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04.07.2023

Verjährung von Ansprüchen auf Urlaub und Urlaubsabgeltung

Kaum ein arbeitsrechtlicher Bereich ist derart geprägt von unionsrechtlichen Vorgaben wie das Urlaubsrecht. So hatte das Bundesarbeitsgericht (BAG) mit seinen Entscheidungen vom 19.02.2019 erstmals die vom EuGH entwickelten Grundsätze zur Mitwirkungsobliegenheit des Arbeitgebers umgesetzt: Der Anspruch auf den gesetzlichen Mindesturlaub verfällt am Ende des Kalenderjahres bzw. des Übertragungszeitraums nur, wenn der Arbeitgeber seine Arbeitnehmer zuvor darauf hingewiesen und in die Lage versetzt hat, den Urlaub wahrzunehmen. Kommt der Arbeitgeber seiner Initiativlast insoweit nicht nach, tritt der nicht verfallene Urlaub zum Urlaubsanspruch des Folgejahres hinzu.

Nun hat das BAG mit mehreren Urteilen aus Dezember 2022 und Januar 2023 seine Rechtsprechung zum Urlaubsrecht im Hinblick auf die Verjährungsthematik weiter konkretisiert.

Zunächst hat das BAG mit Urteil vom 20.12.2022 - wiederum in Umsetzung zwingender Vorgaben des EuGH - entschieden, dass die Verjährung von Urlaubsansprüchen gleichsam davon abhängt, ob Arbeitgeber ihre Arbeitnehmer zuvor ordnungsgemäß darüber aufgeklärt haben. Zwar können Urlaubsansprüche verjähren; die dreijährige Verjährungsfrist beginne allerdings erst am Ende des Kalenderjahres, in dem der Arbeitgeber den Arbeitnehmer über seinen konkreten Urlaubsanspruch informiert und ihn im Hinblick auf die Verfallfristen aufgefordert habe, den Urlaub tatsächlich zu nehmen. Wird diesen Mitwirkungsobliegenheiten nicht entsprochen, können sich Arbeitgeber also weder auf einen Verfall nach § 7 Abs. 3 BurlG noch auf die dreijährige Verjährung gemäß §§ 195, 199 BGB berufen.

In zwei weiteren Verfahren hat das BAG sodann darüber geurteilt, ob und inwiefern entsprechende Grundsätze auf Urlaubsabgeltungsansprüche zu übertragen sind. Gemäß § 4 Abs. 4 BurlG ist Urlaub abzugelten, wenn er wegen Beendigung des Arbeitsverhältnisses ganz oder teilweise nicht gewährt werden kann.

Mit Entscheidungen vom 31.01.2023 hat das BAG insoweit nunmehr klargestellt: "Urlaub ohne Ende" gilt nur für den Urlaubsanspruch selbst, nicht jedoch für den Urlaubsabgeltungsanspruch. Der gesetzliche Anspruch eines Arbeitnehmers auf Abgeltung nicht genommenen Urlaubs unterliege als reiner Zahlungsanspruch den allgemeinen Regelungen der Verjährung. Die dreijährige Verjährungsfrist beginne in der Regel mit dem Ende des Jahres, in dem der Arbeitnehmer aus dem Arbeitsverhältnis ausscheide - unabhängig von einer Aufklärung durch den Arbeitgeber. Begründet wird dies vom BAG mit der Unterschiedlichkeit der Ansprüche: Die Beendigung des Arbeitsverhältnisses stelle insofern eine Zäsur dar. Denn anders als der Urlaubsanspruch sei der Urlaubsabgeltungsanspruch nicht auf Freistellung von der Arbeitsverpflichtung zu Erholungszwecken unter Fortzahlung der Vergütung gerichtet, sondern auf dessen finanzielle Kompensation beschränkt. Aus Sicht des BAG entfällt mit der Beendigung des Arbeitsverhältnisses die strukturell schwächere Stellung des Arbeitnehmers, aus der der EuGH die Schutzbedürftigkeit des Arbeitnehmers bei der Inanspruchnahme von Urlaub ableitet.

Überdies bestätigte das BAG, dass der Anspruch auf Urlaubsabgeltung als reiner Geldanspruch weiterhin und auch ohne Beachtung von Mitwirkungspflichten tarifvertraglichen Ausschlussfristen unterliegen kann. Wenngleich das BAG nur zu tariflichen Ausschlussfristen entschieden hat, so sind keine triftigen Gründe ersichtlich, warum dies nicht auch für einzelarbeitsvertraglich wirksam vereinbarte Ausschlussfristen gelten sollte.

Angesichts der jüngsten Entscheidungen des BAG können Arbeitgeber zumindest ein Stück weit "aufatmen". Urlaubsabgeltungsansprüche ehemaliger Arbeitnehmer können sowohl aufgrund von Ausschlussfristen verfallen als auch verjähren, ohne dass es auf die Erfüllung von Mitwirkungsobliegenheiten ankommt. Nichtsdestotrotz bleiben Unterrichtung und Aufklärung über Urlaubsansprüche für Arbeitgeber unerlässlich. Durch die neue höchstrichterliche Rechtsprechung werden zwar Urlaubsabgeltungsansprüche ehemaliger Arbeitnehmer beschränkt. Dies ändert jedoch nichts daran, dass Arbeitnehmer bei fehlender arbeitgeberseitiger Belehrung im laufenden Arbeitsverhältnis weiterhin unbegrenzt Urlaubsansprüche ansammeln und gegebenenfalls nachfordern können.

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Nadine Sardo Rechtsanwältin
Fachanwältin für Arbeitsrecht

Rechtsanwältin; Fachanwältin für Arbeitsrecht

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