HomeWissenNewsletterSondernewsletter Sanierungs- und Insolvenzrecht 2021/01
2021

Sondernewsletter Sanierungs- und Insolvenzrecht 2021/01

Aktuelle Informationen zum Sanierungs- und Insolvenzrecht: Neues außergerichtliches Sanierungsverfahren

Das neue Gesetz über den Stabilisierungs- und Restrukturierungsrahmen für Unternehmen (Unternehmensstabilisierungs- und -restrukturierungsgesetz – StaRUG)

Der Bundestag hat am 17.12.2020 das Gesetz zur Fortentwicklung des Sanierungs- und Insolvenzrechts (SanInsFoG) verabschiedet. Bestandteil dieses Artikelgesetzes ist – neben Änderungen der Insolvenzordnung und einer Vielzahl anderer Gesetze – das am 01.01.2020 in Kraft getretene (BGBl. I. 2020, S. 3256) Unternehmensstabilisierungs- und -restrukturierungsgesetz (StaRUG). Mit dem StaRUG soll Unternehmen erstmals die Möglichkeit gegeben werden, auch außerhalb eines Insolvenzverfahrens in einem gesetzlich geregelten Restrukturierungsverfahren Sanierungsmaßnahmen umzusetzen, ohne dass zwingend alle Beteiligten den getroffenen Regelungen zustimmen müssen und ohne dass einzelne Beteiligte diese blockieren können. Mit diesem Rechtsrahmen möchte der Gesetzgeber eine Lücke schließen, die das bisher geltende Sanierungsrecht zwischen dem Bereich der freien außergerichtlichen, auf den Konsens aller Beteiligten angewiesenen Sanierung einerseits und der Sanierung im eröffneten Insolvenzverfahren mit ihren Kosten und Nachteilen andererseits gelassen hat. Das Gesetz soll es Unternehmen ermöglichen, die Verhandlungen über den Restrukturierungsplan selbst zu führen und den Plan zur Abstimmung zu stellen. Es gibt ihnen aber auch die Möglichkeit, gerichtliche Unterstützung bei der Abstimmung über den Restrukturierungsplan anzufordern und den Restrukturierungsplan durch gerichtlichen Beschluss bestätigen zu lassen und schon im Vorfeld im Wege einer sogenannten Vorprüfung eine Auskunft des Gerichts zu jeder für die Bestätigung des Restrukturierungsplans erheblichen Frage einzuholen. Das Gericht kann dem Schuldner auf dessen Antrag oder in bestimmten Fällen von Amts wegen einen Restrukturierungsbeauftragten zur Seite stellen. Ferner kann der Schuldner bei Gericht beantragen, dass ein Sanierungsmoderator bestellt wird, der ihn bei seinen Verhandlungen mit den Gläubigern unterstützt und diese moderiert.

Anwendungsbereich

In Betracht kommt ein Restrukturierungsverfahren nach StaRUG für Unternehmen, die zahlungsunfähig zu werden drohen, aber noch nicht zahlungsunfähig oder überschuldet sind. Nach der Gesetzesbegründung sollen die neuen Sanierungsoptionen allen Unternehmen zugutekommen, nicht zuletzt solchen, die in Folge der zur Eindämmung der COVID-19-Pandemie ergriffenen Maßnahmen Umsatzeinbrüche erlitten haben. Die aufgrund des StaRUG möglichen Sanierungsoptionen zielen weniger auf eine leistungswirtschaftliche, sondern vor allem auf eine finanzwirtschaftliche Sanierung.

