HomeWissenVeröffentlichungenLos- statt Gesamtvergabe!
12.12.2024

Los- statt Gesamtvergabe!

Nach § 97 Abs. 4 GWB hat der öffentliche Auftraggeber bei der Beschaffung von Leistungen mittelständische Interessen zu berücksichtigen, indem er Teil- und Fachlose bildet. Dadurch soll es mittelständischen Unternehmen erleichtert werden, sich um Aufträge der öffentlichen Hand zu bemühen. Eine Gesamtvergabe, also insbesondere die Zusammenfassung mehrerer Fachlose in einem Auftrag, ist nach § 97 Abs. 4 GWB nur zulässig, wenn wirtschaftliche oder technische Gründe dies erfordern. Mit Beschluss vom 21.08.2024 hat das Oberlandesgericht Düsseldorf die Gesamtvergabe einer Erneuerung von ca. 90.000 m² Asphaltfahrbahn, der Erneuerung von 14.000 m Fahrbahnrückhaltesystem, der Verkehrsführung über eine Baustellenlänge von 7,8 km während der Baumaßnahme sowie die Herstellung von ca. 21.000 m Weißmarkierung für unzulässig erklärt.

Der Auftraggeber hatte die Gesamtvergabe der Autobahnsanierung damit gerechtfertigt, dass nur sie eine zeitlich überlappende Ausführung der verschiedenen Leistungen ermögliche. Denn ein Generalunternehmer könne besser auf die mit den Fachlosen beauftragten Nachunternehmer einwirken und diesen Vorgaben zur parallelen Leistungsausführung machen, als dies dem öffentlichen Auftraggeber bei der Einzelvergabe möglich sei. Durch die Gesamtvergabe an einen Generalunternehmer werde daher eine Verkürzung der Bauzeit erzielt. So könne die Zeit mit Verkehrsbehinderungen reduziert und eine erhöhte CO2-Belastung durch Staus verringert werden. Auch die Arbeitssicherheit werden durch die enge Abstimmung der Verkehrssicherung mit den übrigen Gewerken durch einen Generalunternehmer erhöht. Dieser Argumentation ist das Oberlandesgericht Düsseldorf nicht gefolgt und hat vielmehr betont, dass eine Gesamtvergabe nur ausnahmsweise in Betracht komme, der gesetzliche Regelfall der losweisen Vergabe also grundsätzlich Vorrang habe. Eine Gesamtvergabe sei nur dann zulässig, wenn wirtschaftliche oder technische Gründe unter umfassender Abwägung der widerstreitenden Belange das Gebot der Fachlosvergabe überwiegen.

Technische Gründe für eine Gesamtvergabe liegen nach Ansicht des Oberlandesgerichts Düsseldorf etwa vor, wenn für ein Bauwerk spezifische Bauteile oder eine besondere Abstimmung der Errichtungsschritte aufeinander erforderlich sind, die bereits während des Erstellungsprozesses besondere Maßnahmen aus einer Hand erfordern. Der Argumentation des öffentlichen Auftraggebers, durch die Gesamtvergabe werde die Gefahrenlage in Bezug auf die Verkehrs- und Arbeitssicherheit verringert, da die Ausführung der erforderlichen Leistungen fachlich und technisch überdurchschnittlich komplex seien und miteinander verknüpften baubetrieblichen Prozessen unterliegen, ist das Gericht nicht gefolgt. Denn es sei bereits dem Grunde nach nicht nachvollziehbar, warum bei dem konkreten Bauvorhaben deutlich höhere Anforderungen an die baubetrieblichen Prozesse in fachlicher und technischer Hinsicht gestellt würden. Auch wirtschaftliche Gründe hat das Oberlandesgericht Düsseldorf nicht erkannt. Solche Gründe können nur dann eine Gesamtvergabe begründen, wenn die Aufteilung in Lose mit wirtschaftlich nachteiligen Folgen verbunden ist, die über das übliche, in Kauf zu nehmende Maß hinausgehen. Der durch die Einzelvergabe entstehende Koordinierungsaufwand und die Einbindung zusätzlicher personeller Ressourcen beim öffentlichen Auftraggeber müssten grundsätzlich ebenso in Kauf genommen werden wie der mit einer Losvergabe allgemein verbundene Ausschreibungs-, Prüfung- und Koordinierungsmehraufwand oder die Entstehung von Gewährleistungsschnittstellen.

Der Beschluss des Oberlandesgerichts Düsseldorf hebt noch einmal die besondere Bedeutung der Teil- und Fachlosvergabe hervor. Eine Gesamtvergabe ist nur in Ausnahmefällen zulässig, die stets mit wirtschaftlichen oder technischen Gründen belegt werden müssen. Solche Gründe müssen nicht nur vorliegen, sondern das Interesse mittelständischer Unternehmen an der Losvergabe überwiegen. Dies gilt nicht nur im Autobahnbau, sondern bei jeder Vergabe, also bei jeder Generalunternehmer- oder Generalplaner-Vergabe.

KONTAKT

Dr. Lars Knickenberg Partner
Rechtsanwalt
Fachanwalt für Bau- und Architektenrecht
Fachanwalt für Vergaberecht

Partner; Rechtsanwalt; Fachanwalt für Bau- und Architektenrecht; Fachanwalt für Vergaberecht

Rechtsgebiete

WEITERE VERÖFFENTLICHUNGEN

linkedin facebook pinterest youtube rss twitter instagram facebook-blank rss-blank linkedin-blank pinterest youtube twitter instagram