Heute findet im Deutschen Bundestag die Anhörung zum Cannabisgesetz statt. In deren Rahmen werden Sachverständige aus verschiedenen Bereichen zu den Gesetzesvorhaben Stellung beziehen. Die wesentlichen Punkte sollen im Folgenden kurz vorgestellt werden.
Das Gesetzesvorhaben bietet laut Dr. Constantin von der Groeben, Geschäftsführer und Gründer DEMECAN Holding GmbH, die Chance, die strukturelle Benachteiligung deutscher Produzenten von medizinischen Cannabis zu beenden und die Voraussetzungen für die medizinische Versorgung mit Cannabis zu verbessern.
Laut Herr Dr. von der Groeben sollte ausgeschriebene Produktionsmenge von Medizinal-Cannabis auf mindestens 50 Prozent des ermittelten Bedarfs angehoben werden, um einen angemessenen Anteil der deutschen Produktion sicherzustellen. Das BfArM sollte folglich weitere Anbaumengen von mindestens 10 Tonnen in Deutschland ausschreiben. Bislang wird der Großteil des Medizinal-Cannabis in Deutschland aus dem Ausland Importiert. Andere EU-Staaten würden die Produktion und den Handel mit Medizinal-Cannabis nicht im gleichen Maße einschränken. Herr Dr. von der Groeben fordert daher faire Bedingungen für deutsche Hersteller von Medizinal-Cannabis.
Weiter sollte schnellstmöglich ein klarer Zeitplan für die „regionalen Modellvorhaben mit kommerziellen Lieferketten“ (Säule 2) vorgelegt werden, um perspektivisch eine qualitativ hochwertige Versorgung mit Genusscannabis sicherzustellen.
Dr. Bernd Werse vom Institut für Sozialpädagogik und Erwachsenenbildung Centre for Drug Research, Goethe Universität Frankfurt am Main, ist der Ansicht, dass die Besitzmengen insbesondere für diejenigen, die sich mittels Eigenanbau selbst versorgen, viel zu gering angesetzt sei und plädiert daher, analog zu anderen legal erhältlichen Drogen keine maximalen Besitzmengen einzuführen.
Für die sogenannten Anbauvereinigungen seien auch viel zu umfangreiche Restriktionen und Vorschriften vorgesehen, die eine Teilnahme an solchen Clubs im großen Stil voraussichtlich verhindern würden. Besonders kritisch sei die Bestimmung, dass sich Mitglieder selbst in großen Clubs selbst am Anbau beteiligen sollen und keine professionell arbeitenden Angestellten beschäftigen dürfen.
Die vorgesehenen Abstandsregeln würden es nicht nur in größeren Städten kaum möglich machen, im Freien legal zu konsumieren, sondern seien auch kaum zu kontrollieren; daher sollten sie auf den unmittelbaren Einzugsbereich relevanter Einrichtungen beschränkt werden.
Prof. Dr. Mustafa Temmuz Oğlakcıoğlu, Inhaber des Lehrstuhls für Strafrecht, Strafprozessrecht und Rechtsphilosophie an der Universität des Saarlandes setzt sich eingehend mit Straftatbestände auseinander und fordert einer echten Entkriminalisierung statt BtMG light.
Nach seiner Ansicht sollte weniger Strafrecht gewagt werden. Insbesondere sollten die Strafrahmen gesekt und die Versuchs- und Fahrlässigkeitsstrafbarkeit gestrichen werden. Weiterhin sollte klargestellt werden, dass Anbau von Cannabis bis zur Ernte nicht unter „Besitz“ fällt und dass die Ernte der Kopfblätter und Blüten sowie deren Trocknung und die sonstige Aufbereitung des Cannabis in den konsumfähigen Zustand (Drehen eines Joints) nicht unter das Herstellen i.S.d. KCanG-E fällt oder das Verbot des Herstellens von Cannabis sollte gänzlich gestrichen werden. Weiterhin sollten bußgeldbewährte Konsumverbote gestrichen werden.
Dr. Jakob Manthey vom Zentrum für Interdisziplinäre Suchtforschung der Universität Hamburg schlägt im Sinne des Gesundheitsschutzes ein staatliches Verkaufsmonopol in Kombination mit Anbauvereinen vor.
Die Beseitigung des illegalen Marktes sollte kein primäres gesundheitspolitisches Ziel sein. Die meisten gesundheitlichen Schäden, die durch Cannabis verursacht werden, sind laut Ansicht von Dr. Manthey vor allem auf den chronischen und häufigen Konsum der Substanz selbst zurückzuführen, wobei Personen mit frühem Erstkonsum (vor dem 16. Lebensjahr) besonders gefährdet seien. Gesundheitsschäden des illegalen Marktes würden existieren, würden aber im Vergleich zu den direkten Schäden durch Cannabis zu hoch bewertet.
Dabei könne die Reduzierung des illegalen Marktes durchaus ein wichtiges Mittel sein, um z.B. die Verfügbarkeit für Jugendliche und auch den Konsum verunreinigter Produkte einzuschränken, die Produktqualität über den legalen Markt zu sichern und den THC-Gehalt über Regulierung und Besteuerung zu begrenzen.
Letztlich sei der Ausbau der Suchthilfe und der medizinischen Versorgung unabdingbar aufgrund der steigenden Konsumzahlen die durch das Gesetz zu erwarten seien.