Neufassung der Insolvenzgründe

Während im Rahmen der Gesetzgebung zur Abmilderung der Folgen der COVID-19-Pandemie die Insolvenzantragspflicht über das Jahr 2020 in weiten Teilen ausgesetzt war, läuft dieses Instrument nunmehr sukzessive aus. Mit dem SanInsFoG wird die Aussetzung der Insolvenzantragspflicht nun nochmal für solche Unternehmen bis zum 31.01.2021 verlängert, welche einen Anspruch auf die Gewährung finanzieller Hilfeleistungen im Rahmen staatlicher Hilfsprogramme zur Abmilderung der Folgen der COVID-19-Pandemie (sog. November- und Dezemberhilfen) haben (siehe hierzu das BMJV zur "Insolvenzantragspflicht"). Mit der "Wiedereinsetzung" der Insolvenzantragspflicht kommt dementsprechend den Insolvenzantragsgründen wieder ihre eigentliche Bedeutung zu. Das SanInsFoG ändert nun die Antragsgründe der drohenden Zahlungsunfähigkeit und der Überschuldung der InsO, indem es die jeweiligen Prognosezeiträume gesetzlich definiert und gleichzeitig ausdifferenziert.

So wird in § 18 Abs. 2 InsO ein neuer Satz 2 eingefügt, wonach für die Beurteilung der drohenden Zahlungsunfähigkeit "in aller Regel ein Prognosezeitraum von 24 Monate zugrunde zu legen" ist. Zudem wird in § 19 Abs. 2 InsO der Zeitraum, auf den sich die Fortbestehensprognose zur Feststellung der Überschuldung erstreckt, auf 12 Monate festgesetzt. Indes schafft der Gesetzgeber zur Abmilderung der Pandemiefolgen für besonders stark betroffene Unternehmen gleichzeitig eine (weitere) Übergangsfrist bis zum 31.12.2021. Danach muss im Jahre 2021 unter gewissen Voraussetzungen das Fortbestehen des Unternehmens (nur) für einen Zeitraum von vier Monaten überwiegend wahrscheinlich sein, um eine positive Fortbestehensprognose zu bejahen und mithin eine Überschuldung abzulehnen.

Zunächst schaffen die nunmehr gesetzlich definierten Zeiträume ein gewisses Maß an Rechtssicherheit. Dennoch macht der Zusatz "in aller Regel" deutlich, dass zumindest für die Feststellung der drohenden Zahlungsunfähigkeit möglicherweise aufgrund besonderer bzw. individueller Umstände des Unternehmens im Einzelfall doch ein abweichender Prognosezeitraum zugrunde zu legen ist. Insofern werden Geschäftsleiter – weiterhin – nicht umhin kommen zu prüfen, ob nicht doch Umstände vorliegen, welche die Zugrundelegung eines abweichenden bzw. längeren Prognosezeitraums erfordern.

Zudem führt der deutlich längere Prognosezeitraum für die drohende Zahlungsunfähigkeit zu einer stärkeren Abgrenzung zu den anderen Antragsgründen. Dieses sog. Abstandsgebot schafft einen größeren zeitlichen Vorlauf für das durch das StaRUG eingeführte, außerinsolvenzliche Restrukturierungsverfahren und grenzt dieses damit von der Insolvenz ab. Dieses Verfahren steht nur Unternehmen offen, welche sich im Zustand der drohenden Zahlungsunfähigkeit befinden. Umgekehrt gehen damit nicht unerhebliche Risiken sowohl für die Gesellschafter als auch die Geschäftsleiter einher. Denn mit dem Eintritt in ein außerinsolvenzliches Restrukturierungsverfahren drohen den Gesellschaftern auch gegen ihren Willen (sog. cross-class clam-down) erhebliche Eingriffe in ihre Gesellschafterrechte bis hin zum Totalverlust. Zudem verschiebt sich mit der Feststellung der drohenden Zahlungsunfähigkeit der Pflichtenmaßstab der Geschäftsleiter, der ab diesem Zeitpunkt primär auf den Schutz der Gläubigerinteressen ausgerichtet ist, den Schutz der Gesellschafter und anderer sog. stakeholder dagegen als nachrangig betrachtet (sog. shift of fiduciary duties). Insofern kann durch diese Neuregelungen bereits weit im Vorfeld einer (möglichen) Insolvenz ein erhebliches Konfliktpotential entstehen. Während die Gesellschafter gar um ihre Gesellschafterstellung fürchten müssen, sehen sich Geschäftsleiter nicht nur einem erhöhten Haftungsrisiko ausgesetzt, sondern müssen möglicherweise auch Sanierungsmaßnahmen gegen den Willen der Gesellschafter abwägen und einleiten.

