Bereits seit Längerem ist bekannt, dass Arbeitgeber ihre Mitarbeiter über bestehende (Rest-) Urlaubsansprüche informieren und diese auffordern müssen, den verbleibenden Urlaub bis zum Ablauf des Urlaubsjahres (oder eines Übertragungszeitraums) in Anspruch zu nehmen. Nur wenn der Arbeitgeber diese "Mitwirkungsobliegenheit" erfüllt, kann etwaig verbliebener Resturlaub mit Ablauf des Urlaubsjahres (oder Übertragungszeitraumes) verfallen. Versäumt der Arbeitgeber die Information, kann es zu einer Ansammlung von Urlaubsansprüchen kommen, was bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses zu hohen Abgeltungssummen führt.
Doch was ist mit langzeiterkrankten Mitarbeitern, welche über mehrere Jahre ununterbrochen arbeitsunfähig sind? Muss der Arbeitgeber den Mitarbeiter hier – trotzt bestehender Arbeitsunfähigkeit – auffordern, den Urlaub rechtzeitig anzutreten? Hinsichtlich der Übertragung und des Verfalls von Urlaubsansprüchen langzeiterkrankter Mitarbeiter gilt, dass der Urlaub erst nach Ablauf von 15 Monaten nach Ende des Urlaubsjahres verfällt (Urlaub aus 2020 also mit Ablauf des 31.03.2022). In einem vom Bundesarbeitsgericht am 07.09.2021 entschiedenen Fall war der auf Urlaubsabgeltung klagende Mitarbeiter vom 18.11.2015 – 31.12.2019 arbeitsunfähig erkrankt. Das Gericht entschied, dass der Mitarbeiter für die Jahre 2016 und 2017 keinen Anspruch auf Urlaubsabgeltung habe, da der Urlaub am 31.03.2018 bzw. am 31.03.2019 verfallen sei. Die Richter stellten jedoch gleichzeitig fest, dass die Aufforderungs- und Hinweisobliegenheiten des Arbeitgebers auch bestehe, wenn und solange der Arbeitnehmer arbeitsunfähig ist.
Dem Arbeitgeber sei es möglich, den arbeitsunfähigen Arbeitnehmer rechtzeitig entsprechend den gesetzlichen Vorgaben zu unterrichten und ihn aufzufordern, den Urlaub bei Wiedergenesung vor Ablauf des Urlaubsjahrs oder des Übertragungszeitraums zur Vermeidung des Verfalls so rechtzeitig zu beantragen, dass er noch gewährt und genommen werden könne. Die Aufforderungs- und Hinweisobliegenheiten könne ihren Zweck erfüllen, auch wenn die Dauer der Erkrankung nicht absehbar sei. Ihre rechtzeitige Erfüllung stelle sicher, dass der Arbeitnehmer gegebenenfalls ab dem ersten Arbeitstag nach seiner Wiedergenesung Urlaub in Anspruch nehmen könne. Im entschiedenen Fall verfiel der Urlaub nur, weil es objektiv unmöglich gewesen wäre, den Arbeitnehmer durch Mitwirkung des Arbeitgebers in die Lage zu versetzen, den Urlaubsanspruch zu realisieren. Eine ununterbrochene Arbeitsunfähigkeit kann jedoch stets nur im Nachhinein festgestellt werden.
Die durch das Europarecht vorgegebenen und durch das Bundesarbeitsgericht umgesetzten Urlaubsregelungen beziehen sich stets ausschließlich auf gesetzliche Urlaubsansprüche. Einmal mehr zeigt sich, dass in Arbeitsverträgen unbedingt zwischen gesetzlichem und übergesetzlichem Urlaub unterschieden werden sollte. So lässt sich das Risiko einer "Anhäufung" von Urlaubstagen von Anfang an auf die gesetzlichen Urlaubsansprüche begrenzen. Zudem sind Arbeitgeber gut beraten, ihren Mitwirkungsobliegenheiten nachzukommen und ihrer Hinweispflicht – auch gegenüber (langzeit-) erkrankten Mitarbeitern – nachzukommen. Gerne unterstützen wir Sie bei der Vertrags- und Hinweisgestaltung!