HomeWissenVeröffentlichungenBier und Fernseher: Es bleibt spannend bei der Preisbindung der zweiten Hand
26.09.2023

Bier und Fernseher: Es bleibt spannend bei der Preisbindung der zweiten Hand


Hersteller dürfen Händlern weder Mindest- noch Festpreise vorgeben. Das dürfen sie weder ausdrücklich im Vertrag noch durch eine sonstige Einflussnahme. Zwar dürfen Weiterverkaufspreise unverbindlich empfohlen werden. Wird jedoch zu intensiv nachgefasst oder gar mit Konsequenzen gedroht, überschreitet ein Hersteller schnell die Grenze zum Kartellverstoß. Mit den sich stellenden praktischen Fragen befassen sich zwei aktuelle Entscheidungen.

Zum einen hat sich der Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) anlässlich eines Verfahrens betreffend das portugiesische Bier Super Bock geäußert. Einerseits stellte er klar, dass die Behörde auch bei schwerwiegenden Beschränkungen, die Kernbeschränkungen im Sinne der Vertikal-GVO sind, eine bezweckte Wettbewerbsbeschränkung im Einzelfall feststellen muss. Für Unternehmen ergeben sich dadurch Verteidigungsmöglichkeiten.

Andererseits sah der EuGH es als möglich an, dass eine kartellrechtswidrige Koordinierung zwischen Hersteller und Händler auch in Fällen angenommen wird, in denen zunächst nur eine einseitige Vorgabe des Herstellers vorlag. Dies gilt selbst dann, wenn die Händler sich über die Vorgaben des Herstellers beschweren. Halten sich die Händler dennoch an die verlangten Preisvorgaben, dann ist es laut EuGH möglich, darin eine Zustimmung der Händler zur Preiskoordinierung zu sehen.

Für Kartellrechts-Compliance in der Lieferkette bedeutet dies, dass die Kommunikation zwischen Herstellern und Händlern zu Weiterverkaufspreisen weiterhin erhebliche kartellrechtliche Risiken birgt. Kartellbehörden können eine Preisbindung der zweiten Hand auch dann nachweisen, wenn es an einer ausdrücklichen Zustimmung des Händlers fehlt.

Das zeigt auch eine Entscheidung der niederländischen Kartellbehörde vom 11. Juli 2023. Darin hat sie das Urteil des EuGH bereits aufgegriffen. Gegenstand des Verfahrens waren Vorwürfe gegen den Elektrogerätehersteller LG. Die Behörde hat bei dessen Mitarbeitern umfangreiche Korrespondenz mit Händlern entdeckt. Darunter waren insbesondere „tausende“ Chatnachrichten und E-Mails zwischen Vertriebsmitarbeitern von LG und Abnehmern, in denen LG Einfluss auf Weiterverkaufspreise genommen hat. Die Kartellbehörde hat ein Bußgeld in Höhe von 8 Mio. € verhängt.

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