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2020

Abgelaufene Angebote dürfen nicht ausgeschlossen werden!

Benötigt ein Auftraggeber mehr Zeit zur Prüfung der Angebote als erwartet, schafft er es regelmäßig nicht, den Zuschlag innerhalb der vorgegebenen Bindefrist zu erteilen. In diesen Fällen fordert der Auftraggeber die Bieter in der Regel auf, die Angebotsfrist zu verlängern. So auch in einem Fall, über den das Oberlandesgericht Celle mit Beschluss vom 30.01.2020 entschieden hat: Aufgrund fehlender Unterlagen zu einigen Angeboten, forderte der Auftraggeber die Bieter auf, ihre Angebote zu vervollständigen. Gleichzeitig bat er sie, die Angebotsfristen zu verlängern. Dem kam der nach Vervollständigung des Angebots für den Zuschlag ausgewählte Bieter nach, nicht aber der konkurrierende Bieter A. Dessen Angebot schloss der Auftraggeber daraufhin aus. 

Das von Bieter A gegen den Ausschluss eingeleitete Nachprüfungsverfahren hatte in der Beschwerdeinstanz vor dem Oberlandesgericht Celle Erfolg. Das Oberlandesgericht verpflichtete den Auftraggeber, die Angebotswertung unter Berücksichtigung des Angebots des Bieters A zu wiederholen. Denn trotz der fehlenden Verlängerung der Angebotsfrist sei eine Zuschlagserteilung auch nach Ablauf der Bindefrist möglich. Zwar müsse der Bieter der Beauftragung zustimmen, da er an sein Angebot nicht mehr gebunden sei. Dies sei vergaberechtlich jedoch dann nicht relevant, wenn sich aus den Vergabeunterlagen kein zwingender Ausschluss verfristeter Angebote ergebe. Denn dann bestehe keine Rechtsgrundlage für einen Ausschluss des abgelaufenen Angebots. Insbesondere gelte das Angebot nach Ablauf der Bindefrist nicht als nicht fristgerecht eingegangen, die Bestätigung der Bindefristverlängerung sei keine fehlende Unterlage und führe auch zu keiner Änderung an den Vergabeunterlagen. 

Die Entscheidung des Oberlandesgerichts Celle betraf ein Vergabeverfahren auf Grundlage der Vergabeverordnung. Für Ausschreibungen nach der VOB/A oder der Unterschwellenvergabeordnung dürfte nichts anderes gelten, da auch diese Verordnungen keine Regelungen enthalten, die den Ausschluss abgelaufener Angebote vorsehen. Für öffentliche Auftraggeber kann die Entscheidung des Gerichts zu einer misslichen Situation führen: Auf der einen Seite können abgelaufene Angebote vergaberechtlich nicht ausgeschlossen werden, auf der anderen Seite obliegt es dem Bieter des abgelaufenen Angebots, ob er einen Zuschlag annimmt. Nimmt der Bieter das Angebot nicht an, kann sich der Auftraggeber zwar an den zweitplatzierten Bieter wenden. Bei Vergabeverfahren oberhalb des Schwellenwerts muss der Auftraggeber dann aber erneut eine Vorabinformation über die beabsichtigte Zuschlagserteilung an die übrigen Bieter versenden und die 10- bzw. 15-tägige Wartefrist nach § 134 Abs. 2 GWB einhalten. Möglicherweise läuft darüber auch eine bereits verlängerte Bindefrist ab, sodass es für den Auftraggeber erneut unklar sein kann, ob seine Zuschlagserteilung zu einem Vertragsabschluss führt.

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