Mit Beschluss vom 16.09.2020 hat der Bundesgerichtshof seine Rechtsprechung geändert und lässt nun eine begrenzte Fortschreibung der Düsseldorfer Tabelle zu. Kinder müssen demnach künftig ihren Unterhaltsbedarf nicht mehr zwingend konkret ermitteln, wenn das Einkommen eines Elternteils über 5.500,00 € liegt und sie deshalb einen höheren Unterhalt als aus der bisher höchsten Einkommensgruppe beanspruchen.
Der Entscheidung lag folgender Sachverhalt zugrunde: Aus der im Jahr 2014 geschiedenen Ehe ist die 2011 geborene Tochter hervorgegangen. Im Rahmen der Scheidungsfolgenvereinbarung einigten sich die Eltern darauf, ab 2019 den Kindesunterhalt entsprechend der Düsseldorfer Tabelle neu berechnen zu lassen. Ohne eine konkrete Berechnung vorzunehmen, stimmte der Vater sodann zu, monatlich den Höchstbetrag gemäß Düsseldorfer Tabelle als Kindesunterhalt zu zahlen und erklärte, "unbegrenzt leistungsfähig" zu sein. Das nunmehr neunjährige Mädchen – vertreten durch seine Mutter – wollte wissen, über welches Einkommen sein Vater als Geschäftsführer mehrerer Unternehmen tatsächlich verfügt.
Sowohl das vorbefasste Amts- als auch das Oberlandesgericht forderten eine Offenlegung der Einkünfte durch den Vater. Eine solche könne nur ausnahmsweise ausbleiben, wenn die Auskunft keinerlei Bedeutung für den Unterhaltsanspruch habe. Die hiergegen gerichtete Rechtsbeschwerde des Vaters blieb ohne Erfolg. Der Bundesgerichtshof schloss sich der Argumentation der Vorinstanzen an und führte ergänzend aus, dass selbst bei Zahlung des Höchstbetrags gemäß Düsseldorfer Tabelle die Pflicht zur Offenlegung der Einkommensverhältnisse dann bestehe, wenn ein Mehrbedarf des Kindes geltend gemacht werde, der nicht vom Tabellenbedarf umfasst sei. Mehrbedarf werde nicht hälftig von den Kindeseltern getragen, sondern anhand der Einkommensverhältnisse mit einer Quote berechnet. Die konkrete Auskunft über das Einkommen beider Elternteile sei daher erforderlich, um die Haftungsquoten bestimmen zu können.
Der Bundesgerichtshof hat ergänzend ausgeführt, dass minderjährige Kinder automatisch am Lebensstandard der Eltern teilnehmen, das gelte auch beim Kindesunterhalt. Es müsse sichergestellt werden, dass dies auch bei höherem Einkommen der Eltern entsprechend erfolge. Eine faktische Festschreibung des Kindesunterhalts bei einem Elterneinkommen, das den Höchstbetrag der Düsseldorfer Tabelle übersteigt, dürfe daher nicht vorgenommen werden. Dies könne durch die Fortschreibung der Düsseldorfer Tabelle gesichert werden. Dies entspreche auch der neueren Rechtsprechung zum Ehegattenunterhalt, wonach auch bei Einkommen über 5.500,00 € die Quotenmethode zur Bedarfsberechnung anzuwenden und keine konkrete Bedarfsberechnung erforderlich sei.
Der Bundesgerichtshof verdeutlicht in seiner Entscheidung, dass Kinder das Recht haben, die genauen Einkommensverhältnisse der Eltern zu erfahren. Eine Teilhabe am Luxus der Eltern wird ihnen dadurch gleichwohl nicht zuteil, da eine Fortschreibung der Richtsätze der Düsseldorfer Tabelle nur zu einer moderaten einkommensabhängigen Steigerung des Kindesunterhalts führen wird. Denn die Sätze der Düsseldorfer Tabelle sehen eine degressiv steigende Beteiligungsquote des Kindesunterhalts am Elterneinkommen vor.