BGH, Urteil vom 18.1.2023 – IV ZR 465/21
Der BGH hatte mit Urteil vom 26.1.2022 und zahlreichen Folgeentscheidungen Ansprüche der Versicherungsnehmer aus Betriebsschließungsversicherungen aufgrund der COVID-19-Pandemie verneint. In dem mit Urteil vom 18.1.2023 entschiedenen Rechtstreit war nun erstmals ein Versicherungsnehmer beim BGH teilweise erfolgreich.
Dem Urteil liegt ein anderer Bedingungswortlaut zugrunde als in den vorangegangenen Entscheidungen. Bislang hatte der BGH nur über Bedingungswerke entschieden, die ausführliche Kataloge der versicherten Krankheiten und Krankheitserreger enthielten. Diese hatte der BGH als abschließend eingestuft, so dass für Betriebsschließungen aufgrund des neuartigen Corona-Virus kein Versicherungsschutz bestand.
Die Versicherungsbedingungen, über die der BGH nun entschieden hat, verweisen hingegen nur auf die in §§ 6 und 7 des Infektionsschutzgesetzes (IfSG) "namentlich" genannten Krankheiten und Krankheitserreger, ohne diese im Einzelnen aufzulisten. Dies hat den BGH veranlasst, dem Versicherungsnehmer einen Deckungsanspruch für eine Betriebsschließung während des sog. "zweiten Lockdowns" ab November 2020 zuzusprechen. Seit Ende Mai 2020 waren die Krankheit COVID-19 und der Krankheiterreger SARS-CoV-2 in den §§ 6, 7 IfSG ausdrücklich aufgeführt. In den AVB komme nicht ausreichend zum Ausdruck, dass es sich um eine statische Verweisung auf das IfSG handeln solle.
Für den "ersten Lockdown" ab März 2020 blieb dem klagenden Versicherungsnehmer hingegen der Erfolg versagt. Die damaligen Betriebsschließungen erfolgten auf Grundlage von Verordnungen bzw. Allgemeinverfügungen, während eine Aufnahme von COVID-19/SARS-CoV-2 in §§ 6, 7 IfSG noch nicht erfolgt war. Der BGH konnte in der Beschränkung des Versicherungsschutzes auf die namentlich im Gesetz genannten Krankheiten bzw. Erreger keinen Verstoß gegen das Transparenzgebot erkennen.
Bewertung: Der BGH hat auch mit dieser Entscheidung Augenmaß bewiesen und das Transparenzgebot nicht überspannt. Angesichts der nicht weiter eingeschränkten Verweisung auf die "namentlich" im IfSG genannten Krankheiten/Krankheitserreger war dem VU jedoch für den zweiten Lockdown "nicht zu helfen".
Praxishinweis: Die Entscheidung zeigt einmal mehr, wie wichtig es ist, bei der Formulierung von AVB auch neuartige Risiken zu bedenken und den Versicherungsschutz ausdrücklich auf die bekannten, kalkulierbaren Risiken zu beschränken. Wenn man auf gesetzliche Bestimmungen verwiesen möchte, sollte man sich im Regelfall ausdrücklich auf eine statische Verweisung beschränken, weil unerwartete Gesetzesänderungen mit erheblichen Auswirkungen stets möglich sind.
Weiterer Rechtsprechungshinweis: Das nicht gerade als "versicherungsnehmerfreundlich" bekannte OLG Köln hatte schon mit Urteil vom 1.3.2022 - 9 U 162/21 - zu bestimmten "Maklerbedingungen" entschieden, dass sogar für den ersten Lockdown Deckung besteht. In diesen Bedingungen war der Versicherungsschutz zusätzlich zu den im IfSG genannten auch auf "sonstige Krankheitserreger" erstreckt worden.