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2021

Öffentliches Bau- und Planungsrecht Newsletter 2021/07

BESTIMMUNG VON GEBIETEN MIT ANGESPANNTEM WOHNUNGSMARKT

Eine – zeitlich befristete – Kernvorschrift des Baulandmobilisierungsgesetzes ist die Verordnungsermächtigung der Landesregierungen, durch Rechtsverordnung Gebiete (ganze Gemeinden oder einzelne Stadtbezirke) mit einem angespannten Wohnungsmarkt zu bestimmen. Von einem solchen ist auszugehen, wenn die ausreichende Versorgung der Bevölkerung mit Mietwohnungen zu angemessenen Bedingungen besonders gefährdet ist, was beispielsweise dann angenommen werden kann, wenn die Mieten deutlich stärker steigen als im Bundesdurchschnitt, die durchschnittliche Mietbelastung der Haushalte den bundesweiten Durchschnitt deutlich übersteigt, die Wohnbevölkerung wächst, ohne dass erforderlicher Wohnraum geschaffen wird oder geringer Leerstand bei gleichzeitig großer Nachfrage besteht. Eine auf dieser Grundlage erlassene Rechtsverordnung muss spätestens am 31.12.2026 außer Kraft treten.

Weder die Neuregelung im Baugesetzbuch noch eine darauf gestützte Rechtsverordnung lösen unmittelbare Rechtsfolgen aus, diese ergeben sich immer erst aus den einzelnen Gesetzesvorschriften, die an den Erlass einer solchen Verordnung anknüpfen und auf die im Einzelnen nachfolgend eingegangen wird.

Ausweitung der kommunalen Vorkaufsrechte

Die schon bislang bestehenden kommunalen Vorkaufsrechte wurden mit dem Baulandmobilisierungsgesetz ausgeweitet und die Frist zu ihrer Ausübung verlängert.

Allgemeines Vorkaufsrecht

Den Gemeinden stand nach den bisherigen Regelungen zum allgemeinen Vorkaufsrecht ein solches zu an Grundstücken, die vorwiegend mit Wohngebäuden bebaut werden konnten, soweit die Grundstücke unbebaut waren. Ergänzend wurde nun klargestellt, dass auch solche Grundstücke als unbebaut gelten, die lediglich eingefriedet oder nur zu vorläufigen Zwecken bebaut sind. Daneben wurde ein weiteres Vorkaufsrecht eingeführt an Grundstücken, an denen entweder ein städtebaulicher oder ein gebäudebezogener Missstand besteht (sog. Schrott- oder Problemimmobilien), soweit hiermit erhebliche nachteilige Auswirkungen auf das soziale oder städtebauliche Umfeld verbunden sind. Es ist zu erwarten, dass gegen viele Bescheide zur Ausübung eines Vorkaufsrechts auf dieser Grundlage Rechtsschutz gesucht werden wird, da der Wortlaut der einzelnen Kriterien extrem offen ist.

Satzungsvorkaufsrecht

Neben den allgemeinen Vorkaufsrechten besteht für die Gemeinden die Möglichkeit, durch den Erlass einer Satzung besondere Vorkaufsrechte zu begründen. Die bisherigen Satzungsvorkaufsrechte wurden um eine weitere Fallgruppe ergänzt. Danach können Gemeinden an brachliegenden oder unbebauten Grundstücken ein Vorkaufsrecht durch Satzung schaffen, wenn diese vorwiegend mit Wohngebäuden bebaut werden können und in einem durch Rechtsverordnung bestimmten Gebiet mit angespanntem Wohnungsmarkt liegen.

