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2021

Änderung der Rechtsprechung: Keine Gleichstellung von Kenntnis der Zahlungsunfähigkeit und Kenntnis des Gläubigerbenachteiligungsvorsatzes bei der Vorsatzanfechtung

Der Bundesgerichtshof hat mit Urteil vom 06.05.2021 seine seit vielen Jahren als zu weitgehend kritisierte Rechtsprechung zur Vorsatzanfechtung bei drei Prüfungspunkten verändert und damit maßgeblich zurückgenommen. Einerseits wird es für den Insolvenzverwalter künftig schwieriger sein, die Voraussetzungen der Vorsatzanfechtung zu beweisen, da sich nach Auffassung des Bundesgerichtshofs ein schematisches Vorgehen bei der Beweiswürdigung verbietet. Andererseits wird in der Literatur bereits jetzt kritisiert, dass dies für die Empfänger anfechtbarer Leistungen mit größerer Rechtsunsicherheit einhergehe.

Gemäß § 133 InsO ist eine Rechtshandlung (z. B. Zahlung), die der Schuldner in den letzten zehn Jahren vor dem Insolvenzantrag oder nach diesem Antrag vorgenommen hat, anfechtbar, wenn der Schuldner dabei den Vorsatz hatte, seine Gläubiger zu benachteiligen und wenn der Leistungsempfänger diesen Vorsatz des Schuldners kannte. Diese Kenntnis wird vermutet, wenn der Leistungsempfänger wusste, dass die Zahlungsunfähigkeit des Schuldners drohte und dass die Handlung die Gläubiger benachteiligte. Der Insolvenzverwalter musste bisher beweisen, dass der Leistungsempfänger wusste, dass der Schuldner mit Gläubigerbenachteiligungsvorsatz handelte. Als ausreichendes Indiz hierfür genügte der Beweis der Kenntnis des Leistungsempfängers, dass der Schuldner seine Zahlungen eingestellt hatte. Denn gemäß § 17 Abs. 2 InsO ist im Falle der Zahlungseinstellung die Zahlungsunfähigkeit in der Regel anzunehmen. Man konnte somit sagen, dass der Leistungsempfänger bei Kenntnis der Zahlungseinstellung auch die Zahlungsunfähigkeit und den Gläubigerbenachteiligungsvorsatz des Schuldners kannte.

Der Bundesgerichtshof hat nun erkannt, dass sich diese Rechtsprechung nicht ohne Bruch in die Systematik der Anfechtungstatbestände einfügt. Es gelten daher jetzt deutlich strengere Beweisanforderungen. Fehlt es an einer eigenen Erklärung des Schuldners, zahlungsunfähig zu sein, müssen sonstige Umstände in die Gesamtwürdigung des Gerichts einbezogen werden. Diese müssen ein der Erklärung des Schuldners, zahlungsunfähig zu sein, vergleichbares Gewicht haben. Dafür genügt allein eine häufigere Zahlungsverzögerung nicht. Ausreichen können aber verstärkter Mahn- und Vollstreckungsdruck anderer Gläubiger oder selektive Zahlungen des Schuldners an existenziell wichtige Gläubiger bei gleichzeitiger Nichtzahlung auf weniger wichtige Verbindlichkeiten. Hat der Gläubiger einmal Kenntnis von der Zahlungseinstellung des Schuldners erlangt, so wurde bisher und wird auch künftig die Fortdauer dieser Kenntnis widerleglich vermutet. Nun hängen allerdings Dauer und Stärke der Vermutung davon ab, in welchem Umfang die Zahlungsunfähigkeit zutage getreten ist. Bei einer relativ geringfügigen Forderung (im Streitfall war dies eine Forderung von lediglich ca. 2.500,00 €, die vor langer Zeit nicht bezahlt wurde) kann eine Vermutung für die Fortdauer der Zahlungseinstellung auch gänzlich entfallen.

Bisher war es für die Feststellung eines Gläubigerbenachteiligungsvorsatzes des Schuldners und der Kenntnis von diesem Vorsatz bei dem Gläubiger des Schuldners ausreichend, wenn beiden die Zahlungsunfähigkeit des Schuldners im Zeitpunkt der Leistung an den Gläubiger bekannt war. Dies soll künftig nicht mehr genügen, vielmehr muss hinzukommen, dass der Schuldner weiß oder billigend in Kauf nimmt, dass er seine Gläubiger auch zu einem späteren Zeitpunkt nicht vollständig wird befriedigen können. Von Bedeutung ist in diesem Zusammenhang die im Moment der angefochtenen Rechtshandlung bestehende Deckungslücke zwischen dem liquiden Vermögen des Schuldners und seinen Verbindlichkeiten. Lässt diese auch bei optimistischer Einschätzung in absehbarer Zeit keine vollständige Befriedigung der bereits vorhandenen und weiterer hinzutretenden Gläubiger erwarten, hat der Schuldner Gläubigerbenachteiligungsvorsatz. Besteht dagegen die Aussicht auf eine nachhaltige Beseitigung innerhalb eines Zeitraums, von dem der Schuldner annehmen durfte, dass er ihm zur Beseitigung seiner Zahlungsschwierigkeiten verbleibt, liegt kein Gläubigerbenachteiligungsvorsatz vor. Darlegungs- und beweisbelastet hierfür ist der Insolvenzverwalter.

Bei seiner Beweisführung kann der Insolvenzverwalter sich grundsätzlich auf die Vermutung des § 133 Abs. 1 InsO stützen, wonach die Kenntnis des Leistungsempfängers vermutet wird, wenn er wusste, dass die Zahlungsunfähigkeit des Schuldners drohte und dass die Leistung des Schuldners gläubigerbenachteiligend war. Nach der Entscheidung des Bundesgerichtshofs kann allerdings allein aus der Kenntnis der drohenden Zahlungsunfähigkeit nicht auf den Gläubigerbenachteiligungsvorsatz geschlossen werden. Hierfür müssen weitere Umstände hinzukommen, bspw. die gezielte Befriedigung eines Altgläubigers in der sicheren Erwartung des Eintritts der Zahlungsunfähigkeit. Die zusätzlich erforderliche Kenntnis von der objektiven Gläubigerbenachteiligung wird weiterhin durch die Kenntnis von der drohenden oder bereits eingetretenen Zahlungsunfähigkeit indiziert, wenn der Anfechtungsgegner weiß, dass es noch andere Gläubiger gibt. Damit muss er – wie bisher schon – rechnen, wenn der Schuldner unternehmerisch tätig ist.

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