Der EuGH hat in einem Urteil vom 26.01.2023 darüber entschieden, ob die Mitglieder einer Arbeitsgemeinschaft (ARGE) von der öffentlichen Auftragsvergabe ausgeschlossen werden können, wenn die ARGE bei der Ausführung eines früheren öffentlichen Auftrags wesentliche Anforderungen mangelhaft erfüllt hat und es deshalb zu einer vorzeitigen Beendigung dieses früheren Auftrags kam. Der Entscheidung lag ein Fall aus Litauen zugrunde: Eine ARGE um das federführende Unternehmen Active Construction Management (ACM) war 2017 von der Stadt Vilnius mit dem Bau eines Gesundheitszentrums beauftragt worden. Aufgrund eingetretenen Verzugs, der Einstellung der Baustelle sowie nicht gestellter Sicherheiten und Versicherungen kündigte die Stadt Vilnius Anfang 2020 den Vertrag mit der ARGE, zumal über das Vermögen von ACM ein Insolvenzverfahren eröffnet worden war. Die Rechtmäßigkeit dieser außerordentlichen Kündigung wurde gerichtlich bestätigt.
Hierauf wurden Anfang 2021 alle Mitglieder der ARGE in eine Liste unzuverlässiger Auftragnehmer aufgenommen und dadurch weitgehend von der öffentlichen Auftragsvergabe ausgeschlossen. Hiergegen haben sich die ARGE-Mitglieder - mit Ausnahme von ACM - erfolgreich zur Wehr gesetzt: Wie der EuGH feststellt, besteht zwar die Möglichkeit, jeden Wirtschaftsteilnehmer von der Teilnahme an öffentlichen Auftragsvergaben auszuschließen, der einen früheren Auftrag erheblich oder dauerhaft mangelhaft erfüllt hat. Damit soll es öffentlichen Auftraggebern ermöglicht werden, unzuverlässige Bieter von der Vergabe auszuschließen. Jedoch betont der EuGH, dass es insoweit zu keinem Automatismus kommen dürfe; vielmehr seien alle relevanten Gesichtspunkte des Einzelfalls zu prüfen. Dementsprechend dürfen die Mitglieder der ARGE darlegen, welche Beiträge sie zu der mangelhaften Ausführung geleistet bzw. welche Anstrengungen sie unternommen haben, um die mangelhafte Ausführung zu verhindern.
Unabhängig von einer zivilrechtlichen gesamtschuldnerischen Haftung haben die ARGE-Mitglieder damit die Möglichkeit, einer Vergabesperre zu entgehen, wenn sie darlegen können, als Mitglied der ARGE alles in ihrer Macht Stehende unternommen zu haben, um den Auftrag ordnungsgemäß auszuführen. Die Entscheidung ist auch für Vergabeverfahren in Deutschland relevant: Zwar werden Unternehmen, die einen früheren Auftrag fortdauernd mangelhaft erfüllt haben, nicht in das Wettbewerbsregister aufgenommen. Jedoch sieht § 124 Abs. 1 Nr. 7 GWB die Möglichkeit öffentlicher Auftraggeber vor, Unternehmen von der Vergabe auszuschließen, die frühere öffentliche Aufträge erheblich oder fortdauernd mangelhaft erfüllt haben, wenn dies zu einer vorzeitigen Beendigung, zu Schadenersatz oder einer ähnlichen Rechtsfolge geführt hat. Beim Ausschluss von Mitgliedern einer (ehemaligen) ARGE muss also stets im Einzelfall geprüft werden, inwiefern das Mitglied der ARGE für die mangelhafte Ausführung verantwortlich war.
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