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2019

Bauauftrag an insolvenzbedrohten Unternehmer begründet kein Mitverschulden des Bauherrn

Das OLG München hat sich mit der Frage beschäftigt, ob ein Bauherr sich ein anspruchsminderndes Mitver-schulden für Mängel gegenüber seinem Bauüberwacher anrechnen lassen muss, falls der vom Bauherrn beauftragte Unternehmer von der Insolvenz bedroht ist oder während der Bauphase in die Insolvenz fällt (9 U 2091/15). Gegenstand des Verfahrens waren mangelhafte Fassadenarbeiten eines Bauunternehmers, die der Bauüberwacher nicht rechtzeitig bemerkt hat. Bereits vor Beauftragung des Bauunternehmers durch den Bauherrn bestanden Zweifel an der finanziellen Leistungsfähigkeit des Unternehmens. Der Bauherr entschied sich trotzdem dafür, den Bauunternehmer zu beauftragen. Dieser fiel schließlich während der Bauphase in die Insolvenz, arbeitete jedoch im Einverständnis mit dem Bauherrn weiter. Hierbei entstanden Mängel an der Fassade. Im Haftungsprozess gegen den Bauüberwacher wegen der Mängel wendete dieser ein Mitverschulden des Bauherrn ein. Er erhob vier konkrete Einwände: Die Beauftragung eines finanzschwachen Unternehmens, die unterlassene Kündigung des Unternehmers nach Eintritt der Insolvenz, die Kenntnis vom Bauherrn von der mangelhaften Ausführung sowie den insolvenzbedingten Entfall des gesamtschuldnerischen Innenausgleichsanspruchs gegen das ausführende Unternehmen.

Das OLG München ließ keinen der Einwände durchgehen. Es erachtete zunächst die Beauftragung eines finanzschwachen Unternehmers für zulässig, soweit eine gesamtwirtschaftliche Betrachtung diese Beauftragung rechtfertigt. Hierfür genügt nach Ansicht des Senats, dass die Beauftragung eines anderen Unternehmens mit einer erneuten Ausschreibung oder deutlich erhöhten Kosten verbunden wäre. Der Bauherr war auch nicht verpflichtet, dem Unternehmer nach Eintritt der Insolvenz zu kündigen. Auch hier sind die finanziellen Interessen und der Zeitplan des Auftraggebers in die Abwägung einzustellen. Eine Kenntnis von der mangelhaften Arbeit des Unternehmers konnte dem Bauherrn ebenfalls nicht nachgewiesen werden. Denn der Bauüberwacher hatte die offenbar chaotische Situation auf der Baustelle nicht hinreichend deutlich mitgeteilt. Auch half es dem Bauüberwacher nicht, dass er im gesamtschuldnerischen Innenverhältnis das Bauunternehmen nicht mehr in Anspruch nehmen konnte. Der Senat vertrat hierzu eine strenge Auffassung: So sollen bei Tätigkeit eines insolventen Unternehmers gesteigerte Überwachungspflichten des Bauüberwachers gelten. Er selbst müsse gerade dann dafür sorgen, dass keine Mängel entstehen. Insgesamt bestätigte das OLG somit die Verurteilung des Bauüberwachers zur Leistung des vollen Schadenersatzes, ohne dass sich der Auftraggeber eine Kürzung wegen eines Mitverschuldens gefallen lassen musste.

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