EDITORIAL
Der wirtschaftliche Abschwung macht sich in einer steigenden Anzahl von Insolvenzverfahren bemerkbar. Am Bau ist dies besonders spürbar und gibt Anlass, den Fokus auf einen rechtlichen Missstand zu lenken: Die gesamtschuldnerische Haftung zwischen bauausführendem Unternehmen und objektüberwachendem Architekten. Wird der Fehler bei der Ausführung vom Architekten nicht bemerkt, haftet er mit dem eigentlich verantwortlichen Unternehmen gesamtschuldnerisch. Ist dort nichts zu holen, etwa wegen Insolvenz, hat der Architekt für den Baumangel alleine geradezustehen, faktisch ohne Möglichkeit, Regress zu nehmen. Angesichts des Umstandes, dass bestimmte Teile eines Schadens nicht versichert sind, hilft der Verweis auf den Haftpflichtversicherungsvertrag nur wenig. Es bleibt daher dabei: Einzige Chance, sich gegen den Vorwurf einer unzureichenden Überwachung zur Wehr zu setzen, bleibt die lückenlose Dokumentation der eigenen Überwachungstätigkeit und insbesondere der Kontrolle der Bauarbeiten.
Natürlich gibt es auch eine Menge anderer Themen. Einige davon sind in den Entscheidungen enthalten, die wir in diesem Newsletter für Sie aufbereitet haben. Wir wünschen eine angenehme Lektüre!
PROZESSRECHT
BGH: Darlegungs- und Beweislast bei Streit um Werklohnvorauszahlung
Üblicherweise wird eine Werklohnvorauszahlung des Bestellers an den Unternehmer durch eine Bürgschaft eines Dritten abgesichert. Der BGH hat sich mit der Frage beschäftigt, ob dem Bürgen im Prozess gegen den Besteller auf Rückerstattung einer nach Bürgschaftsfall geleisteten Zahlung Erleichterungen bei der Darlegungs- und Beweislast zugutekommen (VII ZR 127/23). Der Besteller hatte im zu entscheidenden Fall einen Generalunternehmer mittels Pauschalpreisvertrag mit Bauleistungen beauftragt.
URHEBERECHT
Büroinhaber oder Angestellter: Wer hat das Urheberrecht an der Architektur?
Das Landgericht Köln musste entscheiden, ob der Inhaber eines Architekturbüros von einem ehemaligen Angestellten Schadensersatz verlangen kann, wenn dieser mit Projekten wirbt, die er im Zuge seiner Tätigkeit beim Büroinhaber bearbeitet hat (14 U 259/22).
HAFTUNGSRECHT
Mangelhaftes Werk schon bei Risiko eines Gefahreintritts
Das OLG Stuttgart hat klargestellt, dass die Funktionsfähigkeit eines Werks bereits dann beeinträchtigt ist, wenn das Risiko eines Gefahreintritts besteht (10 U 15/23). Im konkreten Fall ging es um Wasserschäden in einem Zweifamilienhaus aufgrund der mangelhaften Herstellung eines Kanalanschlusses samt zugehöriger Versorgungsanschlüsse und den zugehörigen Erdarbeiten.
Immer wieder Streit um die Baukosten
Grundsätzlich ist der Objektplaner im Rahmen der Grundlagenermittlung, spätestens aber mit der Vorplanung verpflichtet, sich nach den finanziellen Möglichkeiten des Bauherrn zu erkundigen und seine Planung anhand dieser Kostenvorgaben auszurichten. Diese Aufklärungspflicht ist jedoch nicht grenzenlos, wie das OLG München zugunsten eines Architekten festgestellt hat (20 U 6700/21 Bau).
Mängelbeseitigung durch Neugestaltung
Der Bauherr ist bei der Mängelbeseitigung nicht gebunden, die ursprüngliche Planung beizubehalten. Das hat das OLG Schleswig (1 U 66/22) entschieden. Im konkreten Fall hatte ein öffentlicher Bauherr einen Architekten mit der notwendigen Planung und Bauüberwachung für die Sanierung einer Schule beauftragt.
Haftung des nicht planenden Bauüberwachers
Nicht selten kommt es vor, dass Auftraggeber für Planung und Bauüberwachung zwei unterschiedliche Architekten beauftragen. So auch in einem Fall des Landgerichts Karlsruhe (6 O 300/17), bei dem der Bauherr den später beklagten Architekten mit der Bauüberwachung und einen anderen Architekten mit der Planung für den Umbau eines Wohnhauses beauftragte.
VERGABERECHT
Vorsicht bei der horizontalen BIEGE!
Eine Bewerbung als Bietergemeinschaft (BIEGE) im Rahmen von Vergabeverfahren ist häufig anzutreffen und mag naheliegend sein, um etwaige Defizite des einen Bieters durch einen anderen Bieter der Gemeinschaft auszugleichen. Problematisch sind diese Zusammenschlüsse aber, wenn hierdurch eine Wettbewerbsverzerrung stattfindet. So hat der VGH Bayern entschieden, dass der Zuschlag auf das Angebot einer horizontalen BIEGE aufzuheben ist, wenn jeder der Bieter für sich in der Lage wäre, ein Angebot abzugeben (12 CE 24.1067).
VERTRAGSRECHT
Wie viele Varianten muss der Architekt ohne Zusatzvergütung planen?
Architekten und Ingenieure sind in den ersten Leistungsphasen gehalten, Varianten und Alternativen der Planung aufzuzeigen, sofern die Parteien sich beim Vertragsschluss an den HOAI-Leistungsbildern orientiert haben. Die Pflicht zur Variantenplanung ist dabei nicht grenzenlos. Das OLG Schleswig stellte klar, dass es Frage des Einzelfalls ist, ob der Architekt vergütungsneutral weitere Varianten und Alternativen planen muss (12 U 149/20).