Mit dem Risikoreduzierungsgesetz (RiG, BGBl 2020, S. 2773) hat der deutsche Gesetzgeber nicht nur unionsrechtliche Vorgaben des Bankenaufsichtsrechts transformiert, sondern zugleich die Eingriffsbefugnisse der BaFin gegen Geschäftsleiter im KWG und im VAG angeglichen. Diese Änderungen führen zu einer erhöhten Gefahr für die Geschäftsleiter von Versicherungsunternehmen im Hinblick auf Verwarnung, Abberufungsverlangen und Tätigkeitsverbot, die in § 303 VAG geregelt sind (zu diesen Interventionsinstrumenten Bürkle, in Diehl, Handbuch des Versicherungsunternehmensrechts, § 13 Rn. 139 ff.). Aufsichtsratsmitglieder und Inhaber von Schlüsselfunktionen sind von den Neuerungen durch das RiG nicht betroffen, die für Geschäftsleiter zu drei wesentlichen Änderungen führen:
Erstens können Geschäftsleiter künftig auch bei eigenen Verstößen gegen die in § 303 Abs. 1 Satz 1 VAG genannten Rechtsakte oder Anordnungen verwarnt werden. Zuvor war dieser behördliche Eingriff nur bei Verstößen des Unternehmens zulässig.
Zweitens setzt die behördliche Verwarnung künftig keine subjektiven Merkmale bei dem jeweils betroffenen Geschäftsleiter voraus; sie kann also unabhängig davon ausgesprochen werden, ob der Rechtsverstoß verschuldet war.
Drittens gilt für das Abberufungsverlangen und das Tätigkeitsverbot nach erfolgter Verwarnung der Grundsatz der Gesamtverantwortung. Die Gesetzesbegründung erläutert dazu, dass allein die Ressortzuständigkeit eines anderen Geschäftsleiters nicht entlastend wirken soll.
Bewertung: Das RiG führt durch die deutlich reduzierten Hürden zur erhöhten Wahrscheinlichkeit personenbezogener Eingriffe gegenüber Geschäftsleitern. Diese sollten daher bereits im Vorfeld von Verwarnungen im Rahmen der verwaltungsrechtlichen Anhörung kompetenten aufsichtsrechtlichen Rat einholen.