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05.07.2023

Leistungen sind in Losen zu vergeben!



Sowohl bei der Auftragsvergabe im Oberschwellenbereich (§ 94 Abs. 4 GWB) als auch im Unterschwellenbereich (§ 22 Abs. 1 UVgO; § 5 Abs. 2 VOB/B) ist die Aufteilung von Leistungen in Teil- und Fachlose vorzusehen, um den Mittelstand zu fördern. Hieran hat die Vergabekammer Nordbayern einen öffentlichen Arbeitgeber mit Beschluss vom 23.03.2023 erinnert und ihn verpflichtet, sein Vergabeverfahren zur Beschaffung eines Patientenportals für ein digitales Aufnahme- und Behandlungsmanagement sowie ein Entlassungsmanagement zu wiederholen. Denn wie die Vergabekammer feststellte, gibt es einen getrennten Anbietermarkt für das Entlassungsmanagement, so dass diese Leistung in einem separaten Fachlos auszuschreiben sei.

Auf die Bildung von Losen kann nach § 97 Abs. 4 Satz 3 GWB; § 22 Abs. 1 Satz 2 UVgO; § 5 Abs. 2 Satz 2 VOB/B ausnahmsweise verzichtet werden, wenn wirtschaftliche oder technische Gründe dies erfordern. Solche Gründe konnte die Vergabestelle in dem von der Vergabekammer Nordbayern entschiedenen Fall nicht benennen. Grund hierfür war unter anderem die fehlerhafte Annahme der Vergabestelle, es gebe einen Markt für einheitliche Patientenportale inklusive Aufnahme, Behandlungs- und Entlassungsmanagement. Die Vergabestelle hatte sich daher keine Gedanken darüber gemacht, ob die einheitliche Vergabe der unterschiedlichen Leistungen zu rechtfertigen sei.

Die Entscheidung zeigt, welche Relevanz die Pflicht zur Losaufteilung hat: Verstößt der öffentliche Auftraggeber gegen diese Pflicht, droht ihm – jedenfalls in Kartellvergabeverfahren – eine Aufhebung und die Wiederholung der Ausschreibung mit entsprechendem Zeitverlust, soweit sich ein (potenzieller) Bieter gegen die unterbliebene Losaufteilung zur Wehr setzt. Will der Auftraggeber verschiedene Leistungen einheitlich vergeben, sollte er unbedingt prüfen, ob es einen Anbietermarkt für die Einzelleistungen gibt. Hierzu muss gegebenenfalls eine Markterkundung durchgeführt werden. Gibt es einen Anbietermarkt für eine Teilleistung, muss geprüft werden, ob ausnahmsweise wirtschaftliche oder technische Gründe eine gemeinsame Vergabe rechtfertigen.
 

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