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04.11.2024

Auch ein bereits ausgeschiedener Geschäftsführer kann wegen Insolvenzverschleppung haften

Der Bundesgerichtshof hat in einem Urteil vom Juli 2024 entschieden, dass ein aus dem Amt ausgeschiedener Geschäftsführer auch für Schäden von Neugläubigern haften kann, die erst nach seinem Ausscheiden in vertragliche Beziehungen zu der Gesellschaft getreten sind. Voraussetzung für die Haftung sei, dass die durch den ausgeschiedenen Geschäftsführer durch eine Verletzung seiner Antragspflicht geschaffene verschleppungsbedingte Gefahrenlage im Zeitpunkt der Schadensentstehung noch fortbesteht. Der betroffene Geschäftsführer (er war verstorben, der Haftungsanspruch wurde daher gegenüber seinen Erben geltend gemacht) war von 2013 bis 2016 Geschäftsführer mehrerer Vertriebsgesellschaften. Aus dem Geschäftsführeramt wurde er Mitte 2016 abberufen. Nach den gerichtlichen Feststellungen war das Vertriebsmodell der Gesellschaften ab dem Jahr 2007 in eine Schieflage geraten, Ansprüche von Anlegern konnten nur noch durch eine Art Schneeballsystem aus dem frischen Geld neuer Anleger gedeckt werden. Zu Beginn des Jahres 2018 brach das System endgültig zusammen, Mitte 2018 wurde der Insolvenzvertrag gestellt. Hinsichtlich der Jahresabschlüsse ab 2010 bis 2016 waren im Zusammenhang mit der Schadenersatzhaftung nach § 826 BGB den Schuldnergesellschaften lediglich eingeschränkte Bestätigungsvermerke erteilt worden. Der Bundesgerichtshof ging davon aus, dass die Vertriebsgesellschaften ab 2011 objektiv überschuldet waren und dass hieraus die Vermutung einer zumindest fahrlässigen Verletzung der Insolvenzantragspflicht folgte. Der verstorbene Geschäftsführer hatte daher jedenfalls die jeden Geschäftsführer treffende Pflicht verletzt, die wirtschaftliche Lage des Unternehmens laufend zu beobachten und sich bei Anzeichen einer Krise durch Aufstellung eines Vermögensstatus den Überblick über den Vermögensstand zu verschaffen. Dagegen konnte der Geschäftsführer auch nicht die umfassende Informationsabschottung seitens der Eigentümer der Gesellschaften einwenden, denn der Geschäftsführer hätte sich – so der Bundesgerichtshof – über die Rahmenbedingungen aller Geschäfte vergewissern und die Grundstrukturen der Einnahmen der Gesellschaften, auch der Überweisungen der Eigentümer der Gesellschaften, prüfen müssen. Er hätte sich über alle Grundbedingungen informieren müssen, die für die Erfüllung der vertraglichen Verpflichtungen seines Unternehmens erforderlich waren und könne sich nicht auf eine interne Ressortaufteilung berufen.

Die Haftung erstreckt sich auch auf erst nach der Abberufung als Geschäftsführer entstandene Schäden. Es kommt darauf an, ob die durch das Unterlassen der Insolvenzantragsstellung geschaffene Gefahrenlage im Zeitpunkt der Schadensentstehung noch fortbesteht. Denn die bereits begangene Antragspflichtverletzung wird durch die Abberufung aus dem Amt als Geschäftsführer ebenso wenig rückwirkend beseitigt wie die Verantwortung des Geschäftsführers für darauf zurückzuführende Verschleppungsschäden. Die Verletzung der Insolvenzantragspflicht ist auch nach Beendigung des Geschäftsführeramts mitursächlich für anschließende Vertragsabschlüsse der Gesellschaft mit Dritten, da es bei der gebotenen Insolvenzantragsstellung nicht mehr zu diesen Verträgen gekommen wäre. Das Verbot der Insolvenzverschleppung dient u. a. dem Zweck, insolvenzreife Gesellschaften vom Geschäftsverkehr fernzuhalten, damit durch das Auftreten solcher Gebilde nicht Gläubiger geschädigt oder gefährdet werden. Dieser Schutzzweck rechtfertigt es, auch die nach Beendigung der Geschäftsführerstellung eingetretenen Schäden den für die Insolvenzverschleppung verantwortlichen Geschäftsführern zuzurechnen. Der Zurechnungszusammenhang wird allerdings unterbrochen, wenn sich die Insolvenzverschleppung des ausgeschiedenen Geschäftsführers beim Eintritt des Schadens tatsächlich oder normativ nicht mehr auswirkt, was etwa der Fall ist, wenn die Gesellschaft sich nach dessen Ausscheiden zunächst wieder nachhaltig erholt und erst später wieder insolvenzreif wird.

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