Das Oberlandesgericht Stuttgart hat mit Urteil vom 13.12.2018 sowohl ein Bauunternehmen als auch dessen Bauleiter persönlich zur Zahlung von Schadenersatz und Schmerzensgeld an einen selbstständigen Monteur verurteilt, der sich beim Sturz durch eine nicht gesicherte Aussparung in einer Zwischendecke schwer verletzt hatte. Unternehmen und Bauleiter hatten eingewandt, der Rohbau sei fertiggestellt und die Aussparung bei Abschluss der eigenen Arbeiten abgesichert gewesen, außerdem sei der Monteur selbst für den Sturz verantwortlich, da er vom Bauherrn mit Absicherungsarbeiten - wenn auch an anderer Stelle - beauftragt war und deshalb um die Gefahren im Rohbau hätte wissen müssen.
Dieser Argumentation ist das Gericht nur teilweise gefolgt: Zwar ende die Verkehrssicherungspflicht grundsätzlich mit dem Abschluss der eigenen Arbeiten. Dies gelte aber nur, wenn die Baustelle in einem verkehrssicheren Zustand verlassen werde, sonst dauere die Verkehrssicherungspflicht fort. Dass die Aussparung bei Abschluss der Arbeiten gesichert war, konnten die Beklagten nicht nachweisen, weshalb das Gericht von einem nicht verkehrssicheren Zustand ausging. Allerdings nahm das Gericht ein Mitverschulden des Monteurs von 1/3 an, da er die Aussparung hätte erkennen können.
Von einem hälftigen Mitverschulden des Verletzten geht das Oberlandesgericht München in einem Urteil vom 26.09.2018 aus. In dem entschiedenen Fall war der Koch eines Restaurants auf dem Weg von der Küche über einen unbeleuchteten Innenhof zu Müllcontainern in eine nicht abgesperrte Baugrube gestürzt. Das Gericht hat sowohl den Bauherrn als auch den von ihm beauftragten Generalunternehmer zum Schadenersatz verurteilt. Der Bauherr hatte die Bauarbeiten veranlasst und damit auch die Gefahrenstelle. Zwar hatte der Bauherr die Verkehrssicherungspflicht auf den Generalunternehmer übertragen. Er hätte jedoch überwachen müssen, ob der Generalunternehmer seiner Verkehrssicherungspflicht auch tatsächlich nachkommt. Da der Bauherr den Generalunternehmer und dessen Nachunternehmer nicht überwacht hatte, blieb er dem Verletzten gegenüber in der Verantwortung. Der Generalunternehmer war haftbar, da er die Verkehrssicherungspflicht zwar übernommen hatte, ihr aber nicht nachgekommen war.
Beide Fälle zeigen, wie umfangreich die Haftung bei einer Verletzung der Verkehrssicherungspflicht sein kann: Neben dem Bauherrn können ein Generalunternehmer, das die Arbeiten ausführende Bauunternehmen sowie die verantwortlichen Mitarbeiter persönlich haftbar sein. Daneben kommt die Verantwortung eines mit der Bauüberwachung beauftragten Architekten oder eines Sicherheits- und Gesundheitskoordinators in Frage. Wer die Baustelle nach Abschluss seiner Arbeiten verlässt, muss einen verkehrssicheren Zustand hinterlassen und sollte diesen auch unbedingt dokumentieren, um ihn gegebenenfalls beweisen zu können.