Der Schutz der Rechte behinderter Menschen ist der Rechtsordnung ein besonderes Anliegen.Bereits das Grundgesetz verbietet die Benachteiligung aufgrund einer Behinderung. Dieser Grundsatz wird im Arbeitsrecht durch verschiedene Regelungen zur Sicherstellung der Inklusion behinderter Menschen im Arbeitsleben konkretisiert.
Der Beitrag gibt einen Überblick über die wesentlichen Regelungen zur Inklusion schwerbehinderter Menschen am Arbeitsplatz und soll dazu beitragen, ein störungsfreies und inklusives Zusammenarbeiten im Arbeitsalltag zu gewährleisten.
Die Beschäftigungspflicht
Die Einstellung schwerbehinderter oder ihnen gleichgestellter Arbeitnehmender ist je nach Betriebsgröße gesetzlich verpflichtend. Als schwerbehindert gilt, wer mindestens einen Grad der Behinderung (GdB) von 50 aufweist. Eine Gleichstellung ist möglich, wenn Personen einen GdB von 30 oder 40 aufweisen und die Agentur für Arbeit auf Antrag der Person die Gleichstellung anerkennt.
Arbeitgeber, gleich ob private oder öffentliche, mit jahresdurchschnittlich monatlich mindestens 20 Arbeitsplätzen haben auf wenigstens fünf Prozent der Arbeitsplätze Schwerbehinderte zu beschäftigen, wobei bei kleineren Betrieben mit einer Beschäftigtenanzahl bis 60 Mitarbeitenden eine geringere Anzahl vorgesehen ist. Wird diese Quote nicht erfüllt, ist eine Ausgleichsabgabe zu leisten, deren Höhe sich nach der Anzahl der unbesetzten Pflichtarbeitsplätze richtet. Mit gesetzlicher Neuregelung vom Juni verdeutlicht der Gesetzgeber die Ernsthaftigkeit der Beschäftigungspflicht. So gelten ab dem 1. Januar 2024 höhere Ausgleichsabgaben, sofern der Beschäftigungspflicht nicht nachgekommen wird, deren Höhe je nach Beschäftigtenanzahl bis zu 720 Euro monatlich pro nicht besetztem Pflichtarbeitsplatz betragen kann.
Einstellung behinderter Mitarbeitender
Arbeitgeber sind verpflichtet, für Schwerbehinderte geeignete Stellenangebote frühzeitig vor Veröffentlichung der Arbeitsagentur zu melden, die geeignete schwerbehinderte Bewerber vorschlagen kann. Bei Bewerbungen mit Hinweis auf die Schwerbehinderung oder Vermittlungsvorschlägen der Arbeitsagentur ist unmittelbar nach deren Eingang die Schwerbehindertenvertretung und der Betriebs-/Personalrat – sofern vorhanden – zu unterrichten. Beabsichtigt der Arbeitgeber, seine Beschäftigungspflicht nicht zu erfüllen, hat er die Entscheidung bei fehlendem Einverständnis der Interessenvertretungen unter Darlegung der Gründe mit diesen zu erörtern und den Schwerbehinderten anzuhören. Die letztendliche Entscheidung ist den Beteiligten, inklusive des Schwerbehinderten, mitzuteilen. Bei Missachtung dieser Pflichten drohen neben Bußgeldern im Einzelfall auch Entschädigungs- und Schadensersatzansprüche des Schwerbehinderten nach dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz (AGG) aufgrund einer Benachteiligung wegen seiner Behinderung. Unter Beachtung dieses Risikos ist der Arbeitgeber bei der Stellenbesetzung dennoch frei. Eine Bevorzugung Schwerbehinderter ist selbst bei einer Beschäftigungspflicht nicht zwingend, da dies über die Ausgleichsabgabe kompensiert werden kann.
Auch im Rahmen des Bewerbungsgesprächs spielt der Schwerbehindertenschutz eine zentrale Rolle. Möchte der Arbeitgeber nach einer Schwerbehinderung fragen, ist dieses Interesse zwar nachvollziehbar, gleichwohl wird mit Blick auf das AGG in der Frage regelmäßig eine unzulässige Diskriminierung wegen der Behinderung liegen. Um zulässigerweise Auskunft darüber zu erhalten, ob der Gesundheitszustand des Bewerbers der ordnungsgemäßen Erfüllung der Tätigkeit entgegensteht, bieten sich tätigkeitsbezogene Fragen an. Im laufenden Arbeitsverhältnis ist die Frage nach einer Schwerbehinderung nach Ansicht des Bundesarbeitsgerichts zumindest nach sechs Monaten Beschäftigung zulässig, um dem Arbeitgeber die Einhaltung der rechtlichen Pflichten zu ermöglichen, da dann der besondere Kündigungsschutz aufgrund der Schwerbehinderung greift.
Besonderheiten im laufenden Arbeitsverhältnis
Während des Arbeitsverhältnisses haben Schwerbehinderte einen Anspruch auf behindertengerechte Beschäftigung. Dies erfordert etwa eine barrierefreie Gestaltung des Arbeitsumfelds und die Ausstattung der Arbeitsplätze mit individuell benötigten technischen Hilfsmitteln unter Berücksichtigung der besonderen Bedürfnisse des jeweiligen Mitarbeiters. Die vom Arbeitgeber vorzunehmenden Maßnahmen finden ihre Grenze in der Zumutbarkeit. Dies ist einzelfallabhängig zu beurteilen und hängt mitunter von der Betriebsgröße ab. Zudem ist der Arbeitgeber verpflichtet, den Schwerbehinderten so einzusetzen, dass er seine Fähigkeiten möglichst voll verwerten und weiterentwickeln kann. Bei inner- wie außerbetrieblichen Fort- und Weiterbildungen hat der Arbeitgeber Schwerbehinderte bevorzugt zu berücksichtigen beziehungsweise ihnen den Zugang zu erleichtern. Ferner besteht ein zusätzlicher Urlaubsanspruch über fünf Arbeitstagen bei einer 5-Tage-Woche beziehungsweise entsprechend mehr oder weniger, je nach Anzahl der geschuldeten Arbeitstage. Bei Überstunden ist zu beachten, dass Schwerbehinderte auf eigenes Verlangen von der Mehrarbeit freigestellt werden können.
Spezielle Organe im Betrieb
In Betrieben mit wenigstens fünf nicht nur vorübergehend beschäftigten Schwerbehinderten ist eine Schwerbehindertenvertretung, bestehend aus einer seit mindestens sechs Monaten im Betrieb beschäftigten, volljährigen Person, von den beschäftigten Schwerbehinderten zu wählen. Sie fördert die Eingliederung Schwerbehinderter, indem sie etwa bei der Stellung von Anträgen unterstützt oder bei längerer krankheitsbedingter Abwesenheit im Rahmen eines betrieblichen Eingliederungsmanagements an einer leidensgerechten Wiedereingliederung mitwirkt.
Unabhängig von der Beschäftigtenanzahl und Bestehen einer Schwerbehindertenvertretung im Betrieb ist seitens des Arbeitgebers ein Inklusionsbeauftragter zu bestellen, der diesen in allen Angelegenheiten schwerbehinderter Menschen vertritt. Bei diesem sollte es sich selbst um einen Schwerbehinderten handeln, der die Wahrung des Schwerbehindertenschutzes sichert.
Die Beendigung des Arbeitsverhältnisses
Möchte der Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis beenden, greift der Sonderkündigungsschutz für Schwerbehinderte, sofern das Arbeitsverhältnis länger als sechs Monate besteht. Die Kündigung bedarf dann der Zustimmung des Integrationsamts. Auf Antrag prüft dieses, ob die Kündigung unzulässigerweise auf der Behinderung beruht. Erst mit erteilter Zustimmung darf die Kündigung ausgesprochen werden. Bei ordentlicher Kündigung ist die gesetzliche Mindestkündigungsfrist von vier Wochen zu beachten, sofern tarif- oder einzelvertraglich keine längere Kündigungsfrist vereinbart ist.
Wie gesehen, gilt es, bei der Inklusion schwerbehinderter Arbeitnehmenden eine Vielzahl an (Schutz-)Vorschriften zu beachten. Daher ist es unerlässlich, sich hier im Vorfeld einen Überblick zu verschaffen und sich im Einzelfall – wenn erforderlich – beraten zu lassen, damit eine gelungene Inklusion von Schwerbehinderten erreicht wird; dies führt zu einer deutlichen Bereicherung und Diversität im Unternehmen.
Erschienen in DIE NEWS, Fachzeitschrift für Familienunternehmen, Oktober 2023.