HomeWissenNewsletterdetailFAQ zu virtuellen Gesellschafterversammlungen der GmbH
2023

FAQ zu virtuellen Gesellschafterversammlungen der GmbH

Seit dem 01.08.2022 ermöglicht das GmbHG auch ohne entsprechende Satzungsregelung die Abhaltung einer Gesellschafterversammlung per Telefon- oder Videokonferenz bzw. als Hybrid-Versammlung. Voraussetzung ist hierfür gemäß § 48 Abs. 1 Satz 2 GmbHG, dass sämtliche Gesellschafter sich mit einem solchen Vorgehen in Textform einverstanden erklären. Zu derartigen Gesellschafterversammlungen kommen regelmäßig Fragen auf:

1. Kann auf der Grundlage des § 48 Abs. 1 Satz 2 GmbHG auch eine sogenannte Hybrid-Versammlung abgehalten werden?

Bei Hybrid-Versammlungen handelt es sich um Gesellschafterversammlungen, bei denen ein Teil der Gesellschafter vor Ort persönlich anwesend ist und sich zumindest ein anderer Gesellschafter per Telefon- oder Videokonferenz zuschaltet. § 48 Abs. 1 Satz 2 GmbHG regelt eine solche Hybrid-Versammlung zwar nicht ausdrücklich, soll eine solche nach der Intention des Gesetzgebers aber ermöglichen. Voraussetzung ist aber auch hier, dass sämtliche Gesellschafter sich in Textform einverstanden erklären.

2. Wer entscheidet über die Form der Versammlung?

Es bleibt grundsätzlich Sache des Einladenden, zu entscheiden, in welcher Form die Gesellschafterversammlung stattfinden soll. Entscheidet sich der Einladende – vorbehaltlich abweichender Satzungsregelungen häufig der Geschäftsführer – für eine Präsenzversammlung, so muss sich der Gesellschafter, der sich stattdessen per Video oder Telefon zuschalten will, mit seinen Mitgesellschaftern abstimmen und deren Zustimmung einholen. Der Gesellschafter hat grundsätzlich keinen Anspruch darauf, sich zu einer Präsenzveranstaltung zuschalten zu dürfen, auch wenn dies für ihn persönlich vorteilhafter wäre. Tatsächlich hat die Gesetzesänderung durch das DiREG (Gesetz zur Ergänzung der Regelungen zur Umsetzung der Digitalisierungsrichtlinie) dazu geführt, dass es zu einer Verschärfung der Anforderungen in Bezug auf Hybrid-Versammlungen gekommen ist. Bei der früheren Rechtslage war eine ad-hoc-Zuschaltung einzelner Gesellschafter möglich, wenn ein Zuschaltungsbeschluss gefasst wurde. Diesen konnten die in Präsenz anwesenden Gesellschafter gemäß den für die Beschlussfassung geltenden Satzungsregelungen oder, falls solche fehlen sollten, gemäß § 47 Abs. 1 GmbHG mit einfacher Mehrheit fassen. Seit dem 01.08.2022 bedarf es nunmehr der Zustimmung jedes einzelnen Gesellschafters in Textform.

3. Muss ich als Gesellschafter dem Wunsch eines anderen Gesellschafters, sich per Video oder Telefon einer Präsenzversammlung zuzuschalten, zustimmen?

Grundsätzlich nein. Ohne entsprechende Satzungsregelungen kann sich eine Pflicht zur Zustimmung aber aus der mitgliedschaftlichen Treuepflicht ergeben. Diese besagt, dass auch im Verhältnis der Gesellschafter untereinander auf die Interessen der Mitgesellschafter im angemessenen Rahmen Rücksicht genommen werden muss. Die gewünschte Zuschaltung muss daher grundsätzlich den übrigen Gesellschaftern zumutbar sein und der sich zuschaltende Gesellschafter muss ein berechtigtes Interesse daran haben. Die Interessen sind im Einzelfall gegeneinander abzuwägen, wobei das Interesse des Gesellschafters, sich einfach und bequem zuschalten zu können, das Interesse der anderen Gesellschafter, in einer Präsenzversammlung über eventuell streitige Punkte zu diskutieren, nicht grundsätzlich überwiegt. Dies kann anders sein, wenn der betreffende Gesellschafter etwa aus nicht vertretbaren Gründen (etwa krankheitsbedingt) nicht an der Gesellschafterversammlung in Präsenz teilnehmen noch einen Vertreter schicken kann oder aufgrund konkreter Satzungsregelungen darf.

