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08.05.2024

Handel mit Cannabissamen und Stecklingen – Nur aus dem EU-Ausland?

Jüngst wurde in Norderstedt bei einem Start-up Unternehmen Cannabis Setzlinge beschlagnahmt und der Verkauf von Cannabis Samen und Setzlingen untersagt. Das Unternehmen verkaufte nach der Cannabis Legalisierung zum 1. April Samen und Stecklinge. Die Stadt Norderstedt ist der Auffassung, dass der Vertrieb von Cannabis Vermehrungsmaterial deutscher Unternehmen untersagt ist und nur Unternehmen aus dem EU-Ausland gestattet sei. Dieser Beitrag beschäftigt sich damit, ob nach Inkrafttreten des Gesetzes zum Umgang mit Konsumcannabis (Konsumcannabisgesetz – KCanG) der Vertrieb von Cannabis Vermehrungsmaterial in Deutschland gestattet ist und ob auch deutsche Unternehmen und Händler das Vermehrungsmaterial vertreiben dürfen.

Zur Bewertung der Frage ist es zunächst notwendig Cannabissamen und Cannabisstecklingen im Regelungszusammenhang des KCanG zu betrachten. Beides sind nach der Legaldefinition des § 1 Nr. 7 KCanG Vermehrungsmaterial. Cannabis ist nach § 1 Nr. 8 KCanG alle „Pflanzen, Blüten und sonstige Pflanzenteile sowie Harz der zur Gattung Cannabis gehörenden Pflanzen einschließlich den pflanzlichen Inhaltsstoffen nach Nummer 1 und Zubereitungen aller vorgenannten Stoffe mit Ausnahme von […] Vermehrungsmaterial […]“. Bei Vermehrungsmaterial handelt es sich damit nach der gesetzlichen Definition nicht um Cannabis.

Damit gelten die Verbote des § 2 Abs. 1 KCanG für Vermehrungsmaterial gerade nicht. Der Gesetzgeber hat in diesem Zusammenhang in § 4 Abs. 1 KCanG klarstellend geregelt, dass der Umgang mit Cannabissamen erlaubt ist. Einer solchen „Erlaubnis“ hätte es bereits aufgrund der Definition des Cannabisbegriffs nicht bedurft. Umso verwunderlicher ist es jedoch, weshalb der Gesetzgeber die Regelungen des § 4 Abs. 1 KCanG nach dem klaren Wortlaut nur auf Cannabissamen bezieht. Sind doch Cannabissamen und Cannabisstecklinge beide als Vermehrungsmaterial von den Verboten zum Umgang mit Cannabis ausgenommen. Bei Stecklingen bleibt es dabei: Stecklinge sind als Vermehrungsmaterial kein Cannabis und unterliegen damit auch keinen Verboten nach dem KCanG.

Unzweifelhaft ist es Cannabisanbauvereinigungen nach den Vorgaben des § 20 KCanG gestattet, Vermehrungsmaterial an seine Mitglieder abzugeben. Aus der Erlaubnis der Abgabe von Vermehrungsmaterial von Anbauvereinigungen an die Mitglieder kann jedoch ebenfalls kein Verbot für den freien Handel abgeleitet werden.

In dem eingangs erwähnten Fall des Start-up Unternehmens aus Norderstedt stellt sich nun jedoch die Frage, wie die Gemeinde darauf kam, dass es nur Unternehmen aus dem EU-Ausland gestattet sei, Vermehrungsmaterial zu vertreiben. Anhaltspunkte hierzu liefert § 4 Abs. 2 KCanG, der wie folgt lautet: „Abweichend von Absatz 1 ist die Einfuhr von Cannabissamen zum Zweck des privaten Eigenanbaus von Cannabis nach § 9 oder des gemeinschaftlichen Eigenanbaus von Cannabis in Anbauvereinigungen nach Kapitel 4 nur aus Mitgliedstaaten der Europäischen Union erlaubt.“ Hier wird, abweichend von Abs.1, der generell den Umgang mit Cannabissamen gestattet, geregelt, dass die Einfuhr von Cannabissamen nur aus EU-Mitgliedsstaaten gestattet ist. Diese Regelung hat alleine den Hintergrund, die Einfuhr von Cannabissamen aus Drittstaaten, die keine EU-Mitgliedsstaaten sind, zu verhindern. Diese Regelung führt aber nicht dazu, dass inländische Unternehmen nicht Cannabissamen oder, so zumindest unsere Auffassung, Stecklinge abgeben dürfen.

Es bleibt daher abzuwarten, ob und wie sich die Gemeinde Norderstedt zu den Maßnahmen äußern wird und ob sie sie vielleicht sogar Rückgängig macht. Festzuhalten bleibt allerdings, dass nach unserer Einschätzung der Vertrieb von Cannabissamen und Cannabisstecklingen nicht verboten ist, insbesondere nicht allen in Deutschland ansässigen Unternehmen. Das Verfahren hat eine gewisse Breitenwirkung und es ist verständlich, dass der Händler nicht nur juristisch gegen die Beschlagnahme vorgeht, sondern zusätzlich eine Informationskampagne – Free the Trees – gestartet hat. Wer den Händler unterstützen will, kann dies über die URL www.bigger-trees.de/free-the-trees/ tun. Wir werden den Vorgang aufmerksam beobachten und weiter berichten.

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