Es gibt in der EU eine ganze Reihe von Vorschriften, die Sorgfaltspflichten in der Lieferkette vorgeben, und die bereits gelten oder demnächst wirksam werden sollen. Ein Vorstoß der EU Kommission Ende 2024 soll zu Erleichterungen für die betroffenen Unternehmen führen. Aber ist das wirklich so? Wird nun alles besser?
Nach längeren politischen Diskussionen kündigte Ursula von der Leyen am 8. November 2024 eine sogenannte „Omnibus-Verordnung“ an. Ihr Ziel: Die Pflichten der EU-Lieferkettenrichtlinie (CSDDD), der EU-Richtlinie über die Nachhaltigkeitsberichterstattung von Unternehmen (CSRD, EU 2022/2464) und der Taxonomie-Verordnung (EU 2020/852) zu konsolidieren und zu vereinfachen. Inhalte der Richtlinien und Verordnungen sollen aber im Kern erhalten bleiben. Seit dem 1. April 2024 gilt das deutsche Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz (LkSG) grundsätzlich für Unternehmen, die ihren Sitz in Deutschland haben und mehr als 1.000 Arbeitnehmer beschäftigen. Circa 5.000 Unternehmen sind unmittelbar von dem Gesetz betroffen. Am 25. Juli 2024 trat zudem die CSDDD in Kraft:
■ drei Jahre nach Inkrafttreten sollte die CSDDD für Unternehmen mit mehr als 5.000 Beschäftigten beziehungsweise mehr als 1,5 Milliarden Euro weltweitem Nettojahresumsatz,
■ vier Jahre nach Inkrafttreten für Unternehmen mit mehr als 3.000 Beschäftigten beziehungsweise mehr als 900 Millionen Euro weltweitem Nettojahresumsatz,
■ fünf Jahre nach Inkrafttreten für Unternehmen mit mehr als 1.000 Beschäftigten beziehungsweise mehr als 450 Million Euro weltweitem Nettojahresumsatz gelten. Die letztgenannte Schwelle wird vermutlich nur von circa 1.500 deutschen Unternehmen erreicht.
Im Unterschied zu einer EU-Verordnung gilt die CSDDD als EU-Richtlinie nicht unmittelbar in den Mitgliedstaaten, sondern muss jeweils national gesetzlich bis zum Juli 2026 umgesetzt werden, in Deutschland voraussichtlich durch Änderungen des deutschen LkSG.
CSDDD sorgt für Verschärfungen
Die CSDDD erweitert im Verhältnis zum stärker auf Menschenrechte ausgerichteten LkSG die geschützten Rechtsgüter
gerade im Hinblick auf die Einhaltung der umweltrechtlichen Anforderungen in den Lieferketten, auch durch Verweis auf weitere internationale Umweltabkommen. Die Verschärfungen der CSDDD betreffen alle messbaren Umweltbeeinträchtigungen, insbesondere Wasser- und Luftverschmutzung, schädliche Immissionen, übermäßigen Wasserverbrauch und schädliche Bodenveränderungen. Betroffene Unternehmen müssen einen klaren Plan erarbeiten und umsetzen, wie sie im Rahmen ihres Geschäftsmodells und ihrer Unternehmensstrategie dazu beitragen, das Klimaschutzziel des Pariser Klimaabkommens (Begrenzung der Erderwärmung durch CO2-Einsparungen auf 1,5 Grad) erreichen. Dabei stellt die CSDDD, anders als das LkSG, nicht nur auf die vorgelagerte Lieferkette („upstream“) ab, sondern auch auf die nachgelagerte Lieferkette („downstream“) – also Vertrieb, Transport und Lagerung von Produkten. Als Sanktionen sieht die CSDDD Geldbußen vor, aber auch eine neue zivilrechtliche Haftung gegenüber betroffenen Personen und schließlich die öffentliche Bekanntmachung von Unternehmen, die gegen Pflichten verstoßen haben.
Stichtag für LkSG-Prüfung verschoben
Im Jahr 2024 wurde in Deutschland verschiedentlich diskutiert, das LkSG ganz aufzuheben – was europarechtlich kaum möglich wäre – oder bis zur Umsetzung der CSDDD auszusetzen. Zumindest hat das Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (BAFA) als für das LkSG zuständige Behörde den Stichtag nochmals verschoben: Erst zum 1. Januar 2026 will die Behörde nun prüfen, ob die hierzu verpflichteten Unternehmen ihre Berichte gemäß dem LkSG abgegeben haben. Dabei darf aber nicht übersehen werden, dass alle sonstigen Pflichten für die betroffenen Unternehmen unverändert gelten und das BAFA auch Kontrollen durchführtrordnung zum BFSG erfüllt sind.
Was der neue EU-Vorstoß bewirkt
Die EU-Vorschriften bringen erhebliche weitere Veränderungen und Herausforderungen für viele Unternehmen, gerade im Mittelstand mit sich. Was soll nun der neue EU-Vorstoß bewirken? Am 26. Februar 2025 wurde der erste Entwurf des „Omnibus-Pakets“ zur Vereinfachung der Pflichten veröffentlicht. Mit Blick auf die CSDDD ist hervorzuheben:
■ Die Umsetzungsfrist für die Mitgliedsstaaten soll auf den 26. Juli 2027 verlängert werden. Gleiches gilt für die Geltung für die betroffenen Unternehmen. Damit würde mehr Zeit für die Vorbereitung bleiben.
■ Bisher sieht die CSDDD vor, dass Unternehmen tatsächliche und potenzielle negative Auswirkungen in Bezug auf die gesamte Aktivitätenkette bewerten und ermitteln müssen. Die EU-Kommission will nun indirekte Geschäftspartner ausnehmen, außer bei Anhaltspunkten für Risiken oder Verstöße. Damit würden die Pflichten denen des bereits geltenden und bekannten LkSG ähneln.
■ Die im Rahmen der Risikobeurteilung einzuholenden Informationen sollen bei unmittelbaren Geschäftspartnern mit
weniger als 500 Beschäftigten nicht über die Informationen hinausgehen dürfen, die in den Standards für die freiwillige Berichterstattung („Voluntary SME-Standard“, VSME) vorgesehen sind.
■ Die Verpflichtung zur Vertragsbeendigung in bestimmten Fällen soll wegfallen, um etwa produktionskritische Lieferketten nicht zu unterbrechen und den Lieferanten Gelegenheit zur Verbesserung der Situation zu geben.
■ Der Kreis der bisher gemäß der CSDDD einzubeziehenden Stakeholdern, neben den direkt Betroffenen unter anderem
Verbraucher und Menschenrechts- und Umweltorganisationen, soll auf direkt Betroffene und deren Vertreter reduziert werden.
■ Unternehmen sollen nur noch alle fünf Jahre und bei konkretem Anlass Überwachungsmaßnahmen zur Ermittlung, Verhinderung, Minderung, Abstellung und Minimierung des Ausmaßes negativer Auswirkungen ergreifen müssen.
■ Die Pflicht zur Aufstellung eines Klimaplans mit Maßnahmen, die auch umgesetzt werden müssen, soll abgeschwächt
werden.
■ Anstelle einer Mindestobergrenze für Sanktionen in Höhe von fünf Prozent des weltweiten Nettoumsatzes möchte die Kommission nur noch Leitlinien vorgeben. Auch bezüglich der zivilrechtlichen Haftung möchte die EU-Kommission den Mitgliedsstaaten freie Hand lassen. Aktuell sollen die Mitgliedsstaaten sicherstellen, dass Unternehmen bei schuldhaften Verstößen auch zivilrechtlich haftbar gemacht werden können. Diese Pflicht soll nun entfallen.
Belastungen für Mittelstand bleiben hoch
Im Ergebnis sind die in dem Entwurf der Omnibus-Verordnung vorgesehenen Änderungen der CSDDD durchaus von Bedeutung
und können zu einer Reduzierung der künftigen Anforderungen führen. Gleichwohl bleibt der Aufwand zur Einhaltung der
verschiedenen Gesetze hoch und das Risiko eines Verstoßes ebenso erheblich. Auch ist zu bedenken, dass der Blick in der öffentlichen Diskussion sehr häufig nur auf die direkt betroffenen Unternehmen geht. Viel dramatischer sind aber die Folgen für alle mittelbar betroffenen mittelständischen Unternehmen, die durch Lieferantenkodizes, Einkaufsbedingungen oder andere vertragliche Vereinbarungen gezwungen werden, Pflichten zu übernehmen, die sie eigentlich nicht treffen würden. Diese Belastungen werden weiterhin nicht angemessen berücksichtigt, insbesondere nicht von Seiten des europäischen wie deutschen Gesetzgebers. Es bleibt auch den indirekt betroffenen Unternehmen also nur, sich ebenso mit den – sie eigentlich nicht treffenden – gesetzlichen Regelungen auseinanderzusetzen.
Erschienen in DIE NEWS, Fachzeitschrift für Familienunternehmen, Mai 2025.