Ausübungsvoraussetzungen

Ein Vorkaufsrecht darf grundsätzlich nur dann ausgeübt werden, wenn die Ausübung durch das Wohl der Allgemeinheit gerechtfertigt ist. Mit der Novellierung wird klargestellt, dass insbesondere die Deckung eines Wohnbedarfs dem Wohl der Allgemeinheit dienen kann. Die Frist zur Ausübung des Vorkaufsrechts durch die Gemeinde wurde von bisher zwei auf nunmehr drei Monate verlängert. Übersteigt der Kaufpreis für das Grundstück dessen Verkehrswert, hat die Gemeinde die Möglichkeit, den zu zahlenden Betrag nach dem Verkehrswert zu bestimmen. Die vormalige Voraussetzung, wonach eine deutliche Überschreitung des Verkehrswerts vorliegen musste, wurde ersatzlos gestrichen.

Städtebauliche Instrumente für die Gemeinden

Das Baulandmobilisierungsgesetz gibt den Gemeinden weitere städtebauliche Instrumente an die Hand, insbesondere zu dem Zweck, die Innenentwicklung zu stärken.

Sektoraler Bebauungsplan zur Wohnraumversorgung

Für den Zeitraum bis 31.12.2024 wird den Gemeinden die Möglichkeit eingeräumt, zur Schaffung von gefördertem oder bezahlbarem Wohnraum in den im Zusammenhang bebauten Ortsteilen einen sog. sektoralen Bebauungsplan zur Wohnraumversorgung aufzustellen. Hierbei handelt es sich um einen einfachen Bebauungsplan, in dem kein Baugebiet bestimmt werden muss, es sind nur Festsetzungen zu den allgemein oder ausnahmsweise zulässigen bzw. nicht zulässigen Nutzungen zu treffen. Weitere Festsetzungen etwa zum Maß der baulichen Nutzung, zur Bauweise oder den überbaubaren Grundstücksflächen, sind möglich, aber nicht zwingend.

Beschleunigtes Verfahren für Außenbereichsflächen

Bebauungspläne der Innenentwicklung können unter den gesetzlichen Voraussetzungen im beschleunigten Verfahren aufgestellt werden. Die Anwendbarkeit der umstrittenen Vorschrift, welche diese Möglichkeit auch für die Zulässigkeit von Wohnnutzungen auf Flächen eröffnet, die sich an im Zusammenhang bebaute Ortsteile anschließen, wurde verlängert. Das Verfahren zur Aufstellung eines entsprechenden Bebauungsplans im beschleunigten Verfahren muss bis 31.12.2022 förmlich eingeleitet werden.

Städtebauliches Entwicklungskonzept

Mit dem städtebaulichen Entwicklungskonzept, einem informellen Planungsinstrument, soll das auch unzusammenhängend im Gemeindegebiet vorhandene Innenentwicklungspotential aktiviert werden. Die in ihm getroffenen Aussagen sind im Rahmen der Abwägung bei der Aufstellung eines Bebauungsplans zu berücksichtigen. Hieraus kann sich im Ergebnis ein Planungserfordernis für die Aufstellung oder Änderung eines Bebauungsplans, aber auch die Rechtfertigung für die Anwendung eines Vorkaufsrechts oder für den Erlass eines Baugebots ergeben.

Erleichterungen für den Wohnungsbau

Mit dem Baulandmobilisierungsgesetz wurden Regelungen eingeführt, die in Baugenehmigungsverfahren für Vorhaben in Baugebieten, im unbeplanten Innenbereich sowie im Außenbereich zu prüfen sind und der erleichterten bzw. vermehrten Schaffung von Wohnraum dienen sollen.

