Am 11.06.2021 hat der Bundestag das Gesetz über die unternehmerischen Sorgfaltspflichten zur Vermeidung von Menschenrechtsverletzungen in Lieferketten (Lieferkettensorgfaltspflichtgesetz – LkSG) angenommen. Das Gesetz tritt am 01.01.2023 in Kraft. Das Gesetz hat weitreichende Konsequenzen für betroffene Unternehmen und ihre Zulieferunternehmen.
1. Worum geht es?
Das LkSG soll die internationale Menschenrechtslage verbessern. Dazu verpflichtet das LkSG in Deutschland ansässige Unternehmen, bestimmte Sorgfaltsstandards in ihrer Lieferkette – angefangen bei der Gewinnung der Rohstoffe bis zur Lieferung an den Endkunden – zu gewährleisten.
2. Wer ist betroffen?
Das LkSG gilt für alle Unternehmen ungeachtet ihrer Rechtsform, die
ihre Hauptverwaltung, ihre Hauptniederlassung, ihren Verwaltungssitz oder ihren satzungsmäßigen Sitz in Deutschland haben und
in der Regel mehr als 3.000 Arbeitnehmer im Inland (einschließlich ins Ausland entsandte Arbeitnehmer) beschäftigen
Ebenso gilt das LkSG für Unternehmen, die eine Zweigniederlassung nach § 13d HGB im Inland haben und in der Regel mindestens 3.000 Arbeitnehmer im Inland beschäftigen.
Zu beachten ist hierbei, dass in Konzernstrukturen die im Inland beschäftigten Arbeitnehmer sämtlicher Konzerngesellschaften bei der Berechnung der Arbeitnehmerzahl der Obergesellschaft berücksichtigt werden.
Ab dem 01.01.2024 sinkt der Schwellenwert auf 1.000 (statt 3.000) Arbeitnehmer.
Auswirkungen hat das LkSG aber auch auf unmittelbare und mittelbare Zulieferer der Unternehmen, für die das LkSG direkt gilt (vgl. unten Ziffer 5).
3. Welche Risiken sollen begrenzt werden? Welche Maßnahmen sind umzusetzen?
Das LkSG will menschenrechtliche und umweltbezogene Risiken vermeiden.
Zu den menschenrechtlichen Risiken zählen dabei u.a. Kinderarbeit, Zwangsarbeit, unzureichender Arbeitsschutz und unangemessener Lohn. Umweltbezogene Risiken bestehen z.B. bei der Missachtung der Vorgaben zum Umgang mit Quecksilber, bei der Produktion und Verwendung bestimmter Chemikalien oder bei der Aus- und Einfuhr gefährlicher Abfälle.
Das LkSG verpflichtet Unternehmen, folgende Maßnahmen umzusetzen:
regelmäßige Risikoanalysen
Abgabe einer Grundsatzerklärung
Einrichtung und Unterhaltung eines Risikomanagements
Verankerung von Präventionsmaßnahmen
Ergreifen von Abhilfemaßnahmen
Einrichtung und Unterhaltung eines unternehmensinternen Beschwerdeverfahrens
Dokumentations- und Berichtspflichten
Für die Erfüllung dieser Pflichten ist grundsätzlich die Geschäftsleitung verantwortlich. Werden die Sorgfaltspflichten an eine untere Ebene im Unternehmen delegiert, muss die Geschäftsleitung deren Umsetzung regelmäßig kontrollieren und bei Anhaltspunkten für Missstände eingreifen.
Die Erfüllung dieser Pflichten ist dabei kein "Einmal-Ereignis" – sie müssen vielmehr dauernd erfüllt, die Maßnahmen regelmäßig durchgeführt und ggf. angepasst werden, z.B. bei der Einführung neuer Produkte oder der Erschließung neuer Geschäftsfelder.
4. Welcher Sorgfaltsmaßstab besteht?
Unternehmen müssen den Nachweis führen, dass sie die im LkSG beschriebenen Maßnahmen "angemessen" umgesetzt haben.
Ob Maßnahmen "angemessen" umgesetzt werden, bestimmt sich dabei u.a. nach:
Art und Umfang der Geschäftstätigkeit des Unternehmens,
dem Einflussvermögen des Unternehmens auf den "Verletzer",
der typischerweise zu erwartenden Schwere der Verletzung und deren Umkehrbarkeit und
der Art des unternehmerischen Verursachungsbeitrags
5. Mein Unternehmen fällt nicht in den direkten Anwendungsbereich, muss ich trotzdem etwas beachten?
Die Sorgfaltspflichten beziehen sich nicht nur auf den eigenen Geschäftsbereich eines direkt betroffenen Unternehmens, sondern ebenso auf die Geschäftsbereiche der unmittelbaren und mittelbaren Zulieferer.
a. Unmittelbare Zulieferer
Gegenüber unmittelbaren Zulieferern müssen betroffene Unternehmen Präventionsmaßnahmen verankern.
Der unmittelbare Zulieferer muss vertraglich zusichern, dass er die menschenrechts- und umweltbezogenen Vorgaben einhalten und entlang der Lieferkette angemessen adressieren wird. Bereits bei der Auswahl des Zulieferers werden also die menschenrechts- und umweltbezogenen Erwartungen berücksichtigt.
Die Wirksamkeit der Präventionsmaßnahmen ist einmal im Jahr und anlassbezogen zu überprüfen. Der unmittelbare Zulieferer muss damit ebenso wie das betroffene Unternehmen die Vorgaben des LkSG einhalten.
Bei Verwirklichungen von Risiken in der Lieferkette muss zwar grundsätzlich das direkt verpflichtete Unternehmen Abhilfe schaffen. Kann es die Verletzungen nicht selbstständig beenden, muss der unmittelbare Zulieferer insoweit tätig werden.
b. Mittelbare Zulieferer
Auf der Ebene mittelbarer Zulieferer gelten die Sorgfaltspflichten "nur" anlassbezogen. Erlangt das Unternehmen substantiierte Kenntnis von einem möglichen Verstoß, so muss es unverzüglich
eine Risikoanalyse durchführen,
angemessene Präventionsmaßnahmen gegenüber dem Verursacher verankern,
ein Konzept zur Minimierung und Vermeidung von Verletzungen erstellen und umsetzen und
ggf. seine Grundsatzerklärung aktualisieren
Auch der mittelbare Zulieferer sollte also die Vorgaben des LkSG einhalten.
Sowohl für unmittelbare als auch für mittelbare Zulieferer gilt: werden menschenrechtliche oder umweltbezogene Pflichten sehr schwerwiegend verletzt, bewirken die Abhilfemaßnahmen keine Abhilfe und stehen dem Unternehmen keine anderen milderen Mittel zur Verfügung, wird als letzte Konsequenz die Geschäftsbeziehung zum Zulieferer abzubrechen sein. Nur so kann das betroffene Unternehmen seine Pflichten aus dem LkSG erfüllen.
Auch wenn ein Unternehmen selbst nicht in den Anwendungsbereich des LkSG fällt, z.B. weil es weniger als 3.000 (ab 01.01.2024: 1.000) Arbeitnehmer im Inland beschäftigt, sollte es daher die Pflichten aus dem LkSG beachten und geeignete Maßnahmen zur Vermeidung von Risiken treffen. Ansonsten werden direkt betroffene Unternehmen die Geschäftsbeziehungen mit einem Zulieferer, der diese Maßnahmen nicht trifft, auf den Prüfstand stellen.
6. Wer kontrolliert das?
Die Einhaltung des LkSG wird durch das Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (BAFA) kontrolliert.
Das BAFA überprüft jährlich die Berichtspflichten und führt nach pflichtgemäßem Ermessen oder auf Antrag risikobasierte Kontrollen durch.
Zudem erhält das BAFA für die Kontrolle weitreichende Kompetenzen. Es kann alle geeigneten und erforderlichen Anordnungen und Maßnahmen treffen, insbesondere kann es Betriebsgrundstücke während der üblichen Geschäfts- oder Betriebszeiten betreten und besichtigen sowie Unterlagen und Aufzeichnungen des Unternehmens einsehen und prüfen.
7. Was droht bei Verstößen?
Bei Sorgfaltspflichtverstößen drohen empfindliche Sanktionen.
Schon fahrlässige Verstöße werden als Ordnungswidrigkeit geahndet. Der Bußgeldrahmen für Personen lässt Geldbußen von bis zu 800.000,00 EUR zu, für Unternehmen gilt ein Bußgeldrahmen bis zu 8 Mio. EUR. Beträgt der Jahresumsatz des Unternehmens über 400 Mio. EUR, kann die Geldbuße sogar bis zu 2% des durchschnittlichen weltweiten Jahresumsatzes der letzten drei Geschäftsjahre betragen.
Eine eigenständige zivilrechtliche Haftung enthält das Gesetz nicht, so dass sich eine Haftung nach allgemeinen Grundsätzen richtet. Im Rahmen dieser Haftung bestehende Rechte von Betroffenen können jedoch nach dem LkSG durch Gewerkschaften und Nichtregierungsorganisationen eingeklagt werden.
8. Zusammenfassung
Nicht nur für vom LkSG erfasste Unternehmen wird das Gesetz weitreichende Folgen haben. Schon jetzt sollte daher die Umsetzung der erforderlichen Compliance-Maßnahmen – auch bei unmittelbaren und mittelbaren Zulieferern – begonnen werden, um die gesetzlichen Vorgaben zum Zeitpunkt des Inkrafttretens am 01.01.2023 einzuhalten und laufende Geschäftsbeziehungen nicht zu gefährden. Gerne stehen wir Ihnen bei Rückfragen und der Umsetzung der Anforderungen zur Verfügung.