BAG, Urteil vom 6.6.2023 – 9 AZR 383/19
Gegenstand des Urteils war die Frage, ob die gleichzeitige Tätigkeit als Datenschutzbeauftragter und Betriebsratsvorsitzender zu einer Unzuverlässigkeit des Datenschutzbeauftragten wegen schädlicher Interessenkollision führt. Das BAG hat diese Frage im Anschluss an eine Vorabentscheidung des EuGH und abweichend von seiner früheren Rechtsprechung bejaht. Das BAG verneint die funktionsabhängige Unabhängigkeit, weil der Betriebsratsvorsitzende aufgrund der gesetzlichen Rechte des Betriebsrats einen gestaltenden Einfluss auf die Datenverarbeitung im Unternehmen ausüben kann, so dass ein Interessenkonflikt und eine Selbstkontrolle des Datenschutzbeauftragten gegeben sei.
Bewertung: Diese bemerkenswerte Rechtsprechungsänderung hat Auswirkungen, die über die Konstellation der Personalunion zwischen Datenschutzbeauftragtem und Betriebsratsvorsitzendem hinausreichen können. Denn im Hinblick auf das aus Sicht des BAG kritischen Kriterium der Selbstkontrolle des Datenschutzbeauftragten stehen unabhängig von einer gleichzeitigen Funktion als Betriebsratsvorsitzender eine Reihe in der Unternehmenspraxis gängiger Kombinationsmodelle der Datenschutzbeauftragten auf dem Prüfstand. Im Versicherungssektor resultieren mögliche Probleme aus einer Doppelfunktion des Datenschutzbeauftragten, wenn er zugleich als Geldwäschebeauftragter oder als Inhaber von Schlüsselfunktionen, insbesondere der Revisionsfunktion oder der Compliance-Funktion, agiert.
Praxishinweis: Das BAG sieht übereinstimmend mit dem EuGH für alle Fälle möglicher Unzuverlässigkeit aufgrund von Interessenkollisionen keine pauschale, sondern eine einzelfallorientierte Bewertung vor, die von der konkreten Ausgestaltung beeinflusst wird. Dabei sind alle relevanten Umstände, insbesondere die Organisationsstruktur des Unternehmens vor dem Hintergrund aller anwendbaren Rechtsvorschriften, einschließlich unternehmensinterner Vorgaben zu berücksichtigen. Daher sollten die Versicherungsunternehmen potenziell relevante Konstellationen identifizieren, in einer dokumentierten Selbsteinschätzung bewerten und eventuell erforderliche organisatorische Maßnahmen ergreifen.
2024
Beim Krankenversicherungsschutz für Auslandsreisen handelt es sich um ein Thema, das gerne vernachlässigt wird, obwohl dieses Risiko relativ preiswert abgesichert werden kann. Häufig ist entsprechender Versicherungsschutz auch schon als Nebenleistung in anderen Verträgen, z.B. Kreditkarten- oder Reiseversicherungsverträgen, enthalten. Während mancher über keinen Versicherungsschutz verfügt, sind andere daher – nicht selten unwissentlich – sogar mehrfach versichert.
Zur Prüfung der Eignung von Bietern fordern öffentliche Auftraggeber regelmäßig Angaben zu Referenzen. In einem von der Vergabekammer des Bundes mit Beschluss vom 23.07.2024 entschiedenen Fall hatte der öffentliche Auftraggeber den Nachweis von mindestens zwei Referenzprojekten zu Rohbauarbeiten an Neubauvorhaben mit einem Auftragsvolumen von mindestens 1,5 Mio. € sowie ein weiteres Referenzprojekt zu Rohbauarbeiten bei einem Umbauobjekt mit statischen Eingriffen in das vorhandene Bestandsgebäude mit einem Auftragswert von ebenfalls mindestens 1,5 Mio. € verlangt.
Nach § 97 Abs. 4 GWB hat der öffentliche Auftraggeber bei der Beschaffung von Leistungen mittelständische Interessen zu berücksichtigen, indem er Teil- und Fachlose bildet. Dadurch soll es mittelständischen Unternehmen erleichtert werden, sich um Aufträge der öffentlichen Hand zu bemühen. Eine Gesamtvergabe, also insbesondere die Zusammenfassung mehrerer Fachlose in einem Auftrag, ist nach § 97 Abs. 4 GWB nur zulässig, wenn wirtschaftliche oder technische Gründe dies erfordern. Mit Beschluss vom 21.08.2024 hat das Oberlandesgericht Düsseldorf die Gesamtvergabe einer Erneuerung von ca. 90.000 m² Asphaltfahrbahn, der Erneuerung von 14.000 m Fahrbahnrückhaltesystem, der Verkehrsführung über eine Baustellenlänge von 7,8 km während der Baumaßnahme sowie die Herstellung von ca. 21.000 m Weißmarkierung für unzulässig erklärt.