Die derzeitige Diskussion über Rassismus im Alltag und am Arbeitsplatz beschäftigt seit geraumer Zeit die Arbeitsgerichte. Das Bundesverfassungsgericht als höchstes deutsches Gericht hat sich mit einem Fall rassistischer Diskriminierung und Beleidigung befassen müssen: Im Zuge einer Auseinandersetzung während einer Betriebsratssitzung hatten sich zwei Betriebsratsmitglieder gegenseitig beleidigt. Das später gekündigte Betriebsratsmitglied hatte sein dunkelhäutiges Gegenüber mit den Worten "Ugah Ugah" verächtlich gemacht, während dieser den Gekündigten als "Stricher" bezeichnete. Der Arbeitgeber hatte die Beleidigung als "Stricher" nicht sanktioniert, das andere Betriebsratsmitglied aber außerordentlich fristlos gekündigt. Die hiergegen erhobene Klage des Betriebsratsmitglieds war vor der Arbeitsgerichtsbarkeit erfolglos (zuletzt Landesarbeitsgericht Köln, Urteil vom 06.06.2019). Das Bundesverfassungsgericht hat die Annahme der hiergegen eingereichten Verfassungsbeschwerde mit Beschluss vom 02.11.2020 abgelehnt.
Dennoch ging das Bundesverfassungsgericht in seiner Begründung detailliert auf den Fall ein. Dabei überprüfte es aber nicht die Rechtmäßigkeit der Kündigung an sich, sondern, ob das Landesarbeitsgericht die infrage stehenden Grundrechte der Beteiligten richtig gewichtet hat. Das gekündigte Betriebsratsmitglied hatte sich auf seine Meinungsfreiheit aus Art. 5 Abs. 1 GG berufen. Wenig überraschend ließ das Bundesverfassungsgericht dies angesichts der konkreten Umstände aber nicht gelten: Die Meinungsfreiheit gelte zwar auch im Arbeitsverhältnis und dürfe nur ausnahmeweise hinter die Rechte Dritter zurücktreten. Der Schutzbereich der Meinungsfreiheit erfasse aber generell keine Äußerungen, die die Menschenwürde anderer antasten oder sich als Formalbeleidigungen oder Schmähung darstellen. Arbeitnehmer dürften daher nicht unter dem Deckmantel einer falsch verstandenen Meinungsfreiheit Kollegen beleidigen, ohne dafür mit Konsequenzen rechnen zu müssen. Insbesondere nicht, wenn darin, wie im vorliegenden Fall, eine menschenverachtende Diskriminierung liege. Eine solche sei unter Berufung auf das Grundrecht der Meinungsfreiheit nicht zu rechtfertigen, ohne dass es einer vorherigen Abwägung im Einzelfall bedürfe.
Die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts sollte Arbeitgeber nicht zu der Annahme verleiten, dass ein Automatismus besteht, wonach jede Form von Beleidigung mit rassistischem Hintergrund ohne weiteres eine außerordentliche Kündigung rechtfertigt. Im konkreten Fall spielte für das Landesarbeitsgericht als Ausgangsgericht auch eine Rolle, dass sich der Gekündigte weigerte, sich für die Beleidigung zu entschuldigen und sogar behauptete, seine Aussagen entsprächen einem "gepflegten Umgangston". Zudem lagen bereits einschlägige Abmahnungen wegen Beleidigungen vor.
Nach der Erfahrung unseres Arbeitsrechtsteam können die Erfolgsaussichten einer außerordentlichen Kündigung wegen Beleidigung am Arbeitsplatz je nach Gesamtsituation und Vorgeschichte des Vorfalls stark variieren. Mitunter fordern die Gerichte eine vorangegangene einschlägige Abmahnung. In Ausnahmefällen kann der Schutz der beleidigten Kollegen auch ohne vorherige Abmahnung höher zu gewichten sein und eine außerordentliche Kündigung rechtfertigen.