Befreiungen von den Festsetzungen eines Bebauungsplans

Für Vorhaben innerhalb des räumlichen Geltungsbereichs eines Bebauungsplans sieht das Gesetz eine sehr weitreichende Befreiungsmöglichkeit innerhalb von Gebieten mit angespanntem Wohnungsmarkt vor, die auf die Geltungsdauer der Verordnung bis längstens 31.12.2026 begrenzt ist. Danach kann von den Festsetzungen des Bebauungsplans zugunsten des Wohnungsbaus befreit werden, wenn die Befreiung unter Würdigung nachbarlicher Interessen mit den öffentlichen Belangen vereinbar ist. Weitere Befreiungsvoraussetzungen müssen nicht vorliegen. Insbesondere wird nicht verlangt, dass die Grundzüge der Planung nicht berührt sein dürfen. Der Planungshoheit der Gemeinde wird dadurch Rechnung getragen, dass sie nicht nur wie sonst üblich ihr Einvernehmen erteilen muss, sondern ihre Zustimmung, die jedoch dann als erteilt gilt, wenn sie nicht binnen der Frist von zwei Monaten verweigert wird. Diese Regelung wird mutmaßlich für Befreiungen vom Maß der baulichen Nutzung sowie den überbaubaren Grundstücksflächen Bedeutung erlangen, weil in diesen Bereichen die nachbarlichen Interessen nur begrenzt geschützt sind. Für Nachbarn wird es in solchen Fällen noch schwerer, sich gegen ein Vorhaben zu wenden, das nicht den Vorgaben des Bebauungsplans entspricht.

Neuerungen im unbeplanten Innenbereich sowie im Außenbereich

Weniger praktische Relevanz dürften die Vorschriften für die im Zusammenhang bebauten Ortsteile sowie den Außenbereich erlangen. Im unbeplanten Innenbereich kann in den Fallgruppen der Erweiterung, Änderung oder Erneuerung eines zulässigerweise errichteten Wohnzwecken dienenden Gebäudes oder der Nutzungsänderung einer zulässigerweise errichteten baulichen Anlage zu Wohnzwecken vom Erfordernis des Einfügens auch dann abgewichen werden, wenn eine solche in mehreren vergleichbaren Fällen möglich ist, sofern es nicht der Aufstellung eines Bebauungsplans bedarf. Im Außenbereich besteht nunmehr die Möglichkeit, unter gewissen Voraussetzungen fünf statt nur wie bisher zulässig drei Wohnungen je Hofstelle zu schaffen.

Ausdehnung des Baugebots

Um die gewünschte Innenentwicklung weiter zu stärken, sollen bestehende Baulücken vermehrt geschlossen werden. Ein Instrument hierfür ist die bereits bestehende, bislang aber nur selten zur Anwendung gebrachte Vorschrift zum Baugebot, welche durch die Novellierung im Gesetzgebungsprozess sehr umstrittene Änderungen und Ergänzungen erfahren hat.

Nach der Neuregelung kann eine Gemeinde den Eigentümer eines Grundstücks, das im Geltungsbereich eines Bebauungsplans liegt, verpflichten, dieses innerhalb einer angemessenen Frist mit einer oder mehrerer Wohneinheiten zu bebauen, wenn im Bebauungsplan Wohnnutzung zulässig ist und es in einem von der Landesregierung durch Verordnung festgelegten Gebiet mit einem angespannten Wohnungsmarkt liegt. Wohnnutzung zugelassen ist nicht nur in den reinen oder allgemeinen Wohngebieten, sondern auch in den gemischten Gebieten, insbesondere in Dorfgebieten, Mischgebieten, Urbanen Gebieten, sowie dem mit dem Baulandmobilisierungsgesetz neu eingeführten dörflichen Wohngebiet, das im Folgenden noch vorgestellt wird.

Von der Anordnung eines Baugebots hat die Gemeinde abzusehen, wenn dem Eigentümer die Durchführung des Vorhabens aus wirtschaftlichen Gründen nicht zuzumuten ist. Daneben ist eine weitere, auf fünf Jahre befristete Abwendungsmöglichkeit geschaffen worden, die anschließend evaluiert werden soll. Nach dieser darf kein Baugebot erlassen werden, wenn der Eigentümer glaubhaft macht, dass ihm die Durchführung des Vorhabens aus Gründen des Erhalts der Entscheidungsbefugnis über die Nutzung des Grundstücks für seinen Ehegatten oder eine in gerader Linie verwandte Person nicht zuzumuten ist. Zweck dieser Regelung ist, den besonderen persönlichen Beziehungen und Näheverhältnissen im Familienkreis des Eigentümers Rechnung zu tragen. Es sollte die Möglichkeit eröffnet werden, das Grundstück beispielsweise als Altersvorsorge oder zur finanziellen Absicherung in Familienbesitz zu halten.

