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2023

Aufrechnung im Insolvenzverfahren

In einem Urteil vom 08.12.2022 hat der Bundesgerichtshof über die insolvenzrechtliche Wirksamkeit einer Aufrechnung im Rahmen der Abwicklung eines Unternehmenskaufvertrags entschieden. Der Beklagte war Insolvenzverwalter über das Vermögen der W. GmbH. Das Unternehmen der W. GmbH hatte der Beklagte an die P. GmbH veräußert. In dem Unternehmenskaufvertrag war vereinbart worden, dass die P. GmbH die von dem veräußerten Unternehmen bis zum Übertragungsstichtag produzierten Waren für den Beklagten ausliefern sollte, wofür der P. GmbH (Käuferin) eine "Handling-Fee" in Höhe von 170.000,00 € zustand. Der Kaufpreis, der von der P. GmbH an den Beklagten zu bezahlen war, betrug 6,7 Mio. €. Die Handling-Fee entstand durch Auslieferung der Waren am 23.02.2016, zugleich wurde zwischen dem Beklagten und der P. GmbH vereinbart, dass auch der ursprünglich am 19.02.2016 fällige Kaufpreis in Höhe von 1 Mio. € am 23.02.2016 fällig sein sollte. In dieser Höhe wurde der Kaufpreis von der P. GmbH auch bezahlt, in Höhe der restlichen 5,7 Mio. € erfolgte keine Bezahlung mehr, da die P. GmbH ihrerseits Insolvenzantrag stellen musste. Gegen den Anspruch der P. GmbH bzw. von deren Insolvenzverwalter in Höhe von 170.000,00 € (Handling-Fee) erklärte der Beklagte die Aufrechnung. Der Insolvenzverwalter der P. GmbH hielt die Aufrechnung für unwirksam und klagte den Betrag ein. Der Bundesgerichtshof hat die Klage abgewiesen.

Gemäß § 96 Abs. 1 Nr. 3 InsO ist eine Aufrechnung unzulässig, wenn ein Insolvenzgläubiger die Möglichkeit der Aufrechnung durch eine anfechtbare Rechtshandlung erlangt hat. Die Möglichkeit der Aufrechnung wurde hier durch Abschluss des Unternehmenskaufvertrags und Entstehung der "Handling-Fee" durch Auslieferung der Waren herbeigeführt. Der Bundesgerichtshof betrachtet die Verknüpfung der ursprünglichen Gläubigerstellung mit einer eigenen schuldrechtlichen Verpflichtung als eine sichernde und die spätere Erfüllung der Forderung vorbereitende Rechtshandlung. Für die Frage, ob dieser Vorgang anfechtbar ist, komme es darauf an, ob der Aufrechnende einen Anspruch auf Abschluss der Vereinbarung hatte, welche die Aufrechnungslage entstehen ließ. Das Entstehen einer Aufrechnungsbefugnis setze dabei nicht voraus, dass dies ausdrücklich vereinbart werde. Es genüge vielmehr eine vor der tatsächlichen Herstellung der Aufrechnungslage vorgenommene Verknüpfung, die die Annahme einer Aufrechnungsbefugnis rechtfertigt. Nach der Entscheidung des Bundesgerichtshofs ist dies regelmäßig anzunehmen, wenn Haupt- und Gegenforderung aus einem einheitlichen Vertrag erwachsen sind. So war es in dem vorliegenden Fall. Das Berufungsgericht hatte dies dennoch nicht anerkannt, weil die Aufrechnungslage innerhalb des letzten Monats vor dem Insolvenzantrag entstanden war und in diesem Fall gemäß § 131 Abs. 1 Nr. 1 InsO die Rechtshandlung ohne jede weitere Voraussetzung anfechtbar ist. Der Bundesgerichtshof ist dem entgegengetreten, da die Herstellung einer Aufrechnungslage nicht allein aufgrund des Entstehungszeitpunkts als inkongruent angesehen werden könne. Die Befugnis zur Aufrechnung werde in der Insolvenzordnung eigenständig geschützt. Daher ist für die Aufrechnung die Annahme einer durch den Anfechtungstatbestand des § 131 InsO vermittelten Vorwirkung des Grundsatzes der Gläubigergleichbehandlungen nicht gerechtfertigt. Wenn in dem Vertrag, aus dem sich Aufrechnungslage und -befugnis ergeben, keine von den gesetzlichen Vorschriften abweichende Auf- oder Verrechenbarkeit vereinbart werde, könne dieser Vorgang nicht als inkongruent im Sinne von § 131 InsO angesehen werden. 

Für Fragen zu diesem Thema steht Ihnen unser Insolvenzrecht-Team gerne zur Verfügung.

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