig Vorrang gegenüber dem berechtigten Erlangungsinteresse des Vermieters eingeräumt werde. Es müsse vielmehr eine Abwägung zwischen den Interessen des Mieters auf der einen und den Interessen des Vermieters auf der anderen Seite vorgenommen werden. Hierbei müsse in jedem Einzelfall geprüft werden, ob es tatsächlich Härtegründe gebe, die durchaus in hohem Lebensalter und einer sozialen Verwurzelung am bisherigen Wohnort bestehen können, insbesondere, wenn hinzu noch gesundheitliche Probleme träten, die sich bei einem Wohnortwechsel verstärken könnten. Eine solche Abwägung müsse jedoch tatsächlich durchgeführt und insbesondere müssten hierzu die entsprechenden Feststellungen getroffen werden. Erst dann und auf dieser Basis könne entschieden werden, ob das Interesse des Mieters, seine Wohnung zu behalten, tatsächlich das berechtigte Interesse des Vermieters, die Wohnung für eigene Zwecke zu erlangen, überwiege. Pauschal könne dies weder aufgrund eines hohen Lebensalters noch aufgrund eines seit längerer Zeit bestehenden Mietverhältnisses angenommen werden. Das Landgericht hatte solche Feststellungen nicht getroffen, sodass das Urteil aufgehoben und zurückverwiesen wurde.

Auch diese Entscheidung des Bundesgerichtshofes zeigt, dass die Durchsetzung einer Eigenbedarfskündigung mit einer Vielzahl von Fallstricken behaftet ist. Selbst wenn ein berechtigtes Interesse des Vermieters an einer ordentlichen Kündigung gegeben ist, bedeutet dies nicht zwangsläufig, dass die Kündigung auch erfolgreich durchgesetzt werden kann. Der Gesetzgeber gibt dem Mieter grundsätzlich aus guten Gründen die Möglichkeit, einer Kündigung zu widersprechen. Aber auch für den Mieter ist die erfolgreiche Durchsetzung seines Widerspruchs nicht pauschal und ohne Probleme möglich. Auch dies zeigt die Entscheidung des Bundesgerichtshofs. Es gibt daher keine Kategorien, die per se einen erfolgreichen Widerspruch begründen. Dies sind weder ein hohes Alter noch eine pauschal auf eine lange Dauer des Mietverhältnisses gestützte angebliche Verwurzelung am Wohnort. Der Bundesgerichtshof hat deutlich gemacht, dass allein ein langjähriges Mietverhältnis nicht von vorneherein eine soziale Verwurzelung am Wohnort bedeutet. Hier käme es vielmehr erneut auf eine einzelfallbezogene Bewertung an und damit insbesondere auch auf die individuelle Lebensführung des Mieters und damit darauf, ob beispielsweise soziale Kontakte in der Nachbarschaft gepflegt werden, Einkäufe in der näheren Umgebung erledigt werden etc. Vermieter und Mieter müssen daher auf den Einzelfall bezogen und sehr individuell vortragen, um die Kündigung auf der einen Seite oder einen Widerspruch gegen die Kündigung auf der anderen Seite erfolgreich durchsetzen zu können. Pauschale Ausführungen reichen nicht.

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