Mit Urteil vom 05.04.2023 hat das Oberlandesgericht Karlsruhe die außerordentliche Kündigung eines Generalunternehmervertrags durch den Bauherrn und damit – jedenfalls dem Grunde nach –Schadenersatzansprüche des Bauherrn bestätigt. Der Generalunternehmer hatte die Arbeiten wegen angeblich ausstehender Zahlungen auf Abschlagsrechnungen und Nachtragsforderungen eingestellt, obwohl der Vertrag eine solche Arbeitseinstellung ausdrücklich untersagte. Am 03.04.2017 forderte der Bauherr den Unternehmer unter Androhung einer Kündigung auf, die Arbeiten bis zum 05.04.2017, 12.00 Uhr, wiederaufzunehmen. Auf das Angebot des Unternehmers zu einer Besprechung am 05.04.2017, 16.00 Uhr, stellte der Bauherr klar, dass die zur Arbeitsaufnahme gestellte Frist bestehen bleibe und das Gespräch um 16.00 Uhr keinen aufschiebenden Charakter habe. Nachdem der Unternehmer die Arbeiten am 05.04.2017 nicht bis 12.00 Uhr wiederaufgenommen hatte, erklärte der Bauherr um 12.25 Uhr die Kündigung des Vertrags aus wichtigem Grund.
Zu Recht, wie das Oberlandesgericht Karlsruhe entschieden hat. Dabei hat das Gericht zum einen festgestellt, dass die vom Unternehmer angemahnten Abschlagsrechnungen nicht zur Zahlung fällig waren, da der für die Abschlagsrechnungen geforderte Leistungsstand nicht erreicht war. Ob die Nachtragsforderungen berechtigt waren, ließ das Gericht offen. Denn da der Vertrag bei Streitigkeiten über Nachtragsforderungen ausdrücklich die Einleitung eines Schiedsgutachterverfahrens vorsah und es dem Unternehmer untersagte, die Arbeiten einzustellen, habe der Unternehmer durch die trotzdem vorgenommene Einstellung der Arbeiten gegen den Vertrag verstoßen. Hierin sah das Oberlandesgericht Karlsruhe einen wichtigen Grund für den Bauherrn, das Vertragsverhältnis außerordentlich zu kündigen.
Das vertragliche Verbot, die Arbeiten bei offenen Nachtragsforderungen einzustellen, wäre in vom Bauherrn gestellten Allgemeinen Geschäftsbedingungen unwirksam. In dem vom Oberlandesgericht Karlsruhe entschiedenen Fall handelte es sich bei der Regelung jedoch um eine (wirksame) Individualvereinbarung, so dass der Unternehmer nicht berechtigt war, die Arbeiten einzustellen. Dass der Bauherr die Kündigung bereits 25 Minuten nach Ablauf der gesetzten Frist und wenige Stunden vor dem angesetzten Klärungsgespräch kündigte, hielt das Oberlandesgericht Karlsruhe für unproblematisch. Denn es bestehe keine Pflicht des Bauherrn, sich auf Gespräche einzulassen. Diese Auffassung ist angesichts der vom Bundesgerichtshof regelmäßig betonten Kooperationspflicht der am Bau Beteiligten allerdings kritisch. Jedoch hatte der Bauherr im Vorfeld klargestellt, dass der auf 16.00 Uhr angesetzte Termin nichts an der auf 12.00 Uhr gesetzten Frist ändern solle. Daher durfte sich der Unternehmer nicht darauf verlassen, zunächst das Gespräch abwarten zu dürfen, bevor der Bauherr Konsequenzen aus der Arbeitseinstellung ziehen würde.
Die Entscheidung zeigt, dass es für den Auftragnehmer mit erheblichen Risiken verbunden ist, wegen streitiger Nachtragsforderungen die Arbeiten einzustellen. Selbst wenn der Bauvertrag die Einstellung der Arbeiten nicht (wirksam) verbietet, kann die Arbeitseinstellung nur dann zulässig sein, wenn die Nachtragsforderung berechtigt ist. Hierüber bestand in dem vom Oberlandesgericht Karlsruhe entschiedenen Fall Streit. Da das Bestehen und die Höhe von Nachtragsforderungen häufig streitig sind und regelmäßig unterschiedlich beurteilt werden können, kann eine sich als unberechtigt herausstellende Arbeitseinstellung für den Unternehmer gefährlich werden. Im konkreten Fall hat der Bauherr mehrere Millionen Euro Schadenersatz gefordert. Mit seiner Entscheidung hat das Oberlandesgericht Karlsruhe dem Bauherrn die Grundlage für seinen Anspruch geschaffen. Über die Höhe muss das Landgericht entscheiden.