Bereits im Jahr 2017 trat das sogenannte Entgelttransparenzgesetz in Kraft. Gegenstand von Diskussionen war vor allem der in § 10 Entgelttransparenzgesetz festgeschriebene Auskunftsanspruch. Hiernach sind Unternehmen mit mehr als 200 Arbeitnehmern verpflichtet, auf Verlangen eines Arbeitnehmers offenzulegen, wie hoch die durchschnittliche Vergütung andersgeschlechtlicher Arbeitnehmer mit vergleichbarem Stellenprofil ist.
Obwohl der Name des Gesetzes "Entgelttransparenzgesetz" dies nahelegt, verpflichtet das Gesetz aber nicht nur größere Unternehmen mit mehr als 200 Arbeitnehmern zur Offenlegung statistischer Gehaltsunterschiede zwischen den Geschlechtern. Es verpflichtet darüber hinaus jedes Unternehmen - unabhängig von seiner Größe - dazu, vergleichbare Arbeitnehmer unterschiedlichen Geschlechts grundsätzlich auch gleich zu vergüten. Gehaltsunterschiede zwischen den Geschlechtern sind nur zulässig, soweit sachliche Gründe für eine Differenzierung vorliegen. Das Gesetz konkretisiert insoweit die bereits bestehenden Gleichbehandlungsgrundsätze und definiert außerdem, unter welchen Voraussetzungen die Tätigkeit verschiedener Arbeitnehmer gleich bzw. gleichwertig ist.
Sachliche Gründe, die eine unterschiedliche Vergütung rechtfertigen, liegen nach überwiegender Auffassung nicht bereits dann vor, wenn ein Arbeitnehmer bzw. eine Arbeitnehmerin besser verhandelt als seine/ihre andersgeschlechtlichen Kollegen. Auch soll es nicht ausreichen, dass die Leistung des besserverdienenden Arbeitnehmers als qualitativ hochwertiger eingeschätzt wird. Stattdessen muss das Unternehmen objektive Unterscheidungsmerkmale anführen, um eine abweichende Vergütung zu rechtfertigen. In einer Entscheidung vom 21.01.2021 hat das Bundesarbeitsgericht nun erstmals klargestellt, dass die unzulässige unterschiedliche Vergütung von Arbeitnehmern verschiedenen Geschlechts nicht nur zu einer Anpassung der Vergütungshöhe für die Zukunft verpflichtet. Vielmehr bestehe auch ein rückwirkender Anspruch auf die Differenzvergütung der vorangegangenen Jahre.
Geklagt hatte in dem durch das Bundesarbeitsgericht entschiedenen Fall eine Abteilungsleiterin, die nach Auskunft ihres Arbeitgebers monatlich ca. 230,00 € brutto weniger verdient hatte, als der Median ihrer männlichen Abteilungsleiterkollegen. Das Bundesarbeitsgericht entschied daraufhin, dass bereits die unterschiedliche Höhe der Vergütung eine tatsächliche Vermutung für eine unsachgemäße Ungleichbehandlung aufgrund des Geschlechts begründe. Das Unternehmen trage daher die volle Darlegungs- und Beweislast dafür, dass die unterschiedliche Vergütung sachlich gerechtfertigt sei. Dabei reichte dem Bundesarbeitsgericht als sachlicher Grund für die unterschiedliche Vergütung nicht aus, dass die im konkreten Fall besserverdienenden (männlichen) Abteilungsleiterkollegen bereits deutlich länger im Unternehmen waren, als die Klägerin.
In der Konsequenz sollten Unternehmen, die die Gehälter verschiedengeschlechtlicher Arbeitnehmer unterschiedlich stark anheben wollen, vor jeder Gehaltserhöhung eine umfassende Dokumentation sachlicher Beweggründe für die Gehaltserhöhung vornehmen. Denn im Falle einer Klage durch einen Arbeitnehmer reicht sonst bereits der Umstand aus, dass andersgeschlechtliche Kollegen durchschnittlich besser verdienen. Dabei sollte beachtet werden, dass auch eine lineare Anhebung der Vergütung (etwa nach Maßgabe eines bestimmten Prozentsatzes) zu einer Benachteiligung von Arbeitnehmern mit niedrigeren Gehältern führen kann. Schlimmstenfalls droht eine Nachzahlung von Vergütung über mehrere Jahre. Zudem sollten Unternehmen das Urteil zum Anlass nehmen, die bestehende Vergütungsstruktur auf möglicherweise bestehende Ungleichbehandlungen zu prüfen und gegebenenfalls anzupassen.
Paradox: Die deutlich erleichterte Klagemöglichkeit der Arbeitnehmer gilt nur für Kollegen unterschiedlichen Geschlechts. Kollegen gleichen Geschlechts können zwar untereinander nach dem allgemeinen Gleichbehandlungsgrundsatz eine Anpassung der Vergütung für die Zukunft geltend machen, werden damit aber nur selten Erfolg haben. Das Entgelttransparenzgesetz gilt in solchen Fällen nicht und somit findet auch ein deutlich vereinfachter Differenzierungsmaßstab Anwendung.