4. Welche Frist ist bei einem Einberufungsverlangen für eine Video- bzw. Telefonkonferenz einzuhalten?

Der Einladende hat grundsätzlich die satzungsmäßigen Fristen, mindestens aber die gesetzliche Ladungsfrist von einer Woche gemäß § 51 Abs. 1 Satz 2 GmbHG einzuhalten. Letztere steht auch nicht zur Disposition der Satzung. Auch wenn die Gesellschafterversammlung per Video- oder Telefonkonferenz stattfinden soll, haben die Gesellschafter grundsätzlich ein Interesse daran, sich angemessen vorbereiten oder auch beraten lassen zu können.

5. Was bedeutet Textform?

Das Einverständnis der Gesellschafter zur virtuellen Versammlung hat in Textform gemäß § 126b BGB zu erfolgen. Dies bedeutet, dass die Erklärung in dauerhaft lesbarer Weise dokumentiert werden muss. Eine eigenhändige Unterschrift ist nicht erforderlich. Daher genügen insbesondere auch E-Mail, SMS oder WhatsApp-Nachricht. Denkbar ist auch eine Chat-Nachricht im jeweiligen Videokonferenzprogramm, wenn dieses eine Aufbewahrung und Speicherung des Chat-Verlaufes ermöglicht, was nicht bei allen der üblicherweise verwendeten Programme der Fall ist.

6. An wen ist das Einverständnis zu versenden?

Die Erklärung ist gegenüber der Geschäftsführung oder einem nach der Satzung bestimmten anderen Erklärungsempfänger abzugeben.

7. Alle Gesellschafter haben ihr Einverständnis erklärt – müssen auch alle an der Gesellschafterversammlung teilnehmen?

Eine solche Verpflichtung ergibt sich weder unmittelbar aus dem Gesetz noch aus der Gesetzesbegründung. Nach dem Sinn und Zweck der Regelungen wird man davon ausgehen können, dass es genügt, wenn nach Zustimmung aller Gesellschafter nur das nach Satzung erforderliche Quorum an der Versammlung teilnimmt.

8. Welche Folgen ziehen Verstöße gegen § 48 Abs. 1 Satz 2 GmbHG nach sich?

Werden die Vorgaben des § 48 Abs. 1 Satz 2 GmbHG nicht eingehalten (z.B. nicht alle Gesellschafter erklären ihr Einverständnis), wird man von einer Nichtigkeit der gefassten Beschlüsse ausgehen müssen. Eine Heilung solcher Beschlüsse ist auch durch einseitige Genehmigung der Gesellschafter nicht möglich. Bestehen Unsicherheiten über die Einhaltung der Form- oder Fristvorgaben, kann sich in der Praxis dadurch beholfen werden, dass an eine bereits abgehaltene Gesellschafterversammlung ein schriftliches Abstimmungsverfahren gemäß § 48 Abs. 2 GmbHG angeschlossen wird, mit dem das gefasste Ergebnis nochmals schriftlich niedergelegt und als schriftliche Beschlussfassung von sämtlichen Gesellschaftern unterzeichnet wird.

9. Wie ist das Verhältnis zwischen § 48 Abs. 1 Satz 2 GmbHG und abweichenden Satzungsregelungen?

§ 48 Abs. 1 Satz 2 GmbHG ist dispositiv, was bedeutet, dass die Gesellschafter von dieser Vorschrift abweichen können. Sie können die Durchführung einer virtuellen Gesellschafterversammlung gesellschaftsvertraglich erleichtern oder aber auch erschweren. In der Praxis hat sich u.a. eine sogenannte "OPT-Out-Regelung" bewährt – soweit man dies zum jetzigen Zeitpunkt sagen kann –, wonach eine Gesellschafterversammlung mittels Video- oder Telefonkonferenz zulässig sein soll, wenn nicht zumindest ein oder mehrere Gesellschafter, die einen bestimmten Anteil von Stimmrechten halten, einer solchen Gesellschafterversammlung aktiv widersprechen. Bei Satzungsregelungen zur Abhaltung von z.B. Videokonferenzen, die vor der Einführung des § 48 Abs. 1 Satz 2 GmbHG herrühren, ist stets im Einzelfall zu prüfen, ob diese nicht die Anwendung des § 48 Abs. 1 Satz 2 GmbHG ausschließen.

NEWSLETTER

linkedin facebook pinterest youtube rss twitter instagram facebook-blank rss-blank linkedin-blank pinterest youtube twitter instagram