HomeWissenVeröffentlichungenVergütung nach freier Kündigung unterliegt der Umsatzsteuer!
20.03.2025

Vergütung nach freier Kündigung unterliegt der Umsatzsteuer!

Nach einer sogenannten freien, nicht vom Unternehmer veranlassten Kündigung eines Werkvertrags durch den Auftraggeber, ist der Unternehmer berechtigt, auch für die kündigungsbedingt nicht ausgeführte Leistung die vereinbarte Vergütung abzurechnen. Nach § 648 Satz 2 BGB muss er sich nur anrechnen lassen, was er infolge der Kündigung an Aufwendungen erspart oder durch die anderweitige Verwendung seiner Arbeitskraft erwirbt. Sowohl der Bundesgerichtshof als auch der Bundesfinanzhof haben entschieden, dass es sich bei der Vergütung, die der Unternehmer nach Kündigung oder Auflösung des Werkvertrags erhält, ohne dafür eine Gegenleistung zu erbringen, um kein Entgelt im Sinne des Umsatzsteuerrechts handelt. Dies hat der EuGH in einem Urteil vom 28.11.2024 abweichend beurteilt:

Auf ein Vorabentscheidungsersuchen des Obersten Gerichtshofs Österreichs hat der EuGH die Europäische Mehrwertsteuersystemrichtlinie dahingehend ausgelegt, dass auch die nach einer freien Auftraggeberkündigung zu zahlende Vergütung der Umsatzsteuer unterliegt. In dem dem Ersuchen zugrundeliegenden Fall hatte der Auftraggeber den Unternehmer mit dem Bau eines Immobilienprojekts beauftragt. Nach Beginn der Arbeiten beendete der Bauherr den Vertrag aus nicht vom Unternehmer zu vertretenden Gründen. Dieser rechnete die kündigungsbedingt nicht erbrachten Leistungen aufgrund von § 1168 des Allgemeinen Bürgerlichen Gesetzbuches (Österreich) ab, der dem deutschen § 648 Satz 2 BGB entspricht. Dabei forderte der Unternehmer nicht nur die Nettovergütung, sondern setzte auch die Umsatzsteuer an. Auf Vorlage entschied der EuGH, dass die Abrechnung der Umsatzsteuer zu Recht erfolgt sei. Voraussetzung für die Umsatzsteuerpflicht sei der Austausch gegenseitiger Leistungen, wobei die vom Unternehmer empfangene Vergütung den tatsächlichen Gegenwert für eine dem Auftraggeber erbrachte bestimmte Dienstleistung bilde. Zwischen Dienstleistung und Gegenwert müsse ein unmittelbarer Zusammenhang bestehen. Der Gegenwert für den zu entrichtenden Preis sieht der EuGH in dem Recht des Auftraggebers, in den Genuss der Erfüllung des geschlossenen Vertrags zu kommen, und zwar unabhängig davon, ob er dieses Recht auch wahrnimmt.

Nach dieser Entscheidung des EuGH dürfte die deutsche Rechtspraxis nicht aufrechtzuerhalten sein. Zunächst muss abgewartet werden, ob sich die Finanzverwaltung der Sichtweise des EuGH anschließt und Übergangsregelungen für „Altfälle“ schafft, in denen die Abrechnung gekündigter Verträge auf Grundlage der bisherigen Rechtspraxis erfolgt ist.

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