Viele Unternehmen – vom Einzelhandel, über die Gastronomie, bis zu den Fitnessstudios – mussten aufgrund behördlicher Anordnung während des "Lockdowns" ihre Betriebe schließen. Hierbei stellte sich die Frage, ob von behördlichen Schließungsanordnung betroffene Unternehmen ihre – nun nicht mehr einsetzbaren - Mitarbeiter dennoch weiter vergüten mussten.
Im Grundsatz gilt im Arbeitsrecht das so genannte "Betriebsrisiko", welches in § 615 BGB verankert ist: Hiernach trägt der Arbeitgeber das Risiko eines (auch unverschuldeten) Arbeitsausfalles. Auch wenn die Erbringung der Arbeitsleistung für die Arbeitnehmer tatsächlich nicht möglich ist, behalten diese ihren Anspruch auf Vergütung ("Annahmeverzugslohn").
Doch trägt der Arbeitgeber auch bei Corona-Schließungen das Arbeitsausfallrisiko? Zumindest im Falle einer geringfügigen Beschäftigung hat das BAG mit Urteil vom 13.10.2021 Klarheit geschaffen. Es bestehe keine Vergütungspflicht des Arbeitgebers, so die Richter des BAG.
Geklagt hatte eine im Einzelhandel tätige Arbeitnehmerin, die im Rahmen einer geringfügigen Beschäftigung für eine monatliche Vergütung von 432,00 € im Verkauf tätig war. Aufgrund einer Verordnung der Stadt Bremen wurde die entsprechende Filiale im April 2020 zur Eindämmung des Coronavirus behördlich geschlossen und der Arbeitgeber zahlte das monatliche Entgelt nicht. Mit ihrer Klage verfolgte die Arbeitnehmerin Vergütung für den April 2020.
Nachdem die Vorinstanzen der Klägerin noch Recht gaben, entschieden die Erfurter Richter: Die Klägerin hat für den Monat April 2020, in dem ihre Arbeitsleistung und deren Annahme durch die Beklagte aufgrund der behördlich angeordneten Betriebsschließung unmöglich war, keinen Anspruch auf Entgeltzahlung unter dem Gesichtspunkt des Annahmeverzugs. Der Arbeitgeber trage das Risiko des Arbeitsausfalles nicht, wenn zum Schutz der Bevölkerung vor schweren und tödlichen Krankheitsverläufen infolge von SARS-CoV-2-Infektionen durch behördliche Anordnung nahezu flächendeckend alle nicht für die Versorgung der Bevölkerung notwendigen Einrichtungen geschlossen werden. Es realisiere sich nicht ein im konkreten Betrieb angelegtes "Betriebsrisiko" – vielmehr ist der Arbeitsausfall Folge einer die gesamte Gesellschaft betreffenden Gefahrenlage.
Weiter führt das BAG aus: Es sei Sache des Staates, gegebenenfalls für einen entsprechenden Ausgleich des ausgefallenen Entgelts zu sorgen. Diese Last könne jedoch nicht (nur) den Arbeitgebern auferlegt werden. Da geringfügig Beschäftigte keinen Anspruch auf Kurzarbeitergeld haben, bestehe eine Lücke im sozialversicherungsrechtlichen Regelungssystem. Es sei aber nicht Pflicht der Arbeitgeber, diese Lücke zu schließen.
Die Entscheidung ist begrüßenswert. Maßnahmen zum Schutz der Bevölkerung vor schweren und tödlichen Krankheitsverläufen haben mit einem im Betrieb angelegten Risiko des Arbeitsausfalls nichts gemein. Insofern ist der Staat in der Verantwortung, entstehende finanzielle Einbußen auszugleichen – mit betriebstechnischen Gründen hat dies nichts zu tun.
Ob Arbeitgeber bereits gezahlten Lohn zurückfordern können, ist im Einzelfall zu überprüfen. Problematisch können hierbei die häufig anwendbaren Ausschlussklauseln sein, die einer Rückforderung entgegenstehen könnten. Möglich ist auch, dass sich Arbeitnehmer auf den "Entreicherungseinwand" berufen, wenn das Entgelt bereits verbraucht wurde.
Inwiefern das Urteil auch Auswirkungen auf die Vergütungspflicht außerhalb einer geringfügigen Beschäftigung hat, lässt sich noch nicht abschließend beurteilen. Die Urteilsgründe sind noch nicht veröffentlicht. Allerdings gibt es hier zumindest die Möglichkeit des Bezugs von Kurzarbeitergeld, sodass eine Lücke im Sozialversicherungssystem diesbezüglich nicht besteht.
Darüber hinaus schafft das Urteil aber Klarheit, dass Annahmeverzug nach § 615 S. 3 BGB nur gefordert werden kann, wenn der Arbeitsausfall aus der betrieblichen Sphäre stammt. Muss der Betrieb aber aus Gründen allgemeiner Natur schließen, realisiert sich das Betriebsrisiko nicht.