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2021

Die 10. GWB-Novelle - Überblick

Die im Januar in Kraft getretene 10. GWB-Novelle hat im Gesetzgebungsverfahren den Beinamen "GWB-Digitalisierungsgesetz" erhalten. Tatsächlich enthält sie Neuerungen in unterschiedlichsten Bereichen des Kartellrechts. Wir nennen hier einige besonders praxisrelevante Themen. 

1. Fusionskontrolle: Höhere Inlandsumsatzschwellen
Der Gesetzgeber hat die Schwellen, ab denen ein Zusammenschlussvorhaben vorab beim Bundeskartellamt angemeldet werden muss, deutlich angehoben. Um eine Anmeldepflicht auszulösen, waren bislang Jahresumsätze in Deutschland von mindestens 25 Mio. € eines Beteiligten und 5 Mio. € eines weiteren Beteiligten ausreichend. Diese Schwellen wurden nun auf 50 Mio. € und 17,5 Mio. € erhöht. Damit werden künftig erheblich weniger Transaktionen in Deutschland anmeldepflichtig sein. Das begünstigt insbesondere den Erwerb von Unternehmen mit geringen Umsätzen in Deutschland. Selbst bei hohen Marktanteilen können solche Vorhaben künftig ohne vorherige Prüfung durch das Bundeskartellamt vollzogen werden.

Einem systematischen Aufkauf von innovativen Start-ups unterhalb der angehobenen Schwellen durch etablierte und finanzstarke Unternehmen kann das Bundeskartellamt künftig mit einem neuen Instrument entgegenwirken. Es kann nun Unternehmen verpflichten, sämtliche Transaktionen anzumelden, bei denen das Target zumindest zwei Drittel seines Umsatzes von mehr als 2 Mio. € in Deutschland erzielt. Allerdings dürften die formalen und inhaltlichen Anforderungen an eine solche Verpflichtung hoch sein, weshalb abzuwarten bleibt, in welchem Umfang die Neuregelung praktische Bedeutung erlangt. 

2. Ausbau der Missbrauchskontrolle
Im Zusammenhang mit der Kontrolle von Marktmacht standen die Änderungen im Rampenlicht, die sich gegen die großen Digitalkonzerne wie Google und Facebook richten. Revolutionär ist die Regelung, die es dem Bundeskartellamt ermöglicht, ein Unternehmen als "Unternehmen mit marktübergreifender Bedeutung für den Wettbewerb" einzustufen. Solchen Unternehmen können dann in einem zweiten Schritt zusätzliche Pflichten auferlegt werden, die deren Macht begrenzen sollen. Über dieses Instrument hinaus wurde die Anwendung der allgemeinen Missbrauchsaufsicht auf solche Unternehmen verbessert, etwa durch die Nennung zusätzlicher Kriterien, um die Marktmacht gerade dieser Unternehmen feststellen zu können.

Von praktischer Relevanz für eine größere Zahl an Unternehmen sind die Regelungen, die sich mit der Verweigerung des Zugangs zu Daten beschäftigen. Dabei geht es um Daten, die für ein Unternehmen notwendig sind, um bestimmte wirtschaftliche Aktivitäten durchzuführen. Für auf diese Weise behinderte Unternehmen wurden spezifische Zugangsansprüche zu solchen Daten geschaffen.

Ausgedehnt wurde auch der Anwendungsbereich von Ansprüchen gegen Unternehmen, die zwar nicht marktbeherrschend sind, von denen aber andere Unternehmen abhängig sind (sogenannte relative Marktmacht). Bisher musste das abhängige Unternehmen ein kleines oder mittleres Unternehmen (KMU) sein. Künftig können auch große Unternehmen prinzipiell von dieser Vorschrift profitieren. Die bereits jetzt praktisch bedeutsamste Vorschrift der deutschen Missbrauchskontrolle wird damit weiter an Bedeutung gewinnen.

3. Belohnung für Compliance-Maßnahmen
Eine Kehrtwende gegenüber der bisherigen Praxis des Bundeskartellamtes stellt die Einführung der sogenannten Compliance Defense dar. Es ist nun gesetzlich geregelt, dass Unternehmen eine Bußgeldreduzierung auch dafür erhalten können, dass sie bereits vor einem Kartellrechtsverstoß angemessene und wirksame Compliance-Maßnahmen getroffen haben. Ausführliche Informationen dazu und warum dies einen Anreiz zur Einführung solcher Maßnahmen bedeutet, finden Sie in unserem Compliance-Newsletter März 2021, den Sie auf unserer Homepage abrufen können.

4. Schadenersatz: Vermutung der Kartellbefangenheit
Die GWB-Novelle enthält zudem eine weitere Erleichterung für die Geltendmachung von Kartellschadenersatz. Künftig wird widerleglich vermutet, dass Rechtsgeschäfte mit einem am Kartell beteiligten Unternehmen, die sachlich, zeitlich und räumlich in den Bereich eines Kartells fallen, von der Kartellabsprache erfasst waren. Nach den Urteilen des Bundesgerichtshofs in Sachen Schienenkartell II und LKW-Kartell wird dies zwar in der Sache regelmäßig nichts ändern, sorgt aber hoffentlich für ein wenig mehr Verlässlichkeit bei der Durchsetzung solcher Ansprüche.

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