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2023

Kooperationen und Nachhaltigkeit: Das Bundeskartellamt reagiert

Der Wunsch nach mehr Nachhaltigkeit ist in Politik und Wirtschaft seit einigen Jahren in aller Munde. Dies umfasst den Schutz der Umwelt und die Bekämpfung des Klimawandels ebenso wie die Schaffung angemessener Arbeitsbedingungen für alle, die Wahrung der Menschrechte und den Schutz von Tieren. Wenn Unternehmen sich am nachhaltigen Umbau von Wirtschaft und Gesellschaft beteiligen, ist das zwar politisch gewünscht. Es entbindet sie aber nicht von gesetzlichen Schranken. Insbesondere müssen kartellrechtliche Vorgaben eingehalten werden, wenn Unternehmen Nachhaltigkeitsziele durch Kooperation mit anderen Marktbeteiligten erreichen wollen. Die kartellrechtliche Bewertung solcher Kooperationen bereitet rechtliche Schwierigkeiten. Das gilt insbesondere für die Frage, ob und in welcher Weise Nachhaltigkeitsziele bei der Prüfung des Kartellverbots eine Rolle spielen.

Auf diese Unsicherheiten reagieren Rechtsordnungen unterschiedlich. Die niederländische Kartellbehörde hat beispielsweise Leitlinien veröffentlicht, die Unternehmen Anhaltspunkte für die kartellrechtliche Selbsteinschätzung geben. In Österreich wurde durch eine Gesetzesänderung klargestellt, dass bestimmte Nachhaltigkeitsziele Ausnahmen vom Kartellverbot rechtfertigen können. In Deutschland gibt es vergleichbare Maßnahmen bisher nicht. Das Bundeskartellamt hat jedoch im Januar 2022 in Pressemitteilungen zu drei konkreten Nachhaltigkeitskooperationen Stellung genommen. Es ging dabei erstens um freiwillige Selbstverpflichtungen entlang der Lieferkette zur Sicherung existenzsichernder Löhne im Bananensektor. Zweitens nahm das Bundeskartellamt zu der Frage Stellung, ob Lebensmitteleinzelhändler sich zu einem einheitlichen "Tierwohlentgelt" zugunsten von Schlachtbetrieben verpflichten können. Drittens äußerte sich die Behörde zu Preisaufschlägen in der Milchwirtschaft. Diese sollten als bindender Bestandteil in die Verträge zwischen Erzeugern, Molkereien und dem Lebensmitteleinzelhandel aufgenommen und laufend angepasst werden.

Die Pressemitteilungen senden durchaus unterschiedliche Signale. Einerseits teilt das Bundeskartellamt mit, dass Nachhaltigkeitsziele im Rahmen der bestehenden Regelungen berücksichtigt werden könnten und dass Marktbeteiligte "ermuntert" würden, Kooperationen zu Nachhaltigkeitszielen zu erwägen. Andererseits äußert sich die Behörde zu zwei der drei Kooperationen kritisch und verzichtet ganz auf generelle Hinweise, wann Nachhaltigkeitskooperationen als kartellrechtlich zulässig angesehen werden. Allerdings bietet das Bundeskartellamt seine Unterstützung im Einzelfall an: "Diese Überprüfungen sind Teil des Angebotes des Amtes, Unternehmen mit Blick auf Kooperationen zu beraten und gerade bei Nachhaltigkeitsstrategien Hinweise darauf zu geben, wie diese in das Wettbewerbsrecht eingebettet werden können."

Mit generellen Anhaltspunkten zur kartellrechtlichen Bewertung von Nachhaltigkeitskooperationen darf aber trotzdem gerechnet werden. So überarbeitet die Europäische Kommission derzeit ihre Horizontalleitlinien. Diese haben auch für die Anwendung des Kartellverbots durch die Mitgliedstaaten erhebliche Bedeutung. Nach dem am 1. März 2022 veröffentlichten Entwurf der Horizontalleitlinien werden diese ein eigenes Kapitel zu Nachhaltigkeitskooperationen enthalten. Die endgültige Fassung wird spätestens zum geplanten Inkrafttreten am 1. Januar 2023 erwartet.

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