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2022

EuGH zur Gruppenversicherung und zu den Informationspflichten bei der fondsgebundenen Lebensversicherung

EuGH, Urteil vom 24.2.2022 in den verbundenen Rechtssachen C-143/20 und C-213/20

Gegenstand des Rechtsstreits waren fondsgebundene Lebensversicherungen nach polnischem Recht, die durch Beitritt der versicherten Personen zu Gruppenversicherungsverträgen zustande gekommen waren. Versicherungsnehmer waren jeweils Unternehmen aus der Finanzbranche, die das Produkt auf Provisionsbasis an die Versicherten (Verbraucher) vertrieben. 

Das Urteil befasst sich zunächst mit der Frage, gegenüber wem die Informationspflichten beim Beitritt der versicherten Personen zum Gruppenversicherungsvertrag zu erfüllen waren. Diese hat der EuGH dahingehend entschieden, dass der Versicherer dem Versicherungsnehmer in einer für Verbraucher verständlichen Weise die vorgeschriebenen Informationen zum Versicherungsprodukt übermitteln muss. Sodann sei der Versicherungsnehmer der Gruppenversicherung verpflichtet, die Informationen dem Versicherten vor dessen Beitritt zur Verfügung zu stellen. Der Begriff des Versicherungsnehmers im Sinne des Richtlinienrechts sei europarechtlich autonom auszulegen und könne auch die versicherte Person umfassen.

Weiter hat sich der EuGH zum Umfang der Informationspflichten bei fondsgebundenen Lebensversicherungsverträgen bzw. Unit-Linked-Versicherungen geäußert. Er hat entschieden, dass der Versicherer klare, genaue und verständliche Informationen über die wirtschaftliche und rechtliche Natur der zugrundeliegenden Vermögenswerte sowie über die damit verbundenen strukturellen Risiken erteilen muss. Er muss jedoch weder vollständige Informationen über Art und Umfang aller mit der Anlage verbundenen Risiken noch dieselben Informationen übermitteln, wie sie ihm der Emittent der Finanzinstrumente zu erteilen hatte.

Die Rechtsfolgen unzureichender Informationen gegenüber den Versicherten richten sich gemäß der Entscheidung des EuGH nach dem nationalen Recht. Dieses dürfe die Wirksamkeit des Rechts jedoch nicht derart in Frage stellen, dass der Verbraucher sich davon abhalten lasse, es auszuüben. Unzulängliche Informationen könnten zudem eine irreführende Unterlassung nach dem europäischen Wettbewerbsrecht darstellen.

Bewertung: Nicht überraschend hat der EuGH entschieden, dass bei Gruppenversicherungsverträgen die beitretenden Versicherten ebenso zu informieren sind wie beim Abschluss "normaler" Versicherungsverträge der Versicherungsnehmer. Fraglich ist, ob sich daraus direkte Auswirkungen auf das deutsche Recht ergeben, das bislang gemäß § 7d VVG entsprechende Informationspflichten nur bei Restschuldversicherungen vorsieht. Nach unserer Auffassung lässt das deutsche Recht eine Ausdehnung dieser Vorschrift auf andere Versicherungssparten im Wege der Analogie oder eine europarechtskonforme Auslegung des Begriffs des Versicherungsnehmers in § 7 VVG nicht zu. Auswirkungen auf das deutsche Versicherungsrecht würden sich auf Basis dieser Einschätzung erst dann ergeben, wenn der Gesetzgeber das Urteil des EuGH zum Anlass nimmt, entsprechend tätig zu werden. Allerdings bleibt die Entwicklung der Rechtsprechung abzuwarten, die durchaus zu einem anderen Ergebnis kommen könnte. Zu begrüßen ist, dass der EuGH einer massiven Ausweitung des Umfangs der Informationspflichten bei fondsgebundenen Versicherungen widerstanden hat. Die vom EuGH formulierten Vorgaben dürften regelmäßig schon jetzt in der Praxis weitgehend erfüllt werden.

Praxishinweis: Angesichts der ungewissen Umsetzung des Urteils des EuGH durch die deutsche Rechtsprechung sollte ein Tätigwerden des Gesetzgebers nicht abgewartet, sondern schon jetzt dafür Sorge getragen werden, dass die Versicherten von Gruppenversicherungsverträgen ebenso informiert werden, wie wenn sie die Versicherung als Versicherungsnehmer abschließen würden. Dies gilt nicht zuletzt vor dem Hintergrund, dass nach dem Urteil des EuGH unzureichende Informationen einen Wettbewerbsverstoß darstellen können, so dass Unterlassungsklagen von Verbraucherverbänden drohen.

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