Wesentliche Elemente des StaRUG

Das Restrukturierungsvorhaben nach StaRUG beginnt in der Regel mit der Anzeige des Restrukturierungsvorhabens bei dem zuständigen Restrukturierungsgericht (§ 31 StaRUG). Mit der Anzeige wird die Restrukturierungssache bei dem Restrukturierungsgericht rechtshängig. Das Gericht muss allerdings auf Grundlage der Anzeige keine weiteren Maßnahmen veranlassen, insbesondere wird kein Insolvenzverfahren eröffnet. Vielmehr ist es nun Sache des Schuldners, seinen Gläubigern einen Sanierungsvorschlag in Gestalt des Restrukturierungsplans zu unterbreiten.

Kernelement des StaRUG ist der Restrukturierungsplan (§§ 7 ff. StaRUG), den der Schuldner inhaltlich eigenverantwortlich gestalten kann und den er mit seinen Gläubigern ohne Einbindung des Gerichts selber verhandeln muss. Die Terminologie und Systematik der Vorschriften über den Restrukturierungsplan entsprechen im Wesentlichen den bereits bekannten und bewährten Regelungen zum Insolvenzplan (§§ 217 ff. InsO).

Der Restrukturierungsplan (im Folgenden auch der "Plan") besteht aus einem darstellenden und einem gestaltenden Teil und bietet die Grundlage für Eingriffe in Forderungen von Gläubigern (Restrukturierungsforderungen), Absonderungsanwartschaften – Rechte, die im Falle der Insolvenz ein Aus- oder Absonderungsrecht begründen –, Rechte aus gruppeninternen Drittsicherheiten und Gesellschafterrechte. Die Planbetroffenen können hierfür – wie im Insolvenzplanverfahren – in Gläubigergruppen eingeteilt werden, womit der Planverfasser in gewissem Maße Einfluss auf das Abstimmungsergebnis nehmen kann. Der darstellende Teil enthält die Grundlage und die Auswirkungen des Plans. Diesem Teil ist insbesondere eine Vergleichsrechnung zur Lage ohne Plan beizufügen.

Der gestaltende Teil legt die vorgesehenen Änderungen fest. Die Mindestangaben, die der Anlage zum StaRUG zu entnehmen sind, umfassen u.a. die bestehenden Vermögenswerte und Verbindlichkeiten, die Planbetroffenen und diejenigen Gläubiger, die nicht in den Plan einbezogen sind, sowie die Gruppen, in welche die Planbetroffenen eingeteilt sind, und die auf deren Forderungen und Rechte entfallenden Stimmrechte. Anders als beim Insolvenzplan muss der Planverfasser im Restrukturierungsplan nicht zwingend alle Gläubiger einbeziehen, sondern kann sich auf ausgewählte Gläubiger beschränken; für die nicht einbezogenen Gläubiger wirkt sich der Plan dann nicht aus. Als Änderungen der genannten Rechtspositionen kommen z.B. der Erlass oder die Stundung von Forderungen oder die Geltendmachung von Sicherungsrechten in Betracht. Auch vertragliche Nebenbestimmungen, z.B. Fälligkeitsabreden, Vereinbarungen über einen Kündigungsausschluss oder Financial Covenants, können geändert werden. Schließlich können Restrukturierungsforderungen auch in Anteils- oder Mitgliedschaftsrechte umgewandelt werden (Debt-to-Equity-Swap). Der Plan kann zudem weitreichend in die Rechte der Gesellschafter eingreifen. So können Anteils- oder Mitgliedschaftsrechte übertragen und im Übrigen jede gesellschaftsrechtlich zulässige Regelung getroffen werden.

