Der Bundesgerichtshof hat in einer Entscheidung vom 27.04.2021 entschieden, dass einer elektronischen Dokumentation, die nachträgliche Änderungen entgegen § 630f BGB nicht erkennbar macht, keine positive Indizwirkung dahingehend zukommt, dass die dokumentierte Maßnahme von dem Behandelnden tatsächlich getroffen worden ist. Nach Ansicht des Bundesgerichtshofs genügt eine elektronische Dokumentation, die nachträgliche Änderungen nicht erkennbar macht, nicht den Anforderungen des § 630f BGB. Nach diesen Bestimmungen sind Berichtigungen und Änderungen von Eintragungen in der Patientenakte nur zulässig, wenn neben dem ursprünglichen Inhalt erkennbar bleibt, wann sie vorgenommen wurden. Dies sei auch für elektronisch geführte Patientenakten sicherzustellen. Ziel der Regelung sei es, eine fälschungssichere Dokumentation sicherzustellen. Deshalb muss im Falle einer elektronisch geführten Patientenakte die eingesetzte Software gewährleisten, dass nachträgliche Änderungen erkennbar werden. Anders als bei der herkömmlichen hand- oder maschinenschriftlichen Dokumentation, bei der nachträgliche Änderungen durch Streichung, Radierung, Einfügung oder Neufassung regelmäßig auffallen, bietet die mit Hilfe einer – nachträgliche Änderungen nicht erkennbar machenden – Software geführte elektronische Dokumentation jedem Zugriffsberechtigten die Möglichkeit, den bisher aufgezeichneten Inhalt in kurzer Zeit, mit geringem Aufwand und fast ohne Entdeckungsrisiko nachträglich zu ändern. Darüber hinaus besteht die Gefahr der versehentlichen Löschung oder Veränderung des Inhalts. Einer solchen Dokumentation fehlt es an der für die Annahme einer Indizwirkung erforderlichen Überzeugungskraft und Zuverlässigkeit. Sie rechtfertigt daher nicht den ausreichend sicheren Schluss, die dokumentierte Maßnahme sei tatsächlich auch erfolgt. Dies gilt auch dann, wenn der Patient keine greifbaren Anhaltspunkte dafür darlegt, dass die Dokumentation nachträglich zu seinen Lasten geändert worden ist. Da der Patient insoweit außerhalb des maßgeblichen Geschehensablaufs stehe, wird er nach Ansicht des Bundesgerichtshofs regelmäßig nicht in der Lage sein, Anhaltspunkte für eine – bewusste oder versehentliche – nachträgliche Abänderung der elektronischen Dokumentation vorzulegen.
Jedoch stellte der Bundesgerichtshof klar, dass die Verwendung einer, nachträgliche Änderungen nicht erkennbar machenden Software nicht zu der Vermutung des § 630h Abs. 3 BGB führe. In dieser Bestimmung ist die bisherige Rechtsprechung zur Beweislastumkehr bei Dokumentationsversäumnissen kodifiziert. Im Einklang mit dieser knüpft sie beweisrechtliche Folgen nur daran, dass der Behandelnde eine medizinisch gebotene wesentliche Maßnahme und ihr Ergebnis entgegen § 630f BGB nicht in der Patientenakte aufgezeichnet oder die Patientenakte nicht aufbewahrt. Nach Ansicht des Bundesgerichtshofs erstreckt sich diese Vermutungswirkung auf die unterbliebene, lückenhafte, nicht zeitnahe, nicht auffindbare oder entgegen § 630f Abs. 3 BGB nicht aufbewahrte Dokumentation. Den Fall, dass die medizinische Maßnahme zwar elektronisch dokumentiert, die Dokumentation aber mit einer, nachträgliche Änderungen nicht erkennbar machenden Software erstellt wurde, regele die Bestimmung dagegen nicht.