Umwandlungsverbot von Miet- in Eigentumswohnungen

In Großstädten ist häufig zu beobachten, dass Investoren oder gewerbliche Immobilieneigentümer Mietshäuser sanieren und die Wohnungen als Wohneigentum veräußern. Um dieser Praxis entgegenzuwirken, hat der Gesetzgeber eine im Gesetzgebungsverfahren äußerst umstrittene Vorschrift geschaffen, welche die Begründung von Wohnungseigentum oder Teileigentum in Bestandsgebäuden unter Genehmigungsvorbehalt stellt. Die Vorschrift ist anwendbar, wenn das Grundstück in einem durch Rechtsverordnung festgesetzten Gebiet mit angespanntem Wohnungsmarkt liegt und die Landesregierung in dieser Verordnung einen entsprechenden Genehmigungsvorbehalt eingeführt hat. Das Genehmigungserfordernis gilt nur für Wohngebäude mit mehr als fünf Wohnungen. Die Anzahl der Wohnungen kann durch die Rechtsverordnung auf wenigstens drei Wohnungen reduziert oder auf maximal 15 Wohnungen erweitert werden. Die Rechtsverordnung muss mit Ablauf des 31.12.2025 außer Kraft treten. Mit dem Außerkrafttreten der Rechtsverordnung erlischt auch die Genehmigungspflicht.

In bestimmten gesetzlich normierten Fallkonstellationen ist die Erteilung der Genehmigung vorgeschrieben, beispielsweise wenn das Grundstück zu einem Nachlass gehört und Wohn- oder Teileigentum zugunsten von Miterben oder Vermächtnisnehmern begründet werden soll oder eine Veräußerung an Familienangehörige des Eigentümers zur eigenen Nutzung erfolgt.

Änderungen der Baunutzungsverordnung

Ein Teil des Baulandmobilisierungsgesetzes beinhaltet Änderungen in der Baunutzungsverordnung.

Dörfliches Wohngebiet Zum einen wurde mit dem dörflichen Wohngebiet ein neuer Gebietstyp geschaffen, um in sich stark wandelnden ländlichen Räumen ein einvernehmliches Nebeneinander von Wohnen, landwirtschaftlichen Betrieben und gewerblicher Nutzung zu ermöglichen. Anders als beim Mischgebiet muss die Nutzungsdurchmischung nicht gleichwertig sein, der Wohnanteil darf daher die anderen Nutzungsarten wesentlich überwiegen. Die Einordnung des dörflichen Wohngebiets in Rechtsvorschriften, die an die Gebietskategorie nach der Baunutzungsverordnung anknüpfen, wie beispielsweise TA Lärm und TA Luft, wurde noch nicht vorgenommen, sodass derzeit noch nicht klar ist, welche Grenz- bzw. Orientierungswerte für diesen Gebietstyp gelten.

Herabstufung von Obergrenzen zu Orientierungswerten Zum anderen ist die Vorschrift zum Maß der baulichen Nutzung geändert worden, welche bislang Obergrenzen für die Grundflächenzahl, die Geschossflächenzahl sowie die Baumassenzahl abhängig vom jeweiligen Baugebietstyp vorgeschrieben hatte. Hier kam es zu einem Paradigmenwechsel, weil die bisherigen Obergrenzen nunmehr als Orientierungswerte ausgestaltet sind. Die Änderung soll den Gemeinden bei der Aufstellung von Bebauungsplänen einen größeren Entscheidungsspielraum zubilligen, weil Nachverdichtungen so erleichtert und flexibler planerisch umgesetzt werden können.

Gerne steht Ihnen Dr. Nadine Holzapfel bei Rückfragen zu diesen Themen zur Verfügung.

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