Ohne Einschaltung des Gerichts entfaltet der Restrukturierungsplan nur dann Wirkung, wenn ihm sämtliche Planbetroffenen zustimmen. Dies wird nur selten der Fall sein. Es gibt daher auch die Möglichkeit einer gerichtlichen Bestätigung des (lediglich) mehrheitlich angenommenen Restrukturierungsplans, der dann auch gegenüber den überstimmten Planbetroffenen Wirkung entfaltet. Bei der Abstimmung über den Plan steht den Planbetroffenen ein Stimmrecht zu, das sich bei Restrukturierungsforderungen grundsätzlich nach deren Betrag, bei Absonderungsanwartschaften und gruppeninternen Drittsicherheiten nach deren Wert und bei Gesellschafterrechten nach dem Anteil am gezeichneten Kapital oder Vermögen des Schuldners richtet. Die Annahme des Restrukturierungsplans erfordert die Zustimmung von mindestens 75 % der Stimmrechte in jeder Gruppe. Wird diese Mehrheit in einer Gruppe nicht erreicht, kann deren Zustimmung ersetzt werden (sog. Cram Down), wenn die Mitglieder dieser Gruppe durch den Restrukturierungsplan voraussichtlich nicht schlechter gestellt werden als sie ohne den Plan stünden, die Mitglieder dieser Gruppe angemessen an dem wirtschaftlichen Wert beteiligt werden und die Mehrheit der abstimmenden Gruppen dem Plan zugestimmt hat. Eine solche angemessene Beteiligung liegt vor, wenn kein anderer planbetroffener Gläubiger wirtschaftliche Werte erhält, die den vollen Betrag seines Anspruchs übersteigen, kein anderer nachrangiger planbetroffener Gläubiger sowie der Schuldner oder Gesellschafter einen wirtschaftlichen Wert erhalten und kein gleichrangiger planbetroffener Gläubiger bessergestellt wird (sog. absolute Priorität). Gerade durch die zweite Voraussetzung, wonach kein Gesellschafter einen wirtschaftlichen Wert erhalten darf, setzt der Gesetzgeber einen Anreiz, Gesellschafterrechte vollständig aufzuheben. Von dem Grundsatz der absoluten Priorität, der auch im Insolvenzrecht gilt, kann in Ausnahmefällen abgewichen werden. So steht es einer angemessenen Beteiligung einer Gruppe nicht entgegen, dass der Schuldner oder ein Gesellschafter am Unternehmensvermögen beteiligt bleibt, wenn deren Mitwirkung an der Fortführung des Unternehmens infolge besonderer, in ihrer Person liegender Umstände unerlässlich ist, um den Planwert zu verwirklichen (interessant für personenbezogene Gesellschaften).

Liegen die erforderlichen Mehrheiten oder eine gruppenübergreifende Mehrheitsentscheidung vor, erlangt der Restrukturierungsplan nach gerichtlicher Prüfung und Bestätigung auch gegenüber den überstimmten Planbetroffenen Wirkung.

Ein weiteres wichtiges Element des StaRUG sind die Instrumente des Stabilisierungs- und Restrukturierungsrahmens (§ 31 StaRUG). Diese Instrumente können vom Schuldner zur nachhaltigen Beseitigung einer drohenden Zahlungsunfähigkeit in Anspruch genommen werden. Es handelt sich um
  • die Durchführung eines gerichtlichen Planabstimmungsverfahrens (gerichtliche Planabstimmung), in dem unter gerichtlicher Beteiligung über den vom Schuldner mit den Gläubigern verhandelten Restrukturierungsplan abgestimmt und in dem der Plan gerichtlich bestätigt (§ 74 Abs. 1 StaRUG) wird,
  • die gerichtliche Vorprüfung von Fragen, die für die Bestätigung des Restrukturierungsplans erheblich sind (Vorprüfung) und
  • die gerichtliche Bestätigung eines Restrukturierungsplans (Planbestätigung).
Der Schuldner kann diese Instrumente unabhängig voneinander in Anspruch nehmen.

