HomeWissenVeröffentlichungenGerichtliche Schätzung von Kartellschäden – Rückenwind für Kartellkläger?
19.03.2024

Gerichtliche Schätzung von Kartellschäden – Rückenwind für Kartellkläger?

Kartellgeschädigte Unternehmen können von Kartellanten Ersatz der ihnen aufgrund eines Kartells – etwa durch kartellbedingt erhöhte Preise – entstandenen Schäden verlangen. Die Durchsetzung solcher Ansprüche ist jedoch in der Praxis schwierig. Insbesondere ist die zur Bezifferung des Schadens in der Regel erforderliche sachverständige Begutachtung kostenintensiv, langwierig und führt nicht immer zu belastbaren Ergebnissen.

Es sind zwischenzeitlich Anzeichen dafür erkennbar, dass Bewegung in diese Situation kommt. Im Einklang mit der Kartellschadensersatzrichtlinie haben Gerichte in verschiedenen europäischen Jurisdiktionen in jüngerer Zeit von ihrer Befugnis Gebrauch gemacht, kartellbedingte Schäden eigenständig zu schätzen.

Im Frühjahr 2023 erließ das Competition Appeal Tribunal („CAT“) in Großbritannien in einem Schadenersatzverfahren zum Lkw-Kartell eine Entscheidung, in der es den Preiseffekt des Verstoßes eigenständig auf 5 % schätzte. Ein dagegen eingelegtes Rechtsmittel wies der Court of Appeal jüngst ab. Daneben bestätigte der Oberste Gerichtshof Spaniens eine Reihe von Instanzurteilen zum Lkw-Kartell, in denen Gerichte den Preiseffekt des Verstoßes geschätzt hatten. Auch in Deutschland erließ das Landgericht Berlin im Jahr 2023 zum Lkw-, Schienen- und Fahrtreppen- und Aufzugskartell Urteile, in denen Schäden ohne Einschaltung gerichtlicher Sachverständiger geschätzt wurden. Ferner ließ das Oberlandesgericht Schleswig in einem Verfahren zum Drogerie-Kartell in einem veröffentlichten Hinweisbeschluss erkennen, dass es aus pragmatischen Gründen zur Schätzung der Schadenshöhe tendiert.

Diese Entwicklung ist für potentiell kartellgeschädigte Unternehmen grundsätzlich zu begrüßen. Die Vorgehensweise einiger Gerichte, nunmehr eigenständig Schäden zu schätzen, könnte Kartellschadenersatzverfahren zugleich vergünstigen und verkürzen. Allerdings stellt dieses Vorgehen in der deutschen Rechtspraxis ein Novum dar. Zudem sind an solche Schätzungen hohe Anforderungen zu stellen. Die Gerichte stehen deshalb am Anfang einer Rechtsentwicklung, für die eine höchstrichterliche Ermutigung ebenso wünschenswert wäre wie entsprechende „Leitplanken“.

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