Eigentümerversammlungen, bauliche Änderungen, welche Rechte hat die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer und welche der Verwalter – dies sind Themen, die in Wohnungseigentümergemeinschaften häufig zu Streit führen. Die Entschärfung dieser und weiterer konfliktträchtiger Punkte steht im Mittelpunkt einer Reform des Rechts der Wohnungseigentümergemeinschaft, die am 01.12.2020 in Kraft tritt. Nachfolgend die wichtigsten Neuerungen:
1. Entstehung der Wohnungseigentümergemeinschaft
Eine Wohnungseigentümergemeinschaft entsteht künftig bereits mit der Anlegung der Wohnungsgrundbücher. Damit wird die Ein-Personen-Gemeinschaft möglich, sodass Bauträger noch vor Eintritt einer weiteren Person in die Gemeinschaft für diese wirksam Versorgungs- oder Verwalterverträge abschließen können. Mitglied der Wohnungseigentümergemeinschaft wird man weiterhin erst durch Eigentumseintragung. In Anlehnung an das durch die Rechtsprechung geschaffene Konstrukt der "werdenden Wohnungseigentümergemeinschaft" gilt der Erwerber speziell beim Erwerb vom teilenden Eigentümer (in der Regel vom Bauträger) bereits dann als Mitglied der Wohnungseigentümergemeinschaft, wenn zu seinen Gunsten eine Auflassungsvormerkung eingetragen ist und er den Besitz am Sondereigentum erlangt. Regelungen im Bauträgervertrag über die Einräumung von Rechten innerhalb der Wohnungseigentümergemeinschaft im Innenverhältnis werden hierdurch künftig überflüssig.
2. Rechtsfähigkeit der Wohnungseigentümergemeinschaft
Der Verband der Wohnungseigentümer wird durch die WEG-Reform gestärkt. Die bisher lediglich im Rahmen der Verwaltung des gemeinschaftlichen Eigentums als teilrechtsfähig behandelte Wohnungseigentümergemeinschaft wird vom Gesetzgeber nun als vollrechtsfähig anerkannt. Das gemeinschaftliche Eigentum wird nicht mehr durch die Wohnungseigentümer, sondern durch die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer (= Verband) verwaltet. Der Verband übt alle sich aus dem gemeinschaftlichen Eigentum ergebenden Rechte und solche Rechte aus, die einer einheitlichen Rechtsverfolgung bedürfen.
3. Eigentümerversammlungen und Beschlussfassung
Eigentümerversammlungen können künftig flexibler gestaltet werden. Die Eigentümer können einzelnen Eigentümern die Online-Teilnahme an einer Eigentümerversammlung ermöglichen. Nicht zulässig ist jedoch die grundsätzliche Abschaffung der Präsenzversammlungen zugunsten reiner Online-Eigentümerversammlungen. Eine Eigentümerversammlung wird unabhängig von der Zahl der anwesenden oder vertretenen Eigentümer beziehungsweise Miteigentumsanteile beschlussfähig, Wiederholungsversammlungen gehören damit der Vergangenheit an. Die Einberufungsfrist für Eigentümerversammlungen wird von zwei auf drei Wochen verlängert. Das Einberufungsverlangen können Wohnungseigentümer künftig statt in Schrift- auch in Textform, also z.B. per E-Mail stellen. Zudem wird es Wohnungseigentümern erleichtert, selbst eine Eigentümerversammlung einzuberufen, wenn eine Einberufung durch den Verwalter oder den Beiratsvorsitzenden nicht möglich ist. Auch Umlaufbeschlüsse bedürfen nur noch der Text- statt der Schriftform, sodass auch elektronische Kommunikationsmittel wie E-Mail etc. hierzu genutzt werden können. Die Wohnungseigentümer können bezüglich konkreter Gegenstände beschließen, dass hierüber im Umlaufverfahren mit Stimmenmehrheit entschieden werden kann. Das Protokoll der Eigentümerversammlung muss nun unverzüglich nach deren Beendigung erstellt werden.
4. Der Verwalter und seine Befugnisse
Der Verwalter kann künftig die Gemeinschaft umfassend, d.h. unbeschränkt und unbeschränkbar im Außenverhältnis vertreten, wodurch der Rechtsverkehr mit der Gemeinschaft erleichtert werden soll. Ausgenommen hiervon sind lediglich Abschlüsse von Grundstückskauf- und Darlehensverträgen. Beschränkungen im Innenverhältnis durch vertragliche Vereinbarungen sind weiter möglich, wirken jedoch nicht gegenüber Dritten. Wohnungseigentümergemeinschaften können sich künftig leichter von einem Verwalter trennen. Die Abberufung des Verwalters ist nicht mehr vom Vorliegen eines wichtigen Grundes abhängig, die Wohnungseigentümer können den Verwalter jederzeit abberufen. Spätestens sechs Monate nach der Abberufung endet der Verwaltervertrag. Die Auswirkungen durch den Eingriff in die Planungssicherheit der Verwalter bleiben abzuwarten.
5. Sondereigentumsfähigkeit an Freiflächen
Bisher konnte Sondereigentum nur an abgeschlossenen Räumen eingeräumt werden. Eine Ausnahme galt bislang nur für (Tief-) Garagenstellplätze. Nach § 3 Abs. 2 WEG n.F. kann sich das Sondereigentum künftig auch auf einen außerhalb des Gebäudes liegenden Teil des Grundstücks erstrecken, sofern die Wohnung weiterhin wirtschaftlich die Hauptsache bleibt ("erstrecktes" Sondereigentum auf Freiflächen). Der Wohnungseigentümer kann also an der Gartenfläche oder an der Terrasse Sondereigentum erlangen. Darüber hinaus sind sämtliche Stellplätze, auch Außenstellplätze, als Raum zu behandeln und damit sonderrechtsfähig ("selbständiges" Sondereigentum an Stellplätzen). Die bisher gängigen Sondernutzungsrechte an diesen Flächen werden an Bedeutung verlieren, sind aber weiter möglich.
6. Erleichterung von baulichen Maßnahmen
Die Realisierung baulicher Maßnahmen wird erleichtert, die Kostentragung für bauliche Veränderungen grundlegend geändert. Wie bisher ist für jede bauliche Veränderung ein Beschluss der Wohnungseigentümer erforderlich, jedoch kann dieser mit einfacher Mehrheit gefasst werden. Die Zustimmung aller von der Veränderung betroffenen Eigentümer ist also nicht mehr erforderlich. Etwas anderes gilt nur dann, wenn bauliche Veränderungen die Wohnanlage grundlegend umgestalten oder einen Wohnungseigentümer ohne sein Einverständnis unbillig benachteiligen. In diesen Fällen ist eine Vereinbarung erforderlich. Daneben wird jedem Wohnungseigentümer das Recht eingeräumt bei einer Reihe privilegierter Maßnahmen (beispielsweise dem Laden von E-Fahrzeugen) einen entsprechenden Beschluss zu verlangen. Gleiches gilt, wenn alle von der Veränderung beeinträchtigten Wohnungseigentümer mit dieser einverstanden sind.