Gemäß § 31 Abs. 2 Nr. 3 StaRUG kann das Restrukturierungsgericht Regelungen zur Einschränkung von Maßnahmen der individuellen Rechtsdurchsetzung anordnen. Gläubigern können auf diese Weise Vollstreckungsmaßnahmen oder/und die Geltendmachung von Sicherungsrechten gegenüber dem Schuldner untersagt werden (sogenannte Vollstreckungs- und Verwertungssperre). Ziel einer solchen gerichtlichen Maßnahme ist in der Regel, dass eine erfolgversprechende Sanierung des Schuldners nicht durch Zwangsmaßnahmen einzelner Gläubiger erschwert oder gar vereitelt wird.

Gemäß §§ 80 ff. StaRUG kann bzw. muss das Gericht in bestimmten Fällen einen Restrukturierungsbeauftragten bestellen. Dem Restrukturierungsbeauftragten werden im StaRUG zahlreiche Aufgaben zugewiesen, die stark an die Pflichten und Aufgaben des Sachwalters im Eigenverwaltungsverfahren (§§ 270 ff. InsO) angelehnt sind. Dies geht soweit, dass das Gericht dem Restrukturierungsbeauftragten sogar die Befugnis übertragen kann, die Kassenführung an sich zu ziehen. In einigen Fällen ist die Entscheidung des Gerichts obligatorisch, so etwa wenn im Rahmen der Restrukturierung die Rechte von Verbrauchern oder mittleren, kleinen oder Kleinstunternehmen berührt werden und/oder sich die Stabilisierungsanordnung (Antrag auf eine Vollstreckungs-/Verwertungssperre) gegen alle oder im Wesentlichen alle Gläubiger richtet. Bei seiner Entscheidung hat das Restrukturierungsgericht Vorschläge des Schuldners, der Gläubiger und der an dem Schuldner beteiligten Personen zur Person des Restrukturierungsbeauftragten zu berücksichtigen.

Auch auf Antrag des Schuldners bestellt das Restrukturierungsgericht einen Restrukturierungsbeauftragten, dessen Aufgabe in diesen Fällen vor allem in der Unterstützung des Schuldners und der Gläubiger bei der Ausarbeitung und Aushandlung des Restrukturierungskonzepts und des auf ihm basierenden Plans besteht. Das Gericht kann dem Restrukturierungsbeauftragten insoweit auch die Befugnis übertragen, die wirtschaftliche Lage des Schuldners zu prüfen und dessen Geschäftsführung zu überwachen sowie die Kassenführung zu übernehmen.

Bestellung eines Sanierungsmoderators

Gemäß § 100 StaRUG kann das Restrukturierungsgericht auf Antrag des Schuldners einen Sanierungsmoderator bestellen. Es muss sich um eine für diese Aufgabe geeignete, insbesondere geschäftskundige und von den Gläubigern und dem Schuldner unabhängige natürliche Person handeln. Die Bestellung eines Sanierungsmoderators kann unabhängig vom Restrukturierungs- und Stabilisierungsrahmen und dessen Instrumenten beantragt werden. Das bedeutet, dass der Schuldner den Sanierungsmoderator bereits vor einer Anzeige des Restrukturierungsvorhabens beim Restrukturierungsgericht beantragen kann. Der Antrag des Schuldners auf Bestellung eines Sanierungsmoderators leitet somit ein dem Stabilisierungs- und Restrukturierungsrahmen vorgelagertes Verfahren ein. Anders als bei der Bestellung eines Restrukturierungsbeauftragten steht dem Schuldner für die Person des Sanierungsmoderators kein Vorschlagsrecht zu.

Der Schuldner sollte dem vom Gericht bestellten Sanierungsmoderator Einblick in die Bücher und Geschäftsunterlagen verschaffen und ihm zweckmäßige Auskünfte erteilen. Ohne diese Informationen wird ein Sanierungsmoderator nicht in der Lage sein, seinen Berichtspflichten gegenüber dem Restrukturierungsgericht vollumfänglich zu genügen und seiner Aufgabe, eine Lösung zwischen Schuldner und Gläubiger zur Überwindung der wirtschaftlichen und finanziellen Schwierigkeiten herbeizuführen, gerecht zu werden.

Ziel der Sanierungsmoderation ist der Abschluss eines Vergleichs zwischen dem Schuldner und den vom Schuldner in die Restrukturierung einbezogenen Gläubigern. Ein Hindernis außergerichtlicher Sanierungen besteht häufig in der Gefahr, dass der Schuldner trotz der Sanierungsvereinbarung, gegebenenfalls aus anderen Gründen, gezwungen sein kann, später (nach Abschluss des Vergleichs) Insolvenzantrag zu stellen. In diesem Fall können die aufgrund des Vergleichs ausgetauschten Leistungen der Insolvenzanfechtung unterliegen. Um dies bei einer Sanierungsmoderation auszuschließen und damit zugleich die Akzeptanz der Sanierungsmoderation zu erhöhen, kann der Schuldner das Restrukturierungsgericht um gerichtliche Bestätigung des Vergleichs ersuchen (§ 103 StaRUG). Ein solchermaßen gerichtlich bestätigter Sanierungsvergleich ist nur unter den Voraussetzungen des § 97 InsO anfechtbar, d.h. nur dann, wenn der Schuldner Auskunfts- und Mitwirkungspflichten verletzt hat.

Der Gesetzgeber geht in der Gesetzesbegründung davon aus, dass die Sanierungsmoderation vor allem für Kleinst- und kleine Unternehmen in Betracht kommt, die sich eine Beratung und Unterstützung durch professionelle Sanierungsberater zur Herbeiführung einer freien Sanierung nicht leisten können, aber dennoch auf Unterstützung von dritter Seite angewiesen sind. Allerdings wird nach StaRUG die Tätigkeit eines Sanierungsmoderators nach Stundensätzen vergütet, so dass auch die Sanierungsmoderation mit nicht unerheblichen Kosten verbunden sein kann.

Haftungs- und Pflichtenregime für Geschäftsleiter in der (drohenden) Krise

Durch das StaRUG wird auch das Pflichtenprogramm von Geschäftsleitern anlässlich einer drohenden Krise ausgedehnt und modifiziert. Mit § 1 StaRUG wird zunächst eine allgemeine und rechtsformübergreifende Regelung zu Krisenfrüherkennungs- und -reaktionspflichten der Geschäftsleiter haftungsbeschränkter Rechtsträger geschaffen. Diese Pflichten können zwar bereits dem geltenden Recht entnommen werden, sie sind aber nur punktuell im Gesetz geregelt. Die Geschäftsleiter sind danach gehalten, fortlaufend über bestandsgefährdende Entwicklungen (Krisenfrüherkennung) zu wachen und, sollten sich solche Entwicklungen abzeichnen, Gegenmaßnahmen zu ergreifen (Krisenabwehr bzw. -bewältigung) sowie darüber dem für die Überwachung der Geschäftsleitung zuständigen Organ Bericht zu erstatten. Die Geschäftsleiter müssen die Verhältnisse des Unternehmens und die Entwicklungen laufend daraufhin beobachten und überprüfen, ob sie das Potenzial haben, bei ungehindertem Fortgang den Fortbestand des Unternehmens zu gefährden. Die konkrete Ausformung und Reichweite dieser Überwachungspflicht lässt sich nicht pauschal festlegen, sondern ist abhängig vom Einzelfall, insbesondere von Größe, Branche, Struktur und Rechtsform des jeweiligen Unternehmens. Den Geschäftsleitern kommt bei der Auswahl der Früherkennungsmaßnahmen und der ggf. zu ergreifenden Gegenmaßnahmen ein gewisser Beurteilungsspielraum zu, der sich aber umso mehr verengt, desto bedrohlicher die Lage für das Unternehmen ist. In jedem Falle sollte das Früherkennungssystem ein Liquiditätsmonitoring beinhalten, da fehlende Liquidität eine unmittelbare Gefahr für den Fortbestand des Unternehmens darstellt.

Um eine spätere Exkulpation der Geschäftsleiter zu ermöglichen, sollten die Geschäftsleiter die Einhaltung der Überwachungspflicht sorgfältig dokumentieren. Die Dokumentation sollte dabei insbesondere die Implementierung des Krisenfrüherkennungssystems, die regelmäßig getroffenen Früherkennungsmaßnahmen als auch die Entscheidungen über etwaig getroffene Gegenmaßnahmen, einschließlich der hierfür zur Verfügung stehenden Informationen und die zugrundeliegende Abwägung der einzelnen Handlungsoptionen beinhalten.

Während der Rechtshängigkeit der Restrukturierungssache ruht die Insolvenzantragspflicht, der Geschäftsleiter muss aber dem Restrukturierungsgericht ohne schuldhaftes Zögern den Eintritt einer Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung anzeigen (§ 42 StaRUG). Unterlässt der Geschäftsleiter die Anzeige schuldhaft, macht er sich strafbar.

Die Geschäftsleiter sind zudem dazu verpflichtet, dass der Schuldner die Restrukturierungssache mit der Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters betreibt und die Interessen der Gesamtheit der Gläubiger wahrt (§ 43 StaRUG). Bei einem Pflichtverstoß haften die Geschäftsleiter dem Schuldner in Höhe des den Gläubigern entstandenen Schadens, es sei denn, sie haben die Pflichtverletzung nicht zu vertreten. Die Schadenersatzansprüche verjähren in der Regel in fünf Jahren; ist der Schuldner zum Zeitpunkt der Pflichtverletzung eine börsennotierte Gesellschaft, verjähren die Ansprüche in zehn Jahren.

Neben den allgemeinen Schuldnerpflichten der Geschäftsleitung sieht das StaRUG mit § 57 noch eine spezielle Haftungsnorm bei Inanspruchnahme der Stabilisierung (§§ 49 ff. StaRUG) als besonders einschneidendes Instrument des Restrukturierungsrahmens vor. Auf Antrag des Schuldners ordnet das Restrukturierungsgericht bei Vorliegen bestimmter Voraussetzungen eine Vollstreckungssperre (Maßnahmen der Zwangsvollstreckung gegen den Schuldner werden untersagt oder einstweilen eingestellt) und eine Verwertungssperre an. Gemäß § 57 StaRUG macht sich die Geschäftsleitung gegenüber den betroffenen Gläubigern hingegen schadenersatzpflichtig, wenn sie aufgrund unrichtiger Angaben schuldhaft (Vorsatz oder Fahrlässigkeit) eine Stabilisierung erwirkt. Entsprechendes gilt im Falle einer nicht ordnungsgemäßen Auskehrung oder Verwahrung der Erlöse durch die Geschäftsleitung. Auch die Ansprüche der von den Geschäftsleitern begangenen Pflichtverletzung betroffenen Gläubiger gegen die Geschäftsleitung verjähren in fünf bzw. bei börsennotierten Gesellschaften in zehn Jahren.

Bei Rückfragen stehen wir Ihnen gerne zur Verfügung. Hier finden Sie unsere Kontaktdaten.

Auf unserer Übersichtsseite zum Corona-Virus beantworten wir Ihnen die häufigsten Fragen aus weiteren Rechtsgebieten zur aktuellen Situation.

NEWSLETTER

linkedin facebook pinterest youtube rss twitter instagram facebook-blank rss-blank linkedin-blank pinterest youtube twitter instagram