Allgemeines Vorkaufsrecht
Den Gemeinden stand nach den bisherigen Regelungen zum allgemeinen Vorkaufsrecht ein solches zu an Grundstücken, die vorwiegend mit Wohngebäuden bebaut werden konnten, soweit die Grundstücke unbebaut waren. Ergänzend wurde nun klargestellt, dass auch solche Grundstücke als unbebaut gelten, die lediglich eingefriedet oder nur zu vorläufigen Zwecken bebaut sind. Daneben wurde ein weiteres Vorkaufsrecht eingeführt an Grundstücken, an denen entweder ein städtebaulicher oder ein gebäudebezogener Missstand besteht (sog. Schrott- oder Problemimmobilien), soweit hiermit erhebliche nachteilige Auswirkungen auf das soziale oder städtebauliche Umfeld verbunden sind. Es ist zu erwarten, dass gegen viele Bescheide zur Ausübung eines Vorkaufsrechts auf dieser Grundlage Rechtsschutz gesucht werden wird, da der Wortlaut der einzelnen Kriterien extrem offen ist.
Satzungsvorkaufsrecht
Neben den allgemeinen Vorkaufsrechten besteht für die Gemeinden die Möglichkeit, durch den Erlass einer Satzung besondere Vorkaufsrechte zu begründen. Die bisherigen Satzungsvorkaufsrechte wurden um eine weitere Fallgruppe ergänzt. Danach können Gemeinden an brachliegenden oder unbebauten Grundstücken ein Vorkaufsrecht durch Satzung schaffen, wenn diese vorwiegend mit Wohngebäuden bebaut werden können und in einem durch Rechtsverordnung bestimmten Gebiet mit angespanntem Wohnungsmarkt liegen.
Ausübungsvoraussetzungen
Ein Vorkaufsrecht darf grundsätzlich nur dann ausgeübt werden, wenn die Ausübung durch das Wohl der Allgemeinheit gerechtfertigt ist. Mit der Novellierung wird klargestellt, dass insbesondere die Deckung eines Wohnbedarfs dem Wohl der Allgemeinheit dienen kann. Die Frist zur Ausübung des Vorkaufsrechts durch die Gemeinde wurde von bisher zwei auf nunmehr drei Monate verlängert. Übersteigt der Kaufpreis für das Grundstück dessen Verkehrswert, hat die Gemeinde die Möglichkeit, den zu zahlenden Betrag nach dem Verkehrswert zu bestimmen. Die vormalige Voraussetzung, wonach eine deutliche Überschreitung des Verkehrswerts vorliegen musste, wurde ersatzlos gestrichen.
Sektoraler Bebauungsplan zur Wohnraumversorgung
Für den Zeitraum bis 31.12.2024 wird den Gemeinden die Möglichkeit eingeräumt, zur Schaffung von gefördertem oder bezahlbarem Wohnraum in den im Zusammenhang bebauten Ortsteilen einen sog. sektoralen Bebauungsplan zur Wohnraumversorgung aufzustellen. Hierbei handelt es sich um einen einfachen Bebauungsplan, in dem kein Baugebiet bestimmt werden muss, es sind nur Festsetzungen zu den allgemein oder ausnahmsweise zulässigen bzw. nicht zulässigen Nutzungen zu treffen. Weitere Festsetzungen etwa zum Maß der baulichen Nutzung, zur Bauweise oder den überbaubaren Grundstücksflächen, sind möglich, aber nicht zwingend.
Beschleunigtes Verfahren für Außenbereichsflächen
Bebauungspläne der Innenentwicklung können unter den gesetzlichen Voraussetzungen im beschleunigten Verfahren aufgestellt werden. Die Anwendbarkeit der umstrittenen Vorschrift, welche diese Möglichkeit auch für die Zulässigkeit von Wohnnutzungen auf Flächen eröffnet, die sich an im Zusammenhang bebaute Ortsteile anschließen, wurde verlängert. Das Verfahren zur Aufstellung eines entsprechenden Bebauungsplans im beschleunigten Verfahren muss bis 31.12.2022 förmlich eingeleitet werden.
Städtebauliches Entwicklungskonzept
Mit dem städtebaulichen Entwicklungskonzept, einem informellen Planungsinstrument, soll das auch unzusammenhängend im Gemeindegebiet vorhandene Innenentwicklungspotential aktiviert werden. Die in ihm getroffenen Aussagen sind im Rahmen der Abwägung bei der Aufstellung eines Bebauungsplans zu berücksichtigen. Hieraus kann sich im Ergebnis ein Planungserfordernis für die Aufstellung oder Änderung eines Bebauungsplans, aber auch die Rechtfertigung für die Anwendung eines Vorkaufsrechts oder für den Erlass eines Baugebots ergeben.
Befreiungen von den Festsetzungen eines Bebauungsplans
Für Vorhaben innerhalb des räumlichen Geltungsbereichs eines Bebauungsplans sieht das Gesetz eine sehr weitreichende Befreiungsmöglichkeit innerhalb von Gebieten mit angespanntem Wohnungsmarkt vor, die auf die Geltungsdauer der Verordnung bis längstens 31.12.2026 begrenzt ist. Danach kann von den Festsetzungen des Bebauungsplans zugunsten des Wohnungsbaus befreit werden, wenn die Befreiung unter Würdigung nachbarlicher Interessen mit den öffentlichen Belangen vereinbar ist. Weitere Befreiungsvoraussetzungen müssen nicht vorliegen. Insbesondere wird nicht verlangt, dass die Grundzüge der Planung nicht berührt sein dürfen. Der Planungshoheit der Gemeinde wird dadurch Rechnung getragen, dass sie nicht nur wie sonst üblich ihr Einvernehmen erteilen muss, sondern ihre Zustimmung, die jedoch dann als erteilt gilt, wenn sie nicht binnen der Frist von zwei Monaten verweigert wird. Diese Regelung wird mutmaßlich für Befreiungen vom Maß der baulichen Nutzung sowie den überbaubaren Grundstücksflächen Bedeutung erlangen, weil in diesen Bereichen die nachbarlichen Interessen nur begrenzt geschützt sind. Für Nachbarn wird es in solchen Fällen noch schwerer, sich gegen ein Vorhaben zu wenden, das nicht den Vorgaben des Bebauungsplans entspricht.
Neuerungen im unbeplanten Innenbereich sowie im Außenbereich
Weniger praktische Relevanz dürften die Vorschriften für die im Zusammenhang bebauten Ortsteile sowie den Außenbereich erlangen. Im unbeplanten Innenbereich kann in den Fallgruppen der Erweiterung, Änderung oder Erneuerung eines zulässigerweise errichteten Wohnzwecken dienenden Gebäudes oder der Nutzungsänderung einer zulässigerweise errichteten baulichen Anlage zu Wohnzwecken vom Erfordernis des Einfügens auch dann abgewichen werden, wenn eine solche in mehreren vergleichbaren Fällen möglich ist, sofern es nicht der Aufstellung eines Bebauungsplans bedarf. Im Außenbereich besteht nunmehr die Möglichkeit, unter gewissen Voraussetzungen fünf statt nur wie bisher zulässig drei Wohnungen je Hofstelle zu schaffen.
Dörfliches Wohngebiet Zum einen wurde mit dem dörflichen Wohngebiet ein neuer Gebietstyp geschaffen, um in sich stark wandelnden ländlichen Räumen ein einvernehmliches Nebeneinander von Wohnen, landwirtschaftlichen Betrieben und gewerblicher Nutzung zu ermöglichen. Anders als beim Mischgebiet muss die Nutzungsdurchmischung nicht gleichwertig sein, der Wohnanteil darf daher die anderen Nutzungsarten wesentlich überwiegen. Die Einordnung des dörflichen Wohngebiets in Rechtsvorschriften, die an die Gebietskategorie nach der Baunutzungsverordnung anknüpfen, wie beispielsweise TA Lärm und TA Luft, wurde noch nicht vorgenommen, sodass derzeit noch nicht klar ist, welche Grenz- bzw. Orientierungswerte für diesen Gebietstyp gelten.
Herabstufung von Obergrenzen zu Orientierungswerten Zum anderen ist die Vorschrift zum Maß der baulichen Nutzung geändert worden, welche bislang Obergrenzen für die Grundflächenzahl, die Geschossflächenzahl sowie die Baumassenzahl abhängig vom jeweiligen Baugebietstyp vorgeschrieben hatte. Hier kam es zu einem Paradigmenwechsel, weil die bisherigen Obergrenzen nunmehr als Orientierungswerte ausgestaltet sind. Die Änderung soll den Gemeinden bei der Aufstellung von Bebauungsplänen einen größeren Entscheidungsspielraum zubilligen, weil Nachverdichtungen so erleichtert und flexibler planerisch umgesetzt werden können.
Gerne steht Ihnen Dr. Nadine Holzapfel bei Rückfragen zu diesen Themen zur Verfügung.