HomeWissenNewsletterdetailVerschmelzung einer insolventen GmbH: Keine Differenzhaftung der Gesellschafter, jedoch mögliche Haftung für existenzvernichtenden Eingriff 
2019

Verschmelzung einer insolventen GmbH: Keine Differenzhaftung der Gesellschafter, jedoch mögliche Haftung für existenzvernichtenden Eingriff 

Der Bundesgerichtshof befasst sich in einem Urteil vom 06.11.2018 mit den möglichen Folgen der Verschmelzung einer insolventen GmbH auf eine zuvor solvente GmbH. Folgender Sachverhalt lag zugrunde: Der Kläger war Insolvenzverwalter über das Vermögen einer GmbH ("Schuldnerin"), an der die Beklagten als Gesellschafter beteiligt waren. Die Schuldnerin als übernehmende GmbH schloss mit einer weiteren GmbH als übertragender Gesellschaft einen Verschmelzungsvertrag ab. Alleiniger Gesellschafter der übertragenden GmbH war einer der beiden Beklagten. Im Rahmen der Verschmelzung wurde bei der übernehmenden GmbH das Stammkapital erhöht, und zwar unter Ausgabe von neuen Geschäftsanteilen an einen der beiden Beklagten als Gesellschafter der übertragenden GmbH. Acht Monate nach der Verschmelzung wurde über das Vermögen der übernehmenden GmbH das Insolvenzverfahren eröffnet. Die übertragende GmbH war sowohl bei Abschluss des Verschmelzungsvertrags als auch am Verschmelzungsstichtag zahlungsunfähig sowie überschuldet. Der Insolvenzverwalter machte Ansprüche gegen die Gesellschafter der übernehmenden GmbH sowie gegen einen der Beklagten als Gesellschafter der übertragenden GmbH geltend und führte zur Begründung aus, dass die übertragende GmbH bei der Verschmelzung zahlungsunfähig sowie überschuldet gewesen und durch die Verschmelzung vorsätzlich eine Insolvenz der bis dahin solventen übernehmenden GmbH herbeigeführt worden sei.

Eine Differenzhaftung des Alleingesellschafters der übertragenden GmbH aus §§ 56 Abs. 2, 9 GmbHG i.V.m. § 55 Abs. 1 UmwG wurde vom Bundesgerichtshof zwar verneint, weil der Gesellschafter einer übertragenden GmbH im Fall der Verschmelzung mit einer anderen GmbH weder durch den Abschluss des Verschmelzungsvertrags noch durch den Verschmelzungsbeschluss eine Kapitaldeckungszusage abgebe. Für eine Differenzhaftung des Alleingesellschafters der übertragenden GmbH sei jedoch eine Kapitaldeckungszusage erforderlich. Eine Kapitaldeckungszusage sei bei der Neugründung einer GmbH im Wege der Sacheinlage zwar mit der Übernahme der Geschäftsanteile verbunden, nicht aber bei einer Verschmelzung mit Kapitalerhöhung. Eine Übernahmeerklärung, aus der sich eine Kapitaldeckungszusage für den Fall einer Neugründung bzw. Kapitalerhöhung durch Sacheinlage zwangsläufig ergebe, sei insoweit gerade nicht erforderlich, nachdem für die Verschmelzung die Anwendung des § 55 Abs. 1 GmbHG gemäß § 55 UmwG ausdrücklich ausgeschlossen sei. Nach dem Verschmelzungsvertrag sei von der übertragenden Gesellschaft lediglich die Übertragung ihres gesamten Gesellschaftsvermögens geschuldet. Der Bundesgerichtshof sah durch die Verschmelzung jedoch die Voraussetzungen einer Existenzvernichtungshaftung der Beklagten als Gesellschafter der übernehmenden GmbH gemäß § 826 BGB als erfüllt an. Im Rahmen der sogenannten Existenzvernichtungshaftung ist der Vermögensentzug erfüllt, wenn die den Gesellschaftergläubigern zur Verfügung stehende Masse zielgerichtet und zu betriebsfremden Zwecken verkürzt wird. Bislang war nicht entschieden, ob durch eine Erhöhung der Verbindlichkeiten eine solche Verkürzung der Haftungsmasse herbeigeführt werden kann. Diese Frage wurde vom Bundesgerichtshof jetzt bejaht. Ein solcher Vermögensentzug könne auch in einer Erhöhung der Verbindlichkeiten der Gesellschaft durch Einbringung eines nicht überlebensfähigen Unternehmens begründet sein. Auch die Sittenwidrigkeit des Vermögensentzugs wurde vom Bundesgerichtshof bejaht. Prägende Merkmale für das Vorliegen eines existenzvernichtenden Eingriffs seien die Verkennung der Prinzipien der Trennung des Gesellschaftsvermögens vom Vermögen der Gesellschafter und die strikte Bindung des Gesellschaftsvermögens zur Befriedigung der Gläubiger. Bei der Gewährung von Gesellschaftsanteilen an der übernehmenden GmbH, die nicht dem Wert der Gesellschaftsanteile der übertragenden GmbH entsprechen, komme es zu einer Vermögensverschiebung auf der Ebene der Gesellschafter zugunsten des Gesellschafters, der im Zuge der Kapitalerhöhung die neuen Geschäftsanteile erhalte. Die Sittenwidrigkeit des Vermögensentzugs wurde vom Bundesgerichtshof weiter damit begründet, dass durch die Verschmelzung ein geordnetes Liquidationsverfahren bzw. Insolvenzverfahren umgangen und auf die übernehmende GmbH verlagert wurde. Die Gesellschafter hätten die Verschmelzung genutzt, um die Verbindlichkeiten einer insolventen GmbH zulasten der übernehmenden GmbH auf diese zu verlagern. Dies sei nur zulässig, wenn im Zuge der Verschmelzung die Existenz der übernehmenden GmbH nicht in Frage gestellt werde. In der Praxis wird das Verschmelzen einer nicht mehr benötigten und häufig zumindest bilanziell überschuldeten Gesellschaft nicht selten als Alternative zu einer länger dauernden Liquidation gesehen. Nach dem Urteil des Bundesgerichtshofs vom 06.11.2018 kommt dieser Weg nur noch in Betracht, wenn die aufnehmende Gesellschaft finanziell entsprechend stark ausgestattet ist und deren Existenz durch die Verschmelzung nicht in Frage gestellt wird.

Dr. Friedrich Bozenhardt Partner
Rechtsanwalt
Fachanwalt für Handels- und Gesellschaftsrecht

Partner; Rechtsanwalt; Fachanwalt für Handels- und Gesellschaftsrecht

Rechtsgebiete

NEWSLETTER

linkedin facebook pinterest youtube rss twitter instagram facebook-blank rss-blank linkedin-blank pinterest youtube twitter instagram