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11.07.2024

Die europäische Sorgfaltspflichtenrichtlinie

Am 5. Juli 2024 wurde die europäische Richtlinie über nachhaltigkeitsbezogene Sorgfaltspflichten von Unternehmen („Sorgfaltspflichten-RL“) bekannt gemacht und ist 20 Tage danach in Kraft getreten. Für die Richtlinie wird auch die Abkürzung CSDDD (Corporate Sustainability Due Diligence Directive) benutzt. Die Richtlinie muss der deutsche Gesetzgeber spätestens bis zum 26. Juli 2026 in nationales Recht umsetzen. Diese Umsetzung wird zu deutlichen Änderungen im aktuellen deutschen Recht führen, vor allem im Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz (LkSG).

Zweck und Anwendungsbereich
 
Die Sorgfaltspflichten-RL dient dem Schutz von Menschenrechten und Umwelt. Dieser Schutz soll dadurch erreicht werden, dass für Unternehmen zusätzliche Pflichten vorgeschrieben und Pflichtverletzungen sanktioniert werden. Die Richtlinie sieht für die betroffenen Unternehmen mit Sitz in der Europäischen Union unabhängig von ihrer Rechtsform folgende zeitlich gestaffelte Anwendung für die Erfüllung der neuen Pflichten vor:

•    Für große Unternehmen (mehr als 5.000 Beschäftigte und weltweiter Netto-Jahresumsatz über 1,5 Mrd. €) drei Jahre nach dem Inkrafttreten der Richtlinie, also ab 2027
•    Für mittlere Unternehmen (mehr als 3.000 Beschäftigte und weltweiter Netto-Jahresumsatz über 900 Mio. €), vier Jahre nach dem Inkrafttreten der Richtlinie, also ab 2028
•    Für kleine Unternehmen (mehr als 1.000 Beschäftigte und weltweiter Netto-Jahresumsatz über 450 Mio. €) fünf Jahre nach dem Inkrafttreten der Richtlinie, also ab 2029.

Diese Schwellenwerte müssen in den letzten beiden Geschäftsjahren überschritten worden sein. Unternehmen mit Sitz in der EU unterhalb dieser Schwellenwerte werden von der Richtlinie nicht direkt erfasst. Wie aber die Erfahrung mit dem LkSG zeigt, sind sie aber häufig mittelbar betroffen, da die eigentlich verpflichteten Unternehmen häufig ihre Pflichten an Geschäftspartner weitergeben. Die Richtlinine sieht die Einholung vertraglicher Zusicherungen von direkten Geschäftspartnern ausdrücklich vor. Unternehmen außerhalb der EU werden erfasst, wenn ihr in der EU generierter jährliche Netto-Umsatz 450 Mio. € übersteigt. Als Referenzzeitraum gelten ebenfalls die letzten beiden aufeinanderfolgenden Geschäftsjahre.

Unternehmerische Sorgfaltspflichten

In der Richtlinie werden unternehmerische Pflichten verankert, die von den Risiken der jeweiligen Geschäftstätigkeit für Menschrechte und Umwelt abhängen. Erfasst wird die eigene Geschäftstätigkeit, die von Tochterunternehmen und die von Geschäftspartnern. Die einzelnen Pflichten beziehen sich auf folgende Elemente:

•    Integration der Sorgfaltspflichten in die Unternehmenspolitik und das Risikomanagement
•    Ermittlung und Bewertung (tatsächlicher oder potenzieller) negativer Auswirkungen auf Menschenrechte und Umwelt
•    Maßnahmen zur Verhinderung (tatsächlicher oder potenzieller) negativer Auswirkungen auf Menschenrechte und Umwelt
•    Behebung und Abhilfe tatsächlicher negativer Auswirkungen
•    Einrichtung eines Meldemechanismus und eines Verfahrens zur Bearbeitung von Beschwerden
•    Interne Überwachung durch Bewertung der Angemessenheit und Wirksamkeit der ergriffenen Maßnahmen
•    Öffentliche Berichterstattung über die Erfüllung der Sorgfaltspflichten
•    Maßnahmen zur Einbindung von Stakeholdern (z.B. Betriebsrat) in die Erfüllung der Sorgfaltspflichten.

Diese Pflichten bestehen innerhalb der Aktivitätenkette der Unternehmen. Diese Aktivitätenkette geht über die Lieferkette des LkSG hinaus, da sie neben Lieferanten auch Abnehmer einbezieht. Eine Ausnahme gilt für die regulierten Finanzsektoren (etwa Versicherer und Banken), bei denen die Abnehmer nicht betrachtet werden. Die Aktivitätenkette geht zugleich über die Wertschöpfungskette hinaus, da sie nicht an eine Wertschöpfung anknüpft.

Klimaschutzplan

Neben der Erfüllung dieser Sorgfaltspflichten müssen die Unternehmen noch einen Plan zur Minderung der Folgen des Klimawandels entwickeln. Damit soll erreicht werden, dass sich die Unternehmen bei ihrer Geschäftstätigkeit an dem 1,5 Grad-Ziel des Pariser Klimaschutzabkommens und an den Vorgaben der Europäischen Klimaschutzverordnungen orientieren. In ihrem Klimaschutzplan müssen die Unternehmen ihre Klimazwischenziele und das Ziel der Klimaneutralität behandeln.

Sanktionen

Verletzt das Unternehmen die Sorgfaltspflichten kommen folgende Sanktionen in Betracht:

•    Zivilrechtliche Haftung für durch das Unternehmen vorsätzlich oder fahrlässig verursachte Schäden
•    Bußgelder in Höhe von mindestens 5 % des jährlichen weltweiten Nettoumsatzes
•    Einhaltung der Vorgaben der Richtlinie als Kriterium für den Ausschluss von der Vergabe öffentlicher Aufträge oder für den Erhalt erforderlicher Konzessionen.

Die zivilrechtliche Haftung wird gegenüber natürlichen und juristische Personen ausgelöst, wenn das Unternehmen, die im Anhang zur Richtlinie aufgeführten Rechte, Verbote oder Pflichten nicht beachtet, die dem Schutz dieser Personen dienen. Das Risiko zivilrechtlicher Haftung wird durch drei Faktoren merklich gesteigert: Erstens können (möglicherweise) geschädigte einzelne Personen Gewerkschaften oder NGOs mit entsprechenden Haftungsklagen beauftragen. Zweitens können Gerichte anordnen, dass beklagte Unternehmen gegenüber Klägern Beweismittel, unter Umständen sogar Geschäftsgeheimnisse, offenlegen müssen. Drittens ist die Verjährungsfrist für Schadensersatzansprüche relativ lange, denn sie muss mindestens fünf Jahre ab Kenntnis bzw. zumutbarer Kenntnisnahme betragen.

Fazit

Die Sorgfaltsplichten-RL führt zu signifikanten Neuerungen und Veränderungen für die betroffenen Unternehmen. Die teilweise sehr allgemein und vage gehaltenen Vorgaben führen dabei zu zahlreichen Rechtsfragen. Das Ausmaß der neuen Regulierung und ihrer Widersprüche zum aktuellen deutschen Recht zwingen außerdem bereits jetzt zu einer Analyse der unternehmensindividuell erforderlichen Aktivitäten, um ein rechtskonformes Unternehmensverhalten zu gewährleisten. Die Unternehmen sollten dabei vor allem die bereits angelaufenen Aktivitäten des deutschen Gesetzgebers zur Umsetzung der Regelungen zur Nachhaltigkeitsberichterstattung (Corporate Sustainability Reporting Directive – „CSRD“) im Blick behalten.


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