Das Bundesarbeitsgericht hat in drei aufsehenerregenden Parallelurteilen am 24.08.2023 entschieden, dass Arbeitnehmer für beleidigende Äußerungen in privaten WhatsApp-Gruppen außerordentlich gekündigt werden können. Eine besondere „Vertraulichkeitserwartung“ hinsichtlich der Nachrichten in einer solchen Gruppe bestünde bei besonders schwerwiegenden Beleidigungen nur in absoluten Ausnahmefällen.
Die drei betroffenen Arbeitnehmer schlossen im Zuge der Restrukturierung der beklagten Arbeitgeberin Aufhebungsverträge, auf deren Grundlage ihnen hohe fünfstellige bzw. sechsstellige Abfindungszahlungen zugestanden hätten. Gleichzeitig tauschten die Arbeitnehmer, die seit Jahren befreundet und teilweise untereinander verwandt waren, in einer privaten WhatsApp-Gruppe wiederholt Nachrichten mit menschenverachtendem Inhalt aus. Einer der Gruppenteilnehmer leitete schließlich ein 316seitiges Protokoll gröbster verbaler Entgleisungen an den Betriebsrat und die Arbeitgeberin weiter. Das Chatprotokoll enthielt Nachrichten wie: „Und in der Frühschicht darf ich jetzt für das dumme Schwein mitlaufen (..) Dieser Wixxer (..) Unter Hitler würde die Welt besser laufen“.
Die Arbeitgeberin kündigte drei der Gruppenmitglieder daraufhin außerordentlich fristlos. Das Arbeitsgericht und das Landesarbeitsgericht gaben den Kündigungsschutzklagen der Arbeiternehmer statt und argumentierten, dass die Bemerkungen keinen Verstoß gegen Pflichten aus dem Arbeitsverhältnis darstellen würden, da sie im rein privaten Bereich geschrieben worden seien. Die Kündigungen seien damit ungerechtfertigt.
Das Bundesarbeitsgericht hob die Entscheidungen auf und verwies die Verfahren an das Landesarbeitsgericht zurück. Dieses solle klären, ob die Betroffenen – unter Berücksichtigung der Schwere der Bemerkungen – tatsächlich eine berechtigte Privatheitserwartung hatten, wobei das Landesarbeitsgericht zu bedenken habe, dass Chats wie auf der Plattform „WhatsApp“ – aus Sicht des Bundesarbeitsgerichts – gerade auf eine schnelle Weiterleitung angelegt seien. Die Darlegungs- und Beweislast für eine Privatheitserwartung in einer Chatgruppe trage der betroffene Arbeitnehmer.
Bei der Lektüre der Gesprächsprotokolle verspürt man in Anbetracht der unzähligen verbalen Entgleisungen der Arbeitnehmer zwar eine gewisse Genugtuung für die harte Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts. Dennoch sollten Arbeitgeber vor einer Verallgemeinerung der Argumentation des Bundesarbeitsgerichts vorsichtig sein. Die Entscheidung liegt bislang nicht im Volltext vor und das Bundesarbeitsgericht bricht in seiner Entscheidung möglicherweise mit zahlreichen allgemeinen Leitlinien seiner eigenen Rechtsprechung und wohl auch der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts. Die Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts dürfte daher vorerst als Einzelfallentscheidung einzuordnen sein, die vor allem in Anbetracht der schieren Masse schlimmster Beleidigungen zu erklären ist. Ganz grundsätzlich müssen Arbeitgeber auch weiterhin davon ausgehen, dass Äußerungen von Arbeitnehmern, die im nichtöffentlichen (privaten) Bereich gesprochen oder geschrieben werden, keine Kündigung rechtfertigen – seien sie noch so verwerflich. Ob im Einzelfall gegebenenfalls doch die Möglichkeit zur Kündigung besteht, sollte also stets kritisch geprüft werden.