HomeWissenNewsletterdetailNachbarschutz bei Festsetzungen zum Maß der baulichen Nutzung
2018

Nachbarschutz bei Festsetzungen zum Maß der baulichen Nutzung

In Zeiten der Wohnungsknappheit sind die Baurechtsbehörden nicht selten gewillt, Baugenehmigungen zu erteilen, die weitreichend von Festsetzungen zum Maß der baulichen Nutzung abweichen, damit ein Grundstück möglichst weitgehend ausgenutzt werden kann. Hierdurch kann es zu Konflikten mit den Nachbarn kommen, die sich selbst an die Vorgaben des Bebauungsplans gehalten haben und deshalb nicht bereit sind, ein solches Vorhaben hinzunehmen. Doch obwohl solche Baugenehmigungen teilweise in eklatantem Widerspruch zu den Festsetzungen der Grundflächenzahl, der Geschossflächenzahl, der Höhe von baulichen Anlagen oder der zulässigen Anzahl der Vollgeschosse stehen, haben die Nachbarn oft das Nachsehen. Sie können nur dann mit Erfolg gegen eine Baugenehmigung vorgehen, wenn diese einerseits rechtswidrig ist und andererseits ihre nachbarlichen Rechte verletzt. An letztgenannter Voraussetzung fehlt es regelmäßig, weil Festsetzungen zum Maß der baulichen Nutzung grundsätzlich nicht dem Schutz des Nachbarn dienen. Etwas anderes gilt – ausnahmsweise – nur dann, wenn die Gemeinde als Plangeber den Festsetzungen zum Maß der baulichen Nutzung nachbarschützende Wirkung beimessen wollte.

Eine solche nachbarschützende Wirkung von Festsetzungen zum Maß der baulichen Nutzung hat das Bundesverwaltungsgericht in einer Entscheidung vom 09.08.2018 angenommen. Konkret ging es um ein Ufergrundstück am Berliner Großen Wannsee, für das der Bebauungsplan aus dem Jahr 1959 als Maß der baulichen Nutzung eine Baumasse von 1,0 m³ umbauten Raums je Quadratmeter Baugrundstück und als zulässige Geschossfläche zwei Vollgeschosse festsetzte. Obwohl der Bebauungsplan aus einer Zeit stammte, in der man an einen nachbarlichen Drittschutz noch nicht gedacht hat, können dessen Festsetzungen eine solche Wirkung entfalten. Vom Bundesverwaltungsgericht wurde es für zulässig erachtet, Festsetzungen nachträglich subjektiv-rechtlich aufzuladen. Dies war vorliegend deshalb angezeigt, weil ein nachbarliches Austauschverhältnis bestand. Die Maßfestsetzungen sollten hier – was norma-lerweise Festsetzungen zur Art der baulichen Nutzung vorbehalten ist – der Bewahrung des Gebietscharakters dienen. Maßgebliche Zielsetzungen seien die Stärkung des Grünflächenanteils, die Gestaltung eines von Bebauung frei gehaltenen Uferbereichs und die Beschränkung der baulichen Aus-nutzung der Grundstücke insgesamt, was durch die Kombination der einzelnen Festsetzungen erreicht werden sollte.

Auch diese Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts zeigt, dass es sich lohnen kann, den Bebauungsplan mit seinen Festsetzungen, der Begründung, den Umständen seines Zustandekommens und seinen Zielvorgaben näher in den Blick zu nehmen. Denn nur so lässt sich herausfinden, ob Festsetzungen zum Maß der baulichen Nutzung abweichend vom Regelfall Nachbarschutz vermitteln, was zu der für einen Nachbarn entscheidenden Rechtsfolge führt, dass sein Rechtsbehelf gegen eine Baugenehmigung, welche rechtswidrig von Maßfestsetzungen befreit, erfolgreich ist.

NEWSLETTER

linkedin facebook pinterest youtube rss twitter instagram facebook-blank rss-blank linkedin-blank pinterest youtube twitter instagram