HomeWissenVeröffentlichungenBeweisrechtliche Bedeutung der Behandlungsdokumentation bei dokumentiertem Eigeninteresse eines Arztes an der Vermeidung oder Verringerung der eigenen Haftung
25.06.2024

Beweisrechtliche Bedeutung der Behandlungsdokumentation bei dokumentiertem Eigeninteresse eines Arztes an der Vermeidung oder Verringerung der eigenen Haftung

Verletzt der Arzt seine Dokumentationspflicht, etwa indem er Umstände, die für die Diagnose und Therapie nach dem medizinischen Standard wesentlich und deren Aufzeichnung und Aufbewahrung für die weitere Behandlung des Patienten medizinisch erforderlich sind, nicht dokumentiert, wird gemäß § 630h Abs. 3 BGB vermutet, dass der Behandelnde diese medizinisch gebotene wesentliche Maßnahme auch nicht getroffen hat. Diese gesetzliche Vermutung führt zu einer Umkehr der objektiven Beweislast mit der Folge, dass der Arzt die Vermutungswirkung nur durch den Beweis des Gegenteils zu widerlegen vermag. Das heißt, er muss zur vollen Überzeugung des Gerichts beweisen, dass er die nicht dokumentierte Maßnahme dennoch durchgeführt hat.

Wie in dem umgekehrten Fall zu verfahren ist, wenn die Durchführung einer medizinischen Maßnahme dokumentiert wurde, ihre Durchführung vom Gegner aber bestritten wird, hat nun der Bundesgerichtshof in einem Urteil vom 05.12.2023 entschieden. Im konkreten Fall hatte eine Beleghebamme Umstände in der Patientenakte festgehalten, die sich zu Lasten des in Anspruch genommenen Mitbehandlers ausgewirkt haben. Konkret hatte die Beleghebamme, die mit der Betreuung einer Geburt betraut war dokumentiert, dass um 19:10 Uhr dem Mitbehandler ein CTG gezeigt wurde. Im konkreten Fall konnte sich das Gericht jedoch nicht davon überzeugen, dass der Mitbehandler das CTG tatsächlich um 19:10 Uhr gesehen hatte. Das einzige Indiz, das für seine Anwesenheit zu diesem Zeitpunkt im Kreissaal sprach, war die auf ihre eigene schriftliche Dokumentation gestützte Darstellung der Beleghebamme. Nach Ansicht des Bundesgerichtshofs muss der Beweisgegner in solch einem Fall nicht die inhaltliche Richtigkeit der Dokumentation widerlegen. Ihm obliege nicht der Beweis des Gegenteils. Vielmehr genüge es, wenn er Umstände dartut, die bleibende Zweifel daran begründen, dass das Dokumentierte der Wahrheit entspricht, das Beweisergebnis müsse also keine richterliche Überzeugung rechtfertigen. So verhalte es sich insbesondere dann, wenn der Beweisgegner Umstände aufzeigt, die den Indizwert der Dokumentation in Frage stellen. An diesem erforderlichen Indizwert der Dokumentation fehlt es nach Ansicht des Bundesgerichtshofs dann, wenn der Dokumentierende – in diesem Fall die Beleghebamme – Umstände in der Patientenakte festhalte, die sich zu Lasten des im konkreten Fall in Anspruch genommenen Mitbehandlers (Beweisgegners) auswirken, und nicht ausgeschlossen werden kann, dass dies aus eigenem Interesse an einer Vermeidung oder Verringerung der eigenen Haftung erfolgt ist.

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