HomeWissenVeröffentlichungenSteueroptimierung ≠ Steuerhinterziehung – Vertrag ist wirksam!
03.06.2025

Steueroptimierung ≠ Steuerhinterziehung – Vertrag ist wirksam!

Das Oberlandesgericht Stuttgart hat mit Urteil vom 30.04.2025 entschieden, dass Bauverträge nicht wegen eines Verstoßes gegen steuerliche Pflichten unwirksam sind, wenn die vereinbarten Preise zu einer steuerlichen Optimierung führen. In dem vom Oberlandesgericht Stuttgart entschiedenen Fall hatte der Unternehmer dem späteren Auftraggeber ein Angebot für die Errichtung einer gewerblich genutzten Lagerhalle in Höhe von rund netto 490.000,00 € unterbreitet. Parallel unterbreitete der Unternehmer ein Angebot für die Errichtung eines privat genutzten Schwimmbeckens über ca. netto 106.000,00 €. Nach einer Besprechung erhöhte der Unternehmer die Angebotssumme für die Lagerhalle um rund 50.000,00 € auf netto 540.000,00 €. Parallel reduzierte er den Angebotspreis für das Schwimmbecken auf etwa 47.000,00 €. Diese Angebote wurden vom Auftraggeber beauftragt. 

Nach Fertigstellung der Lagerhalle und der teilweisen Ausführung von Arbeiten am Schwimmbecken kam es zum „Bruch“ zwischen den Vertragsparteien. Hierauf rechnete der Unternehmer die Lagerhalle zum vereinbarten Preis von netto 540.000,00 € ab und klagte schließlich die offene Werklohnforderung ein. Der Auftraggeber meinte, dem Unternehmer stünde allenfalls eine um 50.000,00 € reduzierte Werklohnforderung auf Basis des ersten Angebots für die Lagerhalle zu. Allerdings stehe dem Unternehmer gar keine weitere Werklohnforderung zu, da der Vertrag insgesamt nichtig sei. Denn in der Erhöhung des Preises für die Lagerhalle und der Reduzierung des Preises für das Schwimmbecken liege ein Verstoß gegen § 1 Abs. 2 Nr. 2 SchwarzArbG, da der Unternehmer seinen steuerlichen Pflichten nicht nachkomme. In Höhe der „verschobenen“ 50.000,00 €, die die Lagerhalle günstiger und das Schwimmbecken teurer wurde, stelle der Unternehmer die Rechnung gemäß § 13b UStG ohne Umsatzsteuer aus, die vom Auftraggeber abzuführen sei. Dem Auftraggeber stehe wegen der Kosten für die Lagerhalle die Möglichkeit zu, die Herstellungskosten in den Folgejahren im Rahmen der Einkünfte für Vermietung und Verpachtung in Abzug zu bringen und auf diese Weise sein zu versteuerndes Einkommen zu verringern. Damit liege im Ergebnis ein Verstoß gegen § 1 Abs. 2 Nr. 2 SchwarzArbG vor, der zur Nichtigkeit des Bauvertrags führe. Sei der Vertrag nichtig, stehe dem Unternehmer keine Werklohnforderung zu. 

Dieser Argumentation hatte sich das Landgericht in erster Instanz angeschlossen, nicht aber das Oberlandesgericht Stuttgart in der Berufung: Nach Auffassung des Oberlandesgerichts Stuttgart sind die Verträge über Lagerhalle und Schwimmbecken wirksam. Denn die Vertragsparteien hätten sich auf die Preise aus den zweiten Angeboten geeinigt. Diese Einigung sei ernst gemeint gewesen, der Auftraggeber müsse sich deshalb an dem vereinbarten höheren Preis für die Lagerhalle festhalten lassen. Auch wenn mit der Erhöhung des Preises für die Lagerhalle und der Reduzierung für das Schwimmbecken eine steuerliche Optimierung verbunden sei, führe dies selbst dann nicht zu einem Verstoß gegen § 1 Abs. 2 Nr. 2 SchwarzArbG, wenn die Preise aus den zweiten Angeboten nicht den realen Wertverhältnissen entsprechen würden. In diesem Fall liege unter Umständen ein Missbrauch von rechtlichen Gestaltungsmöglichkeiten im Sinne von § 42 AO vor. Nach dieser Vorschrift erfolgt die Besteuerung nicht auf Basis eines rechtsmissbräuchlich gestalteten Vertrags, sondern so, wie sie bei einer angemessenen rechtlichen Gestaltung des Vertrags anfallen würde. Da eine Besteuerung nach § 42 AO stets einen wirksamen Vertrag voraussetze, könne die missbräuchliche Gestaltung von Verträgen nicht zu deren zivilrechtlicher Unwirksamkeit führen. Sonst bliebe für § 42 AO kein Anwendungsfall übrig. Die Verträge über die Lagerhalle zum erhöhten und zum Schwimmbecken zum reduzierten Preis hat das Oberlandesgericht Stuttgart daher als zivilrechtlich wirksam angesehen, so dass dem Unternehmer Werklohnansprüche zu den jeweils vereinbarten Preisen zustehen. 

Die Grenze zwischen einer steuerlichen Optimierung, die die Wirksamkeit des Bauvertrags unberührt lässt, und einer Steuerhinterziehung, die zur Unwirksamkeit des Vertrags führt, ist fließend. Erkennt das Gericht im Rahmen eines Werklohn- oder aber Mängelprozesses eine Steuerhinterziehung im Sinne des § 1 Abs. 2 Nr. 2 SchwarzArbG, führt dies zur Nichtigkeit des Vertrags wegen eines Verstoßes gegen ein gesetzliches Verbot. Aufgrund der Nichtigkeit gehen sowohl Werklohnforderungen als auch Mängelansprüche verloren (vgl. zuletzt etwa Oberlandesgericht Saarbrücken, Urteil vom 10.11.2021 im Newsletter zum IV. Quartal 2022 zu einer „Ohne Rechnung-Abrede“). 

 

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