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11.12.2025

Keine Bandelei bei der Bewerberjagd im War for Talents: Kartellrecht lässt (teuer) grüßen

Was in den letzten Jahren vor allem U.S.-amerikanische Kartellbehörden in der IT- und Tech-Branche beschäftigt hat, ist nunmehr auch in der Europäischen Kommission angekommen: Mit Beschluss vom 02.06.2025 hat die Europäische Kommission erstmals Bußgelder in Höhe von 329 Mio. € für die Vereinbarung von Abwerbeverboten („no poach agreements“) im Bereich Online-Essenslieferdienste verhängt.

1. Was sind „no poach agreements”?

“No poach agreements” sind Vereinbarungen zwischen Unternehmen, die vertraglich, mündlich oder auch per Gentlemen’s Agreement getroffen werden, keine Mitarbeiter des anderen Unternehmens abzuwerben („no solicitation“) oder einzustellen („no hire“). Solche Vereinbarungen können losgelöst von oder auch in Zusammenhang mit kartellrechtlich kritischen Absprachen oder einem Informationsaustausch zu Gehältern, Vergütungs- oder Bonusbestandteilen sein („wage fixing agreements“). 

2. „No poach agreements“ kartellrechtlich unzulässig

Die Europäische Kommission hat bereits im Mai 2024 ein Grundsatzpapier zu Wettbewerbsbeschränkungen auf Arbeitsmärkten („Antitrust in Labour Markets“) veröffentlicht. Danach sollen Abwerbeverbote als bezwecke Wettbewerbsbeschränkung einzustufen sein, mit der Folge, dass die Auswirkungen auf den Wettbewerb nicht mehr nachgewiesen werden müssen. Sie sollen zudem in der Regel nicht als zulässige Nebenabreden gelten oder vom Kartellverbot freigestellt werden können. 

Abwerbeverbote werden für wettbewerblich kritisch erachtet, weil sie die beruflichen Wahlmöglichkeiten von Arbeitnehmern und den Wettbewerb um qualifizierte Arbeitskräfte beschränken und negative Auswirkungen auf Gehälter, Arbeitsbedingungen und Karrieremöglichkeiten haben. Arbeitgeber, die im Wettbewerb um qualifizierte Arbeitnehmer stehen, müssen so nicht mehr höhere Gehälter oder bessere Arbeitsbedingungen in Aussicht stellen, um Arbeitnehmer zum Wechsel zu bewegen, oder Gegenangebote mit höheren Gehältern machen, um diese im Unternehmen zu halten. Abwerbeverbote verhindern zudem die effiziente Zuweisung produktiver Arbeitnehmer an produktive Unternehmen, was gesamtwirtschaftlich als schädigend erachtet wird.

3. Das Kommissionsverfahren um die Essenslieferdienste Delivery Hero und Glovo

Delivery Hero hatte im Rahmen des Erwerbs einer Minderheitsbeteiligung an Glovo eine Vereinbarung abgeschlossen, die gegenseitige, zeitlich unbegrenzte und EWR-weite „no hire“-Klauseln für Mitarbeiter in Führungspositionen enthielten. Nachdem Glovo versuchte, Mitarbeiter von Delivery Hero abzuwerben, schlossen die Parteien eine weitere und umfassendere Vereinbarung über ein Abwerbeverbot. Diese erstreckte sich auf nahezu alle Mitarbeiter, hatte eine unbefristete Laufzeit und galt EWR-weit („no solicitation“). In Übereinstimmung mit den Ausführungen in ihrem Grundsatzpapier zu Wettbewerbsbeschränkungen auf Arbeitsmärkten entschied die Europäische Kommission, dass sowohl die „no hire“- als auch die „no solicitation“-Vereinbarungen als bezweckte Wettbewerbsbeschränkung und damit als schwerwiegender Kartellrechtsverstoß einzustufen sind. 

Im Rahmen der Bußgeldbemessung berücksichtigte die Europäische Kommission, dass neben den Abwerbeverboten weitere wettbewerbswidrige Verhaltensweisen praktiziert wurden – konkret ein Austausch von wettbewerblich sensiblen Geschäftsinformationen und eine räumliche Aufteilung von Märkten – und verhängte Bußgelder in Höhe von insgesamt 329 Mio. €.

4. Praxisempfehlungen

Unternehmen sollten darauf gefasst sein, dass Arbeitsmärkte und „Schutzmaßnahmen“ für Arbeitnehmer vor Angeboten konkurrierender Arbeitgeber im „War for Talents“ künftig stärker in den kartellbehördlichen Fokus rücken. Abwerbeverbote oder andere Maßnahmen, mit denen Gehälter oder Vergütungskomponenten zulasten von Arbeitnehmern abgestimmt werden, sind kartellrechtlich kritisch. Im Zweifel sollte Rechtsrat eingeholt werden. Gerne unterstützen wir Sie.

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