In einem Urteil vom 03.03.2022 hat der Bundesgerichtshof über die Klage des Insolvenzverwalters einer GmbH gegen den Fiskus auf Rückzahlung von per Lastschrift eingezogenen Steuerverbindlichkeiten entschieden. Bei Einzug der Steuerschulden waren dem Finanzamt zwei Jahresabschlüsse mit einer anwachsenden handelsbilanziellen Überschuldung bekannt, im Übrigen gab es dagegen keine Anhaltspunkte für wirtschaftliche Schwierigkeiten der GmbH. Die Frage war daher, ob die bloße Kenntnis der bilanziellen Überschuldung ein Beweisanzeichen für das Vorliegen eines Gläubigerbenachteiligungsvorsatzes bei der Schuldnerin und die Kenntnis vom Gläubigerbenachteiligungsvorsatz beim Fiskus war.
Der Bundesgerichtshof fasst zunächst seine bisherige Rechtsprechung zu den auf subjektive Anfechtungsvoraussetzungen hindeutende Beweisanzeichen zusammen. Dazu zählen insbesondere die erkannte drohende oder bereits eingetretene Zahlungsunfähigkeit, die Gewährung einer inkongruenten Deckung bei finanziell beengten Verhältnissen, die Übertragung des letzten werthaltigen Gegenstandes, die Gewährung von Sondervorteilen oder auch die Art und Weise der angefochtenen Rechtshandlung. Dieser Katalog ist allerdings nicht abschließend, der Bundesgerichtshof bezieht auch die Kenntnis der insolvenzrechtlichen Überschuldung in den Kreis der Beweisanzeichen ein. Der entscheidende Grund dafür ist die negative Fortführungsprogose, die den Eintritt der Zahlungsunfähigkeit wahrscheinlich macht. Dennoch handelt es sich nach Auffassung des Bundesgerichtshofs bei der Überschuldung nicht nur um einen Hinweis auf eine drohende Zahlungsunfähigkeit, sondern um ein eigenständiges Beweisanzeichen für die subjektiven Voraussetzungen der Vorsatzanfechtung, dessen Stärke "weitgehend dem der drohenden Zahlungsunfähigkeit" entspricht. Hierzu hatte der Bundesgerichtshof in 2021 entschieden, dass allein aus der erkannten drohenden Zahlungsunfähigkeit noch nicht auf die subjektiven Voraussetzungen der Vorsatzanfechtung geschlossen werden könne, sondern dass weitere Umstände, wie etwa die gezielte Befriedigung von Altgläubigern, hinzutreten müssen. Im Falle der Überschuldung müsse daher auch die Wahrscheinlichkeit und die zeitliche Nähe des Eintritts der Zahlungsunfähigkeit anhand der konkreten Umstände gewürdigt werden. Hierzu reiche es nicht aus, wenn dem Anfechtungsgegner lediglich Handelsbilanzen mit – auch ansteigenden – durch Eigenkapital nicht gedeckten Fehlbeträgen bekannt sind. Der Insolvenzverwalter muss im Anfechtungsprozess vielmehr sowohl die rechnerische Überschuldung darlegen und beweisen als auch insbesondere die negative Fortführungsprogose. Die objektiven Umstände, die die insolvenzrechtliche Überschuldung begründen, muss auch der Anfechtungsgegner gekannt haben, was vom Insolvenzverwalter zu beweisen sei. Aus der Übermittlung der Jahresabschlüsse mit negativem Eigenkapital ergab sich für den Fiskus nach Auffassung des Bundesgerichtshofs auch keine Beobachtungs- und Erkundigungspflicht hinsichtlich einer insolvenzrechtlichen Überschuldung. Für nicht institutionelle Gläubiger muss dies erst recht gelten.