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2021

Compliance lohnt sich doppelt – Bußgeldminderungen im Kartellrecht für Compliance-Vorkehrungen

Die im Januar in Kraft getretene 10. GWB-Novelle enthält für Unternehmen aller Art und Größe einen erheblichen Anreiz für die Einführung und effektive Gestaltung einer Compliance-Organisation: die Belohnung mit niedrigeren Bußgeldern.

Inhalt der Neuregelung
Der neue § 81d Abs. 1 Nr. 4 GWB erkennt Compliance-Maßnahmen von Unternehmen, die bereits vor einem Verstoß ergriffen wurden, erstmals gesetzlich ausdrücklich als mildernde Umstände an, die zu einem niedrigeren Bußgeld in Kartellbußgeldverfahren führen können (sog. "Compliance Defence"). In der Vergangenheit hatten Behörden oft den Standpunkt eingenommen, dass gerade der sanktionierte Verstoß gezeigt hätte, dass das Unternehmen keine tauglichen Compliance-Maßnahmen ergriffen hatte. Darauf kann sich das Bundeskartellamt nun aber nicht mehr pauschal zurückziehen. § 81d Abs. 1 Nr. 5 GWB sieht zudem einen weiteren mildernden Umstand für den Fall vor, dass nach einem Kartellrechtsverstoß Vorkehrungen zur Vermeidung und Aufdeckung von Verstößen getroffen werden.

Eine vergleichbare Regelung findet sich im Regierungsentwurf des Verbandssanktionengesetzes, so dass die "Compliance Defence" voraussichtlich künftig über das Kartellrecht hinaus gelten wird.

Anforderungen an ein Compliance Management System
Selbstverständlich genügt es dabei nicht, irgendwelche Maßnahmen zu ergreifen, um von der "Compliance Defence" profitieren zu können. Der Gesetzgeber fordert, dass "vor der Zuwiderhandlung […] angemessene und wirksame Vorkehrungen zur Vermeidung und Aufdeckung von Zuwiderhandlungen" getroffen werden müssen.

Die Compliance-Maßnahmen müssen also zum einen angemessen sein. Der Gesetzgeber legt damit fest, dass die Compliance-Organisation an die Größe und das konkrete Risiko eines Unternehmens angepasst sein darf und muss. Das ist eine gute Nachricht insbesondere für kleine und mittlere Unternehmen. Mittelständler oder Start-ups müssen sich nicht an denselben Maßstäben messen lassen wie internationale Großkonzerne. Je nach Risikoprofil eines Unternehmens können wenige einfache Maßnahmen bereits ausreichen. Grundlegende Voraussetzung angemessener Compliance-Vorkehrungen für Unternehmen aller Art und Größe ist jedoch stets, dass ein Unternehmen sich seiner rechtlichen Risiken bewusst ist und dass sich das Ergebnis einer solchen Risikoanalyse in den ergriffenen Maßnahmen wiederfindet. 

Zum anderen ist erforderlich, dass die ergriffenen Maßnahmen wirksam sind. Ein Compliance-Management ist nach der Gesetzesbegründung jedenfalls dann nicht wirksam, wenn die Unternehmensleitung selbst am Verstoß beteiligt war. Hingegen wird man trotz eines Kartellrechtsverstoßes noch von einem "wirksamen" Compliance Management ausgehen können, wenn es sich bei dem Verstoß um einen Einzelfall handelt, der nicht Ausdruck einer systematischen Schwäche der Compliance-Organisation ist. Wirksam kann das Compliance-Management auch dann sein, wenn es zur Aufdeckung und Anzeige eines Verstoßes geführt hat.

Fazit
Die gesetzliche Neuregelung bestätigt, dass effektive Compliance-Vorkehrungen sich für Unternehmen in mehrfacher Hinsicht lohnen. Sie helfen den Unternehmen nicht nur dabei, Rechtsverstöße zu vermeiden und damit Schaden vom Unternehmen abzuwenden, sondern können in Kartellbußgeldverfahren (und künftig voraussichtlich auch in Strafverfahren) nunmehr auch zu milderen Bußgeldern führen. Dazu müssen die Unternehmen aber ernsthafte und dauerhafte Compliance-Bemühungen dokumentieren. Zentraler Ausgangspunkt ist dabei eine fundierte Risikoanalyse. Im Anschluss müssen Maßnahmen ergriffen werden, die das Ergebnis dieser Analyse berücksichtigen und in Stil und Umsetzung zum Unternehmen passen. Regelmäßig sollte überprüft werden, ob das eigene Compliance-Management den aktuellen Anforderungen genügt.

Unternehmen sollten sich dabei nicht von den Kosten abschrecken lassen. Denn zum einen muss ein an die Situation eines Unternehmens angepasstes Compliance-System weder aufwändig noch teuer sein. Zum anderen gilt der bekannte Spruch: "If you think compliance is expensive, try non-compliance".

Die Compliance-Anforderungen an Unternehmen werden auch im Jahr 2021 weiter steigen. Viele Unternehmen werden aufgrund der Umsetzung der Whistleblowing-Richtlinie der EU ein Hinweisgebersystem einführen müssen. Weitere Gesetzesentwürfe, wie etwa das Verbandssanktionengesetz oder das Lieferkettengesetz, sind auf dem Weg.

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