Die Rechtsform der Europäischen Aktiengesellschaft (Societas Europaea, SE) erfreut sich in Deutschland weiter einer zunehmenden Beliebtheit. Das hat nicht zuletzt den Hintergrund, dass die SE in bestimmten Konstellationen nicht den Vorschriften über die unternehmerische Mitbestimmung unterfällt. Das bedeutet, dass bei einer SE unter Umständen keine Arbeitnehmervertreter im Aufsichtsrat vertreten sind, auch wenn die Schwellenwerte von Drittelbeteiligungs- und Mitbestimmungsgesetz überschritten werden.
Eine weitere Besonderheit der SE ist, dass es diese in zwei Varianten gibt: Zum einen die dualistischen SE. Diese ist fast identisch mit der AG, insbesondere gibt es Vorstand und Aufsichtsrat. Zum anderen die monistische SE mit dem Verwaltungsrat, der Vorstand und Aufsichtsrat vereinigen soll. Dies ist ein One-Board-System, das man aus englischen oder amerikanischen Unternehmen kennt. Allerdings hat der deutsche Gesetzgeber das System nicht konsequent umgesetzt, sondern noch die sogenannten geschäftsführenden Direktoren geschaffen, die die SE nach außen vertreten, aber gegenüber dem Verwaltungsrat weisungsabhängig sind.
Von den deutschen operativ tätigen SE ist etwa ein Drittel monistisch verfasst, beispielweise Deichmann SE oder Conrad Electronics SE. Als einer der Vorzüge des monistischen Systems gilt seine - im Vergleich zur dualistischen Verfassung - größere Flexibilität, die es erlaubt, das Leitungssystem auf die Gegebenheiten der betreffenden Gesellschaft zuzuschneiden. Anders als im dualistischen System mit seiner strikten personellen Trennung von Vorstand und Aufsichtsrat besteht im monistischen System insbesondere die Möglichkeit, einzelne Verwaltungsratsmitglieder in Personalunion zugleich zu geschäftsführenden Direktoren zu bestellen, sofern nur die Mehrheit des Verwaltungsrats weiterhin aus nicht geschäftsführenden Mitgliedern besteht. Dies ermöglicht gerade bei Familienunternehmen eine höhere Kontrolle und engere Verzahnung zwischen Leitungs- und Aufsichtspersonal.
Problematisch ist, dass sich der deutsche Gesetzgeber mit den Besonderheiten der monistischen SE nur selten befasst und stattdessen viele Regelungen für die dualistische AG oder SE unbesehen auf die monistische SE überträgt. Das zeigte sich am Beispiel der sogenannten Frauenquote, die für die monistische SE eine Vielzahl von Fragestellungen aufwirft, weil der Gesetzgeber - trotz Hinweisen im Gesetzgebungsverfahren - keine spezifische Regelung für die monistische SE geschaffen hatte.
Eine weitere seit Jahren strittige Frage hat das Bundessozialgericht mit zwei Urteilen vom 07.07.2021 beantwortet. Wird eine deutsche Aktiengesellschaft in eine monistische SE umgewandelt, stehen die neu bestellten Verwaltungsratsmitglieder vor einem praktischen Problem. Die Verwaltungsratsmitglieder waren im Regelfall bis zur Umwandlung Vorstands- und Aufsichtsratsmitglieder der Aktiengesellschaft. Bei der Aktiengesellschaft ist unstrittig, dass sowohl der Vorstand als auch der Aufsichtsrat nicht sozialversicherungspflichtig ist. Für den Vorstand ergibt sich dies aus § 1 Satz 3 SGB VI für die Rentenversicherung und aus § 27 Abs. 1 Nr. 5 SGB III für die Arbeitslosenversicherung. Bei den Aufsichtsratsmitgliedern folgt dies aus dem Umstand, dass es sich bei der Wahrnehmung der unabhängigen Kontrollfunktion durch den Aufsichtsrat nicht um eine abhängige Tätigkeit, also eine Beschäftigung im Sinne von § 7 Abs. 1 SGB IV handelt. Aufsichtsratsmitglieder üben also eine selbstständige Tätigkeit aus. Das Gleiche gilt für Vorstands- und Aufsichtsratsmitglieder einer dualistischen SE.
Überraschenderweise vertreten die Deutsche Rentenversicherung Bund, der Spitzenverband der gesetzlichen Krankenversicherungen und die Bundesagentur für Arbeit bereits seit dem Jahr 2009, dass Verwaltungsratsmitglieder einer monistischen SE sozialversicherungspflichtig sind. Nach der Umwandlung einer AG in eine SE musste also die SE entweder Sozialversicherungsbeiträge für ihre bisherigen Vorstände und Aufsichtsratsmitglieder abführen oder bei der Deutschen Rentenversicherung Bund ein sogenanntes Statusfeststellungsverfahren einleiten, um diese Auffassung juristisch zu überprüfen.
Das Bundessozialgericht hat nun entschieden, dass Verwaltungsratsmitglieder einer SE nicht sozialversicherungspflichtig sind. Das Bundessozialgericht wendet die für den Vorstand einer AG geltenden Ausnahmevorschriften § 1 Satz 3 SGB VI und § 27 Abs. 1 Nr. 5 SGB III analog auf Verwaltungsratsmitglieder einer SE an. Nach Ansicht des Bundessozialgerichts habe der europäische Gesetzgeber in mehreren Regelungen zur SE zum Ausdruck gebracht, dass die monistische SE und die Aktiengesellschaft vergleichbar seien. Insbesondere bestimme die sogenannte SE-Verordnung, dass Deutschland eine SE wie eine AG zu behandeln habe. Das gilt nach Ansicht des Bundessozialgerichts sogar dann, wenn das Verwaltungsratsmitglied der SE gleichzeitig geschäftsführender Direktor der SE ist. Aufgrund der engen Verflechtung zwischen der Tätigkeit als Verwaltungsratsmitglied und geschäftsführender Direktor einer SE sei die analoge Anwendung der Ausnahmevorschriften insoweit zu erstrecken.
Lediglich Personen, die bei einer monistischen SE "nur" geschäftsführender Direktor sind (also nicht gleichzeitig Verwaltungsratsmitglied), sind in der Regel sozialversicherungspflichtig. Diese werden behandelt wie Fremdgeschäftsführer einer GmbH. Hintergrund ist, dass die geschäftsführenden Direktoren einer SE anders als Vorstandsmitglieder einer AG weisungsgebunden sind.
Das Bundessozialgericht hat mit den Entscheidungen vom Juli letzten Jahres Rechtssicherheit geschaffen und die monistische SE noch ein kleines bisschen attraktiver gemacht.