Liegen beim Einheitspreisvertrag die zur Ausführung kommenden Mengen einer Position mehr als 10 % über den ausgeschriebenen Mengen, so ist für diese sogenannten Mehrmengen gemäß § 2 Abs. 3 Nr. 2 VOB/B "auf Verlangen ein neuer Preis unter Berücksichtigung der Mehr- oder Minderkosten zu vereinbaren." In der Rechtsprechung der Instanzgerichte sowie der baurechtlichen Literatur war weitgehend anerkannt, dass der neue Einheitspreis auf Basis der Urkalkulation zu ermitteln ist und sich in der Regel nur auf die Mehrmengen zurückgehende direkte Kosten (Einzelkosten der Teilleistung) und eventuell Baustellengemeinkosten auf den neuen Preis auswirken.
Von dieser Berechnung hat der Bundesgerichtshof in einem Urteil vom 08.08.2019 Abstand genommen und unter Hinweis auf den Wortlaut der Vorschrift klargestellt, dass § 2 Abs. 3 Nr. 2 VOB/B gar keine Regelung zur Berechnung des neuen Einheitspreises enthalte. Die Regelung verpflichte die Parteien lediglich zu Verhandlungen über einen neuen Preis. Einigen sich die Parteien nicht und enthält der Vertrag keine sonstige Regelung über die Bildung des neuen Einheitspreises, weise der Vertrag eine Lücke auf. Der Vertrag müsse dann ergänzend dahingehend ausgelegt werden, was die Vertragsparteien bei angemessener Abwägung ihrer Interessen vereinbart hätten, wenn sie den nicht geregelten Fall bedacht hätten. In diesem Zusammenhang müssten die wechselseitigen Interessen berücksichtigt werden, die bestmöglich auszugleichen seien, damit keine der Vertragsparteien eine Besser- oder Schlechterstellung erfahre. Dabei solle eine gleichmäßige Verteilung des wirtschaftlichen Risikos gewährleistet werden. Auf Seiten des Auftragnehmers sei eine nicht auskömmliche Vergütung zu vermeiden und auf Seiten des Auftraggebers eine übermäßige Belastung.
Im Ergebnis führt dies nach Ansicht des Bundesgerichtshofs dazu, dass für die Bemessung des neuen Einheitspreises für Mehrmengen im Sinne von § 2 Abs. 3 Nr. 2 VOB/B die tatsächlich erforderlichen Kosten zuzüglich angemessener Zuschläge maßgeblich sind. In dem entschiedenen Fall führte dies für die Mehrmengen zu einem Einheitspreis von 150,40 €/t gegenüber dem vertraglich vereinbarten Einheitspreis für die Entsorgung von Bauschutt etc. von 462,00 €/t. Denn abweichend von seiner Kalkulation waren dem Auftragnehmer für die Entsorgung nur Nachunternehmer-Kosten von 92,00 €/t entstanden sowie – wie kalkuliert – 40,00 €/t eigene Verladekosten. Die Nachunternehmer-Kosten waren – hierauf hatten sich die Parteien geeinigt – mit einem GU-Zuschlag von 20 % zu beaufschlagen. Inklusiv dieses Zuschlags beliefen sich die Nachunternehmer-Kosten also auf 110,40 €/t, sodass sich unter Berücksichtigung der Verladekosten von 40,00 €/t ein neuer Einheitspreis von 150,40 €/t ergab.
Das Urteil des Bundesgerichtshofs leitet für die Bildung von Einheitspreisen für Mehrmengen das Ende der vorkalkulatorischen Preisfortschreibung ein. Da auch § 2 Abs. 5 VOB/B für geänderte Leistungen lediglich die Bildung eines neuen Preises unter Berücksichtigung der Mehr- oder Minderkosten vorsieht, dürfte auch bei geänderten Leistungen auf die tatsächlichen Kosten zuzüglich angemessener Zuschläge abzustellen sein und nicht mehr auf eine Fortschreibung der Urkalkulation. Ob dies auch für die Bildung von Einheitspreisen für zusätzliche Leistungen gemäß § 2 Abs. 6 VOB/B gilt, kann derzeit nicht prognostiziert werden; das Kammergericht hat dies in einem Urteil vom 27.08.2019 unter Hinweis auf die Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 08.08.2019 ausdrücklich bejaht. Um Rechtssicherheit zu gewinnen, können die Parteien eines Bauvertrags eigenständige Regelungen treffen, wie die Einheitspreise für Mehrmengen sowie geänderte und zusätzliche Leistungen